Aufstiegsrunden-Rückspiel in die Oberliga: Türk. SV Singen – FC Holzhausen (Sonntag, 16 Uhr). – Die Moschee im Singener Süden ist für Rahmi Turan so etwas wie die zweite Heimat. Mehrmals am Tag besucht der 68-Jährige das Gotteshaus, das zugleich auch sozialer Treffpunkt ist für die muslimische Gemeinde unterm Hohentwiel.

Ähnliche Gedanken hatte Turan auch vor nunmehr knapp 45 Jahren, als er gemeinsam mit einigen Freunden den Türkischen Sportverein in seiner deutschen Heimatgemeinde gründete. „In unserem Verein geht es um mehr als Sport. Wir vertreten das türkische Volk hier“, sagt Turan. „Der TSV ist ein Stück Heimat, ein sozialer Treffpunkt.“

Gründungsmitglied Rahmi Turan verpasst das Heimspiel seines Türk. SV.
Gründungsmitglied Rahmi Turan verpasst das Heimspiel seines Türk. SV. | Bild: Feiertag, Ingo

Bei einer Zigarette und einem Tee aus dem Pappbecher erzählt der Rentner an einem heißen Junitag 2025 von den Anfängen. Wie er 1957 in der Türkei zur Welt kommt und nach der Grund- und der Mittelschule seinem Vater nach Deutschland folgt.

„Am 20. Februar 1973“, wie Rahmi Turan stolz sagt. Ein Tag, den er nicht vergessen wird. Im Hegau findet der Teenager ein neues Zuhause – und Arbeit. Die letzten 31 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2021 verdient Turan sein Geld bei GF in Singen.

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Viel Zeit verbringt Rahmi Turan, der sich selbst als „fußballverrückt“ bezeichnet, neben der Arbeit schon damals auf dem Sportplatz. „Ich habe in den Siebzigerjahren für Union Jugoslavia und Polisportiva Italiana gespielt“, sagt er. „In meiner Jugend hatten alle Nationalitäten in Singen ihre eigene Mannschaft, Italiener, Portugiesen, Jugoslawen, Spanier – nur wir Türken nicht. Das hat mir sehr wehgetan.“

Also setzt er sich mit seinem Freund Hüseyin Öztürk und weiteren Kumpels zusammen, sie schmieden die Idee eines eigenen Fußballvereins. So wurde am 29. November 1980 im Gasthaus „Kühler Krug“ der Türkische Sportverein Hegau, wie er anfangs hieß, gegründet. Aus der ersten Vorstandsriege leben neben Rahmi Turan nur noch Ibrahim Dedecan, der zurück in die Türkei gegangen ist, und Hüseyin Öztürk, dessen Sohn Abdullah in die Funktionärs-Fußstapfen des Vaters getreten und inzwischen Sportvorstand des Türk. SV ist.

Gründungsmitglied Hüseyin Öztürk und sein Sohn Abdullah, Sportvorstand des TSV.
Gründungsmitglied Hüseyin Öztürk und sein Sohn Abdullah, Sportvorstand des TSV. | Bild: Verein

„Der Sport war für uns die perfekte Freizeitbeschäftigung, auch wenn ich es wie Profifußball gesehen habe. Ich habe aufgepasst, was ich esse, was ich trinke. Am Abend vor den Spielen bin ich früh ins Bett gegangen, aber im Prinzip ging es um den Spaß“, sagt Turan über seine Anfänge in dem Verein, der sportlich lange zwischen der Kreisliga A und der Kreisliga B zuhause ist. „In der Zeit habe ich fast alles schon gemacht: vom Spieler bis zum Präsidenten“, blickt der 68-Jährige zurück.

Im Sommer 2014 steigen die Hegauer in die Kreisliga A auf, 2018 erstmals in die Bezirksliga. „Dann kam irgendwann der jetzige Präsident Mustafa Ates – und seit zwei, drei Jahren läuft es richtig gut“, sagt Turan. 2022 geht es für zwei Jahre hoch in die Landesliga, ehe der Türk. SV im vergangenen Sommer den Sprung in die Verbandsliga feiert, in der er nur um einen Punkt den Meistertitel verpasst.

Württembergischer Vizemeister kommt

Deshalb stehen die Hohentwieler jetzt in der Aufstiegsrunde gegen den württembergischen Verbandsliga-Vizemeister FC Holzhausen. „Ich wäre vor der Saison mit dem Klassenerhalt zufrieden gewesen. Jetzt könnten wir aufsteigen“, sagt der dreifache Vater Rahmi Turan, dessen Sohn Selcuk früher selbst im TSV-Tor stand, und schüttelt ungläubig den Kopf.

Das Hinspiel in Sulz hat Rahmi Turan verpasst, wie so viele Auswärtsspiele. „Ich bin ständig in der Moschee, habe Enkel und bin sozial engagiert, da möchte ich an den Wochenenden nicht noch so weit fahren“, sagt er. Die 0:2-Niederlage hat er – wie immer – via Liveticker über sein Handy verfolgt.

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Dass die Aufholjagd gelingt, daran hat das Gründungsmitglied des Türk. SV keinen Zweifel. „Was ich gehört habe, hat Holzhausen zwei starke Stürmer, doch es sollte schon möglich sein, das aufzuholen“, sagt Turan. „Wir glauben alle an unsere Jungs. Hoffentlich schaffen sie es noch im Rückspiel.“

Dass Rahmi Turan nicht selbst mit dabei sein kann beim größten Duell der Vereinsgeschichte, wurmt ihn sehr. „Ich bin immer bei den Heimspielen. Jetzt kann ich das Rückspiel der Aufstiegsrunde aber nicht sehen, weil ich wie immer im Sommer in der Türkei im Urlaub in meiner Heimat Alapli bin“, sagt der Singener.

Mit dem Handy am Schwarzen Meer

Glücklicherweise ist der Mobilfunkempfang am Schwarzen Meer ganz ordentlich, sodass Turan ganz bestimmt auch am Sonntagnachmittag gebannt vor dem Handy sitzen wird. „Ich freue mich so sehr, dass die Mannschaft um den Aufstieg spielt“, sagt er.

„Die Oberliga! So weit hätten wir damals nie gedacht.“ Damals, im November 1980, als einige Kumpels eine gute Idee hatten und im Kühlen Krug in Singen den Türkischen Sportverein gründeten.