Romelu Lukaku, Paul Pogba, Zlatan Ibrahimovic – etlichen der ganz großen Namen im globalen Fußballzirkus stand Raoul Petretta auf dem Rasen bereits gegenüber. Seit mehr als fünf Jahren verdient der gebürtige Rheinfelder sein Geld mit dem Sport. Es gibt allerdings fünf Buchstaben, die lassen keinen Profi kalt. Nicht in Basel, nicht in Berlin und auch nicht im fernen Kanada. M-E-S-S-I.

Petretta und seine Teamkollegen vom Toronto FC saßen gerade in der Kabine, als der argentinische Weltmeister vor wenigen Wochen seinen Wechsel zu Inter Miami bekanntgab. Handys brummten, Gesichter strahlten. Lionel Messi spielt künftig in der nordamerikanischen Profiliga MLS.

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„Ich hoffe, er kommt diese Saison noch zum Einsatz. Irgendwie zögert es sich mit seiner Unterschrift ein bisschen hin. Im September spielen wir gegen Miami“, sagt Petretta im Videocall mit dieser Zeitung. Ein Duell mit einem der größten Spieler, die dieser je Sport hervorgebracht hat – es wäre ein Traum für den 26-Jährigen. Dabei war Raoul Petretta vor etwa einem Jahr weiter davon entfernt als seine Wahlheimat Kanada von der deutsch-schweizerischen Grenze in Südbaden.

Beinahe sein gesamtes Fußballerleben hatte der Linksverteidiger bis zum Sommer 2022 beim FC Basel verbracht. Erst machten die Eltern das Trainingstaxi für den Siebenjährigen, später fuhr er die etwa 20 Kilometer mit dem Zug. Wenige Monate nachdem der Deutsch-Italiener in der Schweiz seinen Schulabschluss in der Tasche hatte, winkte der erste Profivertrag bei den Baslern, deren komplette Nachwuchsteams Petretta durchlaufen hatte.

Profi-Stammplatz unter Urs Fischer

Nach einem ersten Lehrjahr mit Training bei den Profis und überwiegend Einsätzen in der U21 erspielte sich das Eigengewächs einen Stammplatz in der ersten Mannschaft – unter Trainer Urs Fischer, der inzwischen in der Bundesliga mit Union Berlin ganz oben mitspielt.

„Ich bin in der Champions League zum Einsatz gekommen, wo wir erst im Achtelfinale gegen Manchester City ausgeschieden sind, und wurde U21-Nationalspieler für Italien“, erinnert sich Raoul Petretta an die Anfangszeit in seinem kleinen Profiparadies. „Ich habe mit meinem Bruder zusammengewohnt und konnte oft bei meinen Eltern essen“, sagt der Familienmensch, für den es auch sportlich rund lief.

Im Dezember gewann Lionel Messi mit Argentinien die Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn alles nach Plan läuft, spielt er im September mit ...
Im Dezember gewann Lionel Messi mit Argentinien die Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn alles nach Plan läuft, spielt er im September mit seinem neuen Verein Inter Miami gegen Raoul Petretta. | Bild: Tom Weller

„Ich musste nicht von zuhause wegziehen und konnte international spielen, in einem Stadion, das mit diesen Fans auch in Deutschland unter den Top Ten wäre“, fährt Petretta fort. Er selbst „wollte eigentlich immer so lange wie möglich in Basel spielen“, aber als sein Vertrag auslief, wurde er sich nicht mehr einig mit seinem Heimatverein, für den er 19 Jahre lang gespielt hatte, ehe er einen großen Schritt machte in eine ganz neue Welt.

Raoul Petretta wechselte zu Kasimpasa SK in die türkische Süper Lig. Istanbul ist für ihn „eine der schönsten Städte der Welt“, doch das Leben in der Metropole ist dem Deutsch-Italiener und seiner Freundin fremd. „Ich konnte die Sprache nicht und hatte 24 Stunden am Tag einen Fahrer. Ich musste ihn sogar rufen, wenn wir nur einen Kaffee trinken gehen wollten“, sagt Petretta. „Ich weiß nicht, ob ich reif genug war für diesen Schritt.“

Große Show im nordamerikanischen Sport

Im Januar dieses Jahres musste er daher auch nicht lange überlegen, als der Toronto FC, der den 26-Jährigen bereits im Sommer gerne verpflichtet hätte, nun den Zuschlag bekam. „Ich bin glücklich, sehr sogar. Wir finden es hier wunderschön“, sagt Petretta über die „sportverrückte“ Millionenstadt in der Provinz Ontario, die mit Ausnahme des American Football in allen großen nordamerikanischen Profisportligen vertreten ist.

„Wir haben in jedem Heimspiel etwa 30 000 Zuschauer. Im Januar waren es sogar bei minus zehn Grad 21 000. Das muss man sich mal vorstellen“, sagt Petretta. „Die Leute lieben die Show mit Feuerwerk und den Nationalhymnen vor den Spielen. Sie kommen ins Stadion, um etwas zu erleben.“

„Wir finden es wunderschön in Toronto.“Raoul Petretta
„Wir finden es wunderschön in Toronto.“Raoul Petretta | Bild: IMAGO/Seskimphoto

Nicht auszudenken, wie groß die Euphorie gewesen sein muss, als die Fans erfuhren, dass der große Lionel Messi künftig ein Teil dieser Show sein wird. „Der Wechsel ist für die ganze Liga toll, nicht nur für Miami“, sagt Petretta. „Florida ist perfekt für Messi. Dort leben viele Latinos, er hat den Strand vor der Haustür“, ergänzt der 26-Jährige, für den Toronto dagegen wie gemacht scheint.

„Hier gibt es so viele Kulturen, so viele Länder sind vertreten“, sagt der in der Schweiz aufgewachsene Deutsch-Italiener mit der spanischen Freundin. Den Lifestyle vergleicht Petretta mit Zürich. Nur ist alles eine Nummer größer. Von ihrem Appartement im 45. Stock haben er und seine Partnerin einen atemberaubenden Blick über die Skyline der City – auch wenn aktuell der Rauch der Waldbrände ein wenig die Sicht vernebelt.

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Auf dem Platz aber, da hat Petretta meist den Durchblick. Und sollte er mal mit seinem Schul-Englisch nicht weiterkommen, kann er sich mit einigen Mitspielern auf Italienisch unterhalten, so wie manchmal auch mit seinen Eltern und seinem Bruder Justin, der Spieler und Sportvorstand beim SV Herten in der Bezirksliga Hochrhein ist. „In Toronto gibt es viele Italiener“, sagt Raoul Petretta, „daher setzt der Verein ein bisschen auf einen italienischen Stamm.“ Neben ihm tragen zwei prominente Landsleute das rote FC-Trikot: die amtierenden Europameister Federico Bernadeschi und Lorenzo Insigne.

Der größte Name aber wird künftig nicht mit, sondern gegen Raoul Petretta & Co. spielen – und darauf freuen sie sich schon alle. Auf M-E-S-S-I.