Fußball-Kreisliga A, West: – „Nein, das ist hier keine Ein-Mann-Show“, hebt Volker Scherer mahnend den Zeigefinger: „Unser Verein hat einen Plan und wir haben in Karlfrieder Sütterlin einen absoluten Fachmann gefunden, der diesen Weg mit uns gemeinsam geht.“ Von einem Alleingang des seit zwei Jahren amtierenden Trainers will der Vorsitzende des TuS Binzen nichts hören: „‚Sütti‘ hat durchaus einen enormen Anteil an der Entwicklung unseres Vereins. Aber die Weichen für die Zukunft wurden lang vor seiner Zeit gestellt.“
In der Tat sorgt der Kreisligist für Aufsehen in der regionalen Fußballszene. Vor Jahresfrist meldeten die Rot-Weißen mehrere Zugänge von der anderen Seite der „Lucke“: „Dass der FV Lörrach-Brombach die 3. Mannschaft aufgelöst hat, war unser Glück“, erinnert sich Scherer an die ersten Neuen: „Vornweg natürlich Frank Malzacher, dem es wichtig war, mit Sütterlin etwas zu bewegen.“

Im Fahrwasser des 36-Jährigen, der als spielender Co-Trainer anheuerte, wechselte fast ein Dutzend Akteure aus dem Lörracher „Grütt“ in die „Neumatten“ nach Binzen. Zur neuen Saison folgen ihnen Patrice Glaser, Benedikt Nickel und Nils Mayer.
Aufstieg 2019 mit vielen Eigengewächsen
Dabei galt der Aufsteiger von 2019 nicht als sportlicher Magnet: „Wir gewannen damals mit fast ausschließlich eigenen Spielern die Relegation gegen den FV Fahrnau“, erinnert sich Sportchef Matthias Tschöp. Er machte damals gerade Fußballpause, sagte aber nicht „Nein“, als sein Club nach der Trennung von Thorsten Meier einen Interimstrainer brauchte: „Ich kannte die Jungs, trainierte sie von der F- bis zu den A-Junioren.“ Doch er wusste auch, dass die Euphorie nicht reicht: „Ohne die Neuen, die natürlich wegen ‚Sütti‘ zu uns kamen, hätten wir in der Kreisliga A kaum eine Chance gehabt.“

Nach dem Aufstieg räumte das Urgestein den Trainersessel für Karlfrieder Sütterlin: „Dass wir ihn bekommen haben, war ein Glücksfall“, betont Thorsten Manthei, seit 13 Jahren als 2. Vorsitzender im Amt und mittlerweile auch umtriebiger Platzwart, unterstützt von Matthias Eble. Sütterlin betrat in Binzen kein Neuland, schließlich war er einst Teil der Meister-Elf, die in den 70ern unter Rolf „Jimmy“ Gimpel in die A-Klasse stürmte. Es schien die erfolgreichste Zeit gewesen zu sein. Seit 1989 dümpelte der TuS Binzen mehr oder weniger erfolgreich in der Kreisliga.
Zim Verein

Die neue Zeitrechnung für den mittlerweile 750 Mitglieder starken Verein, der im „Bermuda-Dreieck“ zwischen den erfolgreichen Nachbarn aus Lörrach, Efringen-Kirchen und Wittlingen zu versinken drohte, begann 2012, als Andreas Schneucker zum Bürgermeister gewählt wurde. Der neue Rathaus-Chef hatte ein offenes Ohr für die Fußballer, auch wenn er ihnen erst mal einen ordentlichen Schrecken einjagte: „Der sagte glatt, dass unsere Plätze zu schade seien, um darauf Fußball zu spielen“, erinnert sich Scherer noch gut.
1990 war sogar der FC Bayern München zu Gast
Damit rückte das Ende näher. Andreas Schneucker hatte neues Potenzial im Areal entdeckt. Neuer Wohnraum sollte am westlichen Ortsrand entstehen. Der einstige Bundesliga-Schauplatz ist heute Geschichte und Bauland. Dort wo einst die legendären „Teddy-Girls“ im Sommer 1990 mit Trainer Gerhard Böhringer als Gründungsmitglied der Frauen-Bundesliga vor 2000 Zuschauern gegen Bayern München spielten, entstehen demnächst rund 130 Wohneinheiten – Binzen wächst weiter.

Es musste also ein neues TuS-Domizil her. Die Standortfrage war schnell vom Tisch: „Wir wollten nicht zu weit weg vom Dorf“, so Scherer: „Auch wegen unserer Sportgaststätte, die dank unserer Wirtin Siglinde Scherer längst zu einem wichtigen Teil des Dorflebens geworden ist.“ Im Schulterschluss mit Verwaltung und Gemeinderat packte der Verein das Projekt „Sportanlage Neumatten“ an: „Wir genossen große Unterstützung“, blickt Thorsten Manthei auf unzählige Besprechungen mit Behörden und Architekten zurück.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Architekt Oliver Baumert, Gemeinderat und AH-Spieler, legte sich am Reißbrett mächtig ins Zeug, entwarf einen Komplex, der seinesgleichen sucht. Auf 80 Metern Länge erstreckt sich zunächst ein schmuckes Restaurant mit 80 Sitzplätzen, flankiert von einer sonnigen Terrasse, die freien Blick aufs Spielfeld gewährt.
Zur Autobahn-Seite hin säumen zwei Schiri-Kabinen, ein funktionaler Besprechungsraum, sechs Umkleidekabinen mit drei Duschräumen, Technikräume und ein gut bestückter Geräteschuppen den rot-weißen Flur: „Durch die ebene Bauweise sind wir barrierefrei. Dank seiner Länge dient das Gebäude dem Lärmschutz zum Wohngebiet hin“, freut sich Volker Scherer über die neue Heimat des TuS Binzen: „Wir fühlen uns hier absolut wohl“, schwärmt er, sagt aber auch: „Etwas Wehmut war bei der Räumung des alten Sportheims schon dabei. Dort habe ich selbst noch am Bau gearbeitet.“
Herzstück des 4,8 Hektar großen und 7,2 Millionen Euro teuren Areals – für das der Verein monatlich Miete bezahlt – sind drei Sportplätze. Das Hauptspielfeld hat Naturrasen, daneben leuchtet ein Kunstrasenplatz. Für den Kleinfeldspielbetrieb steht ein weiterer Kunstrasen zur Verfügung. Das braucht‘s, denn neben drei Aktivmannschaften, den Alten Herren und den Fußballerinnen der neu geschaffenen SG Rebland (mit TuS Efringen-Kirchen und SV Istein) jagen weit über 350 Kinder und Jugendliche, trainiert und betreut von rund 40 Ehrenamtlichen, den Bällen hinterher.
Nachwuchsabteilung mit 17 eigenen Mannschaften
„Wir haben 17 Jugendteams, sämtliche Altersklassen mindestens doppelt besetzt – ohne Spielgemeinschaften“, schwärmt Volker Scherer: „Als ich anfing, gab es weder A- noch B-Junioren. Heute rücken jährlich etliche Jugendliche zu den Aktiven auf“, blickt er mit Stolz auf die Pionierarbeit des früheren Jugendleiters Daniel Merle: „Wir haben ein Jugendkonzept erstellt, arbeiten mit der Heidelberger Ballschule zusammen. Wir haben die persönliche und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen im Fokus.“ Für Scherer steht fest: „Bei uns hat jeder seinen Platz. Vor allem aber wollen wir nicht mehr auf Aufstiege unserer Jugend verzichten, weil wir uns das nicht zutrauen.“
Das Zutrauen in die eigenen Stärken ist gewachsen beim TuS Binzen. Die Sportanlage und weitere hochkarätige Neuzugänge ließen das Selbstvertrauen wachsen, nicht aber die Arroganz: „Wir machen hier kein Harakiri, es fließen keine Gelder. Spieler, die zu uns kommen, wollen hier nichts verdienen, sondern das Projekt mit ‚Sütti‘ erfolgreich gestalten. Unser Plan und die tolle Anlage haben sie überzeugt“, betont Matthias Tschöp: „Wir machen jetzt erstmal den ersten Schritt, wollen schleunigst in die Bezirksliga, über mehr reden wir nicht – denn es kann viel passieren.“