Radsport: – Zufrieden hängt Christoph Reinartz den Schraubenschlüssel in die offene Lücke an der akkuraten Wand über seiner Werkbank und blickt der jungen Kunstradfahrerin nach: „Danke fürs Reparieren, Rösti“, hatte sich die junge Sportlerin mit einem Lächeln bei ihm bedankt: „Das ist für mich der schönste Lohn, wenn die Kinder und Jugendlichen meine Arbeit freundlich honorieren“, gibt sich der 65-Jährige bescheiden und lässt seinen Blick durch den Vereinsraum des RSV Wallbach schweifen: „Mir ist wichtig, dass die Räder einsatzbereit sind und dass hier Ordnung herrscht – so viel Platz haben wir hier ja auch nicht.“
Christoph Reinartz, den alle Welt nur „Rösti“ nennt, steht in seinem kleinen Reich. Auf knapp 40 Quadratmetern hat er sich eingerichtet: Kleine Werkbank, Regal mit unzähligen Kistchen, Behältern und sauber beschriftete Röhren: „Für die verschiedenen Speichen – sonst findest du die richtige ja nie“, lacht er. Hinter ihm glänzt an zwei Wänden das Vermögen des Radsportvereins – Räder in allen Größen und Farben.

An der langen Wand drängen sich die Maschinen der Radballer, etwas weniger Platz beanspruchen die Räder der Kunstradabteilung. In Reih‘ und Glied steht die Parade da, drei Reihen übereinander. An speziellen Halterungen, beschriftet mit dem Namen der Nutzer, warten die Fahrräder auf die Jungs und Mädchen, die das Ende der Corona-Pandemie kaum erwarten können.
„Rösti“, mit Leib und Seele seit seiner Jugend begeisterter Radballer, legt seine Stirn in Falten: „Ich hoffe, dass Training im normalen Umfang bald wieder erlaubt wird. Ich bin in Sorge, dass manche Kinder nicht wieder kommen.“ Seit Monaten legt das Virus auch das Vereinsleben des RSV Wallbach lahm.

Training war – unter strengen Hygienebedingungen – über Monate hinweg nur Kadersportlern erlaubt. Kurioserweise dürfen nun, während der Bundes-Notbremse, plötzlich alle Kinder trainieren. Allerdings nur mit Angehörigen des eigenen Haushalts und einer weiteren Person. Diese Möglichkeit wird nun im Rahmen der Möglichkeiten genutzt, wobei die Flößerhalle dem Sport aktuell nur begrenzt zur Verfügung steht, da sie als Test- und Impfzentrum der Stadt Bad Säckingen genutzt wird.
Wieder Leben in der Bude
Die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs in kleinen Schritten spürt auch Christoph Reinartz: „In den letzten Monaten hatte ich kaum etwas zu tun“, freut er sich über zurückkehrendes Leben in der Bude. Der begeisterte Radsportler hatte die ruhigere Zeit genutzt, um mal wieder etwas Neues auszutüfteln. Vor längerer Zeit hat er fürs Kunstradtraining eine Wippe mit drehbarem Lenker gebaut, damit unfallfrei eine Lenkerdrehung geübt werden kann.

Nun ist ein neues Rösti-Projekt für den RSV Wallbach in der Mache: „Meine Jungs sind Schlosser. Wir bauen jetzt ein Gestell, auf dem der Nachwuchs den Maute-Sprung üben kann.“ Animiert von Alisa Lais, dem Aushängeschild der Kunstradabteilung, sollen sich auch die jüngeren Sportlerinnen und Sportler an der schwierigen Übung versuchen können – ohne Gefahr zu laufen, vom hohen Rad zu stürzen: „Alisa braucht das Teil nicht mehr, sie beherrscht den Sprung ja hervorragend“, ist Reinartz sichtlich stolz.
Stolz darf aber auch der Verein auf ihn sein. Mit seinem Eintritt ins Rentenalter nahm sich „Rösti“ der Zweiräder an: „Radsport ist mein Hobby und ich hatte schon lang vorher versprochen, dass ich das mache, sobald ich mehr Zeit habe.“ Damals sei ihm von den Altvorderen prophezeit worden, dass er es sicher nicht schaffe, „Ordnung in den Keller zu bringen“ – von wegen...

Wer heute hinter die Tür zum Radsportraum blickt, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Alles hat seinen Platz, der Boden ist picobello und auf dem Tisch stehen frische Blumen: „Für die Sauberkeit ist meine Frau Beate zuständig. Deshalb ist es wichtig, dass alle Räder ihren festen Platz haben. Sonst hat das Putzen ja keinen Sinn, wenn sie erst räumen muss. Sie macht das mit viel Herzblut, dekoriert hier liebevoll zu Weihnachten und Ostern mit kleinen süßen Aufmerksamkeiten.“ Das Ehepaar hat einen Ort zum Wohlfühlen, aber auch zum Arbeiten geschaffen.
Umgehend wird repariert
Schließlich steht der Autodidakt in Sachen Fahrrad-Reparatur mehrfach pro Woche im RSV-Raum: „Ich habe hier ein schwarzes Brett. Wer ein Problem hat, schreibt es auf und stellt das Fahrrad vor die Werkbank. Oder schickt mir eine Bild-Nachricht“, beschreibt Reinartz das Prozedere: „Es ist ein Tick von mir, die Anfragen umgehend zu erledigen. Wichtig ist, dass der Schaden zum nächsten Training repariert ist.“
Wobei von „Schaden“ oft keine Rede sein kann: „In der Regel sind es Kleinigkeiten wie Ventil oder Speiche wechseln, Schrauben nachziehen, Pedale befestigen.“ Größeres Malheur erfordert mehr Einsatz und auch mal Rücksprache bei der Firma Walther in Offenburg: „Die bauen die besten Räder, noch aus Stahl und nicht aus Aluminium, fertigen alle Teile selbst. Ich war schon öfter dort, hole mir gern auch mal einen Tipp vom Chef.“ Hin und wieder leistet sich der RSV Wallbach ein neues Walther-Rad: „Das musst du ein Jahr vorher bestellen – so gefragt sind die Maschinen.“
Gern schaut Christoph Reinartz, der nur einen Steinwurf von der Halle entfernt wohnt, beim Training der Abteilungen in die Halle – und unterbricht das muntere Treiben sogar mal, wenn ihm etwas nicht geheuer ist: „Ich kann das wirklich hören, wenn am Rad etwas nicht stimmt. Meist sind die Kinder dann erstmal überrascht – und dann richtig glücklich, wenn ihr Rad nach einem kurzen Einsatz mit dem Schraubenschlüssel wieder perfekt läuft.“
So kümmert sich der gelernte Straßenbauer mit viel Liebe und Einsatz darum, dass beim RSV Wallbach die Räder rund laufen. Nicht nur auf Abruf, sondern in größeren Abständen kontrolliert er alle Räder durch, prüft den Luftdruck, tauscht abgefahrene Mäntel: „Beim Kunstradfahren ist gutes Profil wichtig, sonst werden die Übungen zum Risiko. Die einseitig abgefahrenen Reifen montiere ich den Radballern auf die Felge. Die spielen ja mit allem“, lacht Reinartz und erklärt: „Kunstradfahrerinnen sind, was das Rad angeht, extrem sensibel. Da muss das kleinste Detail passen, sonst klappt nix. Ich bin da wirklich hinterher, dass am Rad alles in Ordnung ist. Weil ich sehe, welch brutale Leistung in diesem Sport steckt.“
Radballer aus Leidenschaft
Reinartz kennt sich aus, spielt er doch Zeit seines Lebens Radball. Selbst mit 65 lässt ihn die Leidenschaft nicht los. Der gebürtige Öflinger stieg als Jugendlicher beim RSV „Wehra“ erstmals aufs Rad, wechselte später zum RSV Wehr und zählt spätestens seit seinem Umzug nach Wallbach seit vielen Jahrzehnten zum Inventar des RSV „Germania“.

Abteilungsleiter, Schiedsrichter, Trainer – so gut wie alles hat er bei den Radballern gemacht. Die Leidenschaft, der rund 600 Gramm schweren und mit Rosshaar gefüllten Stoffkugel nachzujagen, lässt ihn einfach nicht los. Noch immer sitzt er hin und wieder auf dem Rad, hilft auch im Training aus: „Ich habe meinen Sohn Timo vertreten und mich mit Monika Schrott mit großem Spaß um den Nachwuchs gekümmert.“
Und dass die jungen RSV-Cracks von „Rösti“ nicht nur lernen können, wie man pfleglich mit dem vom Verein finanzierten Sportgerät umgeht, sondern auch, was Ordnung bedeutet, bekommen sie durchaus mal zu hören: „Wenn einer Werkzeug braucht, kann er sich gern bedienen – aber wehe, es hängt danach nicht wieder an seinem Platz“, legt Reinartz ganz kurz die Stirn in Falten, schmunzelt aber im nächsten Moment: „Dann kann ich durchaus mal ungemütlich werden.“

Doch es gibt einen Trick, wie man ihn dann schnell wieder zum Lächeln bringt – natürlich mit Radball. Das Rezept verrät „Rösti“ selbst: „Ich habe mal beobachtet, wie die Jungs vergeblich versucht haben, gegen Timo ein Tor zu schießen. Die haben halt nur drauf geballert – und er hat alles gehalten.“ Also schritt „Rösti“ ein, schnappte sich spontan eines der von ihm gepflegten Räder und grinste sich eins: „Drei von fünf Schüssen habe ich verwandelt. Radball spielt man eben mit Köpfchen – die flachen und halbhohen Schüsse kriegt der Torwart fast nicht zu greifen.“