Dass Wolfgang Ratzek die Farbe Gelb liebt, muss er gar nicht erst betonen. Das sagen schon still fast alle seine Bilder, die in Ratzeks Galerie im idyllischen Radolfzeller Stadtteil Möggingen hängen. „Farbismus“ nennt der Allensbacher seinen Stil, ein von ihm geprägter Kunstbegriff, der sich aus den Worten Farbe und Kubismus zusammensetzt.

„Farbismus“ nennt Wolfgang Ratzek seine Art zu malen – abgeleitet von den Worten Farbe und Kubismus.
„Farbismus“ nennt Wolfgang Ratzek seine Art zu malen – abgeleitet von den Worten Farbe und Kubismus. | Bild: Waibel, Markus

Die Farbe Gelb hat er auch schon in seinem anderen Leben eingesetzt, vor über 25 Jahren. Damals nicht aus künstlerischer Passion und nur, „wenn es wirklich nötig war“, wie Ratzek beteuert. Wie im Fall von Jürgen Klopp, heute Erfolgstrainer beim FC Liverpool, einst Fußballer beim FSV Mainz 05.

Jürgen Klopp (links) war als Spieler einer, „der immer gerne mit den Schiedsrichtern diskutiert hat“, erinnert sich der ...
Jürgen Klopp (links) war als Spieler einer, „der immer gerne mit den Schiedsrichtern diskutiert hat“, erinnert sich der Allensbacher Wolfgang Ratzek. | Bild: Kay_Nietfeld
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Gelb für Jürgen Klopp

„Ja, der Jürgen Klopp war schon so einer, bei dem man aufpassen musste“, sagt Wolfgang Ratzek und blickt auf den 5. April 1994 zurück. Als Mainz in der 2. Fußball-Bundesliga gegen den FC St. Pauli antrat, war Ratzek als Schiedsrichter dabei – damals noch mit der Pfeife statt dem Pinsel in der Hand. „Klopp hat schon gerne mit uns Schiris diskutiert“, erzählt Ratzek weiter, „und in diesem Spiel hat er geradezu um eine Karte gebettelt“. Und auch wenn der Schiedsrichter Ratzek damals sparsamer mit seiner Lieblingsfarbe umgegangen ist, hat er Klopp Gelb gezeigt – ebenso wie dessen Clubkollegen Ansgar Brinkmann, der damals weit populärer war als der heutige Liverpool-Coach.

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Früher hatten Schiedsrichter mehr Kompetenz

„Das Spiel ist trotz einiger Verwarnungen ganz gut gelaufen“, erinnert sich Ratzek, auch wenn eine Entscheidung folgenschwer war: Rot für Pauli-Torwart Andreas Reinke, der vier Jahre später mit dem 1. FC Kaiserslautern die Meisterschale holte. „Reinke hat außerhalb des Strafraums den Ball mit der Hand pariert“, erzählt er, und dass er damals beim Platzverweis nicht lange gezögert habe. Die Selbstreflektion kam später. „Heutzutage gibt es zig Kameras, die jede Aktion verfolgen. Damals waren Schiedsrichter mehr auf sich gestellt, hatten allerdings auch mehr Kompetenz“, sagt Ratzek. „Inzwischen werden ihnen manche Entscheidungen abgenommen, was beim einen oder anderen aber vielleicht auch etwas den Druck wegnimmt. Dem Spielfluss im Fußball schadet der Videobeweis allerdings schon“, glaubt der 56-Jährige.

Ein Bild aus frühen Tagen: Wolfgang Ratzek (Mitte) beim Pfingstturnier des FC Wollmatingen 1983. Links neben ihm ist Karl-Heinz Arnold ...
Ein Bild aus frühen Tagen: Wolfgang Ratzek (Mitte) beim Pfingstturnier des FC Wollmatingen 1983. Links neben ihm ist Karl-Heinz Arnold zu sehen, rechts Jürgen Kraus. | Bild: KHA

Zum ersten Mal in der 2. Bundesliga im Einsatz war er 1993 bei seinem Herzensverein, dem SC Freiburg. Das Spiel dessen zweiter Mannschaft in der Verbandsliga hatte Ratzek am Morgen noch als Schiedsrichter geleitet und war im Dreisam-Stadion geblieben, um mit seinen Assistenten in aller Ruhe eine Bratwurst zu essen und dann das Zweitliga-Spitzenspiel des SC gegen den MSV Duisburg anzuschauen. Die Wurst war noch nicht verputzt, als der Allensbacher aufs Feld gerufen wurde – als Linienrichter-Ersatz, da der nominierte Schiedsrichter ausgefallen war und das Zweitliga-Gespann umbesetzt werden musste.

1500 Mark gab‘s pro Spiel

Diesem Einsatz folgten neun weitere als Unparteiischer in der 2. Bundesliga, für Ratzek zum Glück in der ersten Saison, in der Schiedsrichter richtig bezahlt wurden. 1500 Mark erhielt er damals pro Partie. Dazu kamen noch drei DFB-Pokalspiele, darunter eines, das er nie vergessen wird: Carl-Zeiss Jena gegen Rot-Weiß Essen. „In der Schiedsrichterkabine in Jena haben wir Abhör-Wanzen unterm Sofa gefunden“, lacht Ratzek und schüttelt, als könne er es immer noch nicht richtig glauben, den Kopf. „Das war wohl noch ein Überbleibsel aus alten DDR-Tagen. Die Wanzen haben wir dann natürlich gleich an den DFB geschickt.“

Ein Raubfisch mit dicker Zigarre und Goldzahn – ein Exponat der etwas anderen Art.
Ein Raubfisch mit dicker Zigarre und Goldzahn – ein Exponat der etwas anderen Art. | Bild: Waibel, Markus

Viele gute Erinnerungen hat Wolfgang Ratzek an seine Zeit als Schiedsrichter. An das „Ran“-Interview mit dem jungen Johannes B. Kerner, damals noch für Sat 1 aktiv. Und an die Begegnungen beim Hallen-Masters mit Guido Buchwald, „einem ganz feinen Kerl“, wie Ratzek meint, oder dem „richtig netten“ Sammy Kuffour vom FC Bayern München.

Als Fan bleibt er dem Fußball treu

Seiner Vergangenheit trauert er aber nicht nach. „Wenn ich die ganzen Auswüchse im heutigen Profifußball sehe, bin ich schon froh, dass ich in einer anderen Zeit dabei war“, sagt Ratzek, der seine Schiedsrichter-Karriere 1995 beendet hat. Dem Fußball als Fan ist er aber treu geblieben. Samstags, wenn Bundesliga ist, steht er mit dem Pinsel statt der Pfeife in der Hand in seiner Galerie, verfolgt die Spiele live im Radio und verteilt großzügig Gelb – auf der Leinwand statt im Stadion. „Das Schönste daran ist, dass die Bilder einen nicht anschreien und beschimpfen“, genießt Ratzek die Stille seiner Kunst.

Gelbe und rote Karten verteilt der ehemalige Schiedsrichter Wolfgang Ratzek heute noch – als Visitenkarten.
Gelbe und rote Karten verteilt der ehemalige Schiedsrichter Wolfgang Ratzek heute noch – als Visitenkarten. | Bild: Waibel, Markus

Auch gelbe und rote Karten hat er noch im Einsatz – als Visitenkarten. Die gelben für die Kunst, die roten für seinen eigentlichen Job. Autos verkauft Wolfgang Ratzek nämlich auch. In allen Farben übrigens – nicht nur gelbe.