Die leeren Ränge im Konstanzer Bodenseestadion zu sehen, bricht Martin Mauz jedes Mal das Herz. Wie der Wind vom nahen Hörnleufer über die verwaiste Tribüne pfeift, wie Wochenende für Wochenende mehr Unkraut die Betonstufen der altehrwürdigen und wunderschön gelegenen Arena überwuchert.
Wenn es nach dem 76-Jährigen ginge, dann würden hier heute alle zwei Wochen Tausende die Kassenhäuschen passieren und die Fußballer der DJK Konstanz anfeuern, die vor knapp 50 Jahren seine „Herzenssache“ war und inzwischen ihr Dasein in der Kreisliga B fristet.
Als sich vor wenigen Tagen das Jägermeister-Sponsoring bei Eintracht Braunschweig zum 50. Mal jährte und Martin Mauz den Artikel im SÜDKURIER las, kamen sie wieder, die vielen Erinnerungen an die goldenen Jahre der DJK Ende der 1970er-Jahre.
Als der mittlerweile in der Versenkung verschwundene Verein vom Bodensee bundesweit in den Schlagzeilen war. Weil auch die Konstanzer auf ihren Trikots für den Kräuterschnaps aus Niedersachsen warben.
8000 Fans im Bodenseestadion
„Soviel ich weiß, waren wir neben seiner Eintracht der einzige Fußballverein, den der Jägermeisterchef Günter Mast damals unterstützte“, sagt Mauz, der just in dieser Zeit wegen eines Meniskusschadens seine Spielerkarriere beendet hatte und vom Mittelstürmer und Kapitän zum Manager der DJK Konstanz wurde, die in der dritthöchsten deutschen Spielklasse, der Amateuroberliga, erfolgreich war. Beim Spiel gegen den Mitaufsteiger Offenburger FV feuerten 8000 Fans im Bodenseestadion die DJK an.
Nachdem sich der millionenschwere Schweizer Mäzen Bruno Armuzzi verabschiedet hatte, mit dessen Fränkli unter anderem der frühere FC-Bayern-Spieler Dieter Koulmann nach Konstanz gelockt wurde, griffen die „DJK-Mannen (…) unermüdlich zur Selbsthilfe“, wie der Kicker in einem Artikel schrieb.
„Da wird Werbung gemacht noch und noch (…) Wenn die Leute zu den DJK-Heimspielen kommen, ist tatsächlich auch immer etwas los“, heißt es weiter, unter einem großen Bild von Stürmer Harry Schwehr in einem Trikot mit dem unverkennbaren Jägermeister-Schriftzug. Das ikonische Hirschgeweih „durften wir laut Amateurregel allerdings nur im Training tragen“, sagt Ex-Manager Mauz, der also einen anderen Weg suchte, um seinen Club ins Gespräch zu bringen.
Freikarten für Schüler
So verteilten sie Freikarten an die Konstanzer Schüler und schickten im Morgengrauen zwei Rentner durch die Straßen der Stadt, um Plakate für die Heimspiele aufzuhängen. „Das war verboten von der Polizei“, sagt Mauz heute schmunzelnd.
Der Spielmannszug trat vor den Spielen auf und Fallschirmspringer landeten bei einem falsch getimten Sprung während eines Spiels auf dem Rasen. „Das stand sogar in der ,Bild‘-Zeitung. Das hat Mast gefallen, das waren Schlagzeilen“, sagt Mauz.

Es wurden Autos verlost und der Fanclub unterstützt, „damit er Fahnen kaufen kann“, so Mauz, der die Zeitschrift „Stadionblick“ ins Leben rief. Auf eine der Titelseiten druckte er folgenden Spruch: „Tore für die DJK – Jägermeister für Papa.“
Mit diesem Slogan „haben wir kleine DJKler seinerseits die Aufmerksamkeit von Günter Mast auf uns gezogen“, erinnert der 76-Jährige sich. Knapp 50 Jahre später zeigt er stolz die Korrespondenz mit dem Braunschweiger Unternehmer – natürlich mit Hirschgeweih auf dem Briefkopf.
Hohe Einnahmen für die DJK
Am Ende einigten sich die Macher der DJK Konstanz und von Jägermeister „auf 45 000 D-Mark plus Mehrwertsteuer, also rund 50 000 DM, pro Jahr plus Trikot, Ausgehanzug, Schuhe etc.“, sagt Mauz. Vor ihm liegt der alte Überweisungsschein: 50 850 DM. „Das war damals unfassbar viel Geld“, sagt der Konstanzer.
Der ehemalige Deutsche Meister Braunschweig bekam als Bundesligist 1973 etwa das Doppelte. Mit seiner Eintracht kam Günter Mast 1979 sogar für ein Freundschaftsspiel ins Bodenseestadion, nachdem eine DJK-Anfrage an Real Madrid von der Vereinsspitze der Spanier höflich abgelehnt worden war.

„Mast wurde vor dem Spiel offiziell von der Stadt empfangen. Danach hat er geschimpft, weil wir als Oberligist 3:1 gegen die Bundesligamannschaft gewonnen haben“, erinnert Martin Mauz sich. „Die 10 000 D-Mark Gage wurden großzügig mit einem beabsichtigten Transfer unseres Offensiv-Verteidigers Bernd Weber, der das Spiel seines Lebens machte, verrechnet. Bernd wusste von dem Deal allerdings nichts und konnte wegen eines Knieschadens die Reise nach Braunschweig nie antreten“, sagt er weiter.
Den eigenen DJK-Kader wollte der Konstanzer nur allzu gerne mit prominenten Namen glänzen lassen, um weiter bei seinem großen Sponsor hoch im Kurs zu stehen. „Wir haben mit ausgedienten Bayern-Größen verhandelt, wie Branko Oblak oder Franz ,Bulle‘ Roth“, sagt Mauz. Den vierfachen Nationalspieler habe er sogar zu Hause in Kaufbeuren besucht.
„Wir waren uns einig, aber seine Frau wollte dann eine Wohnung mit Seeblick, die teurer gewesen wäre als unser gesamtes Budget für ihn. Sie war ein schwerer Verhandlungspartner“, sagt Mauz, der nicht wirklich enttäuscht war über die vermeintliche Niederlage. „Das stand in der Zeitung, die Schlagzeilen waren da“, sagt er, sogar der Südwestfunk habe ihn und Günter Mast im Radio interviewt.
Bunte Schlagzeilen in den Siebzigern
Immer wieder diese Schlagzeilen. Sie waren groß und bunt. Mauz & Co. träumten von der Bundesliga, einem neuen Stadion, einem Fußball-Oberzentrum für die ganze Region. Auf dem Rücken der orangefarbenen Hemden mit dem grünen Kragen stand nicht DJK, sondern „Konstanz Bodensee“.
Dem jungen Manager Martin Mauz imponierte damals der Geschäftssinn eines Günter Mast, und dem „hat gefallen, dass in Konstanz rührige Leute am Werk waren, die etwas bewegen wollten“, sagt Mauz heute. „Am Ende ging es leider nur drei Jahre, aber es hat funktioniert.“
Drei Jahre lang Aufbruchstimmung
Drei Jahre lang herrschte rund um die DJK Konstanz eine „unglaubliche Aufbruchstimmung“, so Mauz. „Das war der Wahnsinn, das kann man sich nicht vorstellen. Wenn das geklappt hätte mit der 2. Bundesliga und Mast als Trikotsponsor…“, sagt er und lässt das Ende des Satzes offen.
Vielleicht, ja vielleicht würde die DJK Konstanz dann heute immer noch im Bodenseestadion spielen – vor mehreren Tausend Fans.