Fußball-Landesliga: – Der Schiedsrichter war eben nicht wie so oft der Sündenbock. Da war Julian Jäger, einer beiden Kapitäne des FSV Rheinfelden, im Derby gegen den SV 08 Laufenburg wegen einer Notbremse vom Platz geflogen. Statt sogleich zu duschen saß er etwas geknickt auf der Treppe der Tribüne und drückte seinen Jungs von draußen die Daumen. „Diese Rote Karte war total dumm von mir.“ Ein Schuldeingeständnis im hitzigen Gefecht? Das zeugt schon von Souveränität.
Das war bei dem 30-jährigen Rheinfelder Abwehrmann früher nicht immer so. „Ich war früher ein richtiger Kopflos-Pilot“, gibt er heute unumwunden zu. Dass aus dem Hitzkopf von damals ein gezähmter Wilder geworden ist, habe er vor allem dem SV Herten zu verdanken, für den er vier Jahre lang vor seinem Wechsel zum FSV Rheinfelden vor dreieinhalb Jahren gespielt hat. „Thorsten Szesniak war damals mein Trainer und Remo Laisa unser Kapitän. Damals musste ich erst viel einstecken, aber sie haben mir viel beigebracht und mir Vertrauen geschenkt“, erinnert sich Jäger an eine für ihn lehrreiche Zeit.
Lehrreiche Jahre beim SV Herten
„Ich bin sehr stolz auf meine Zeit beim SV Herten“, sagt er und dieses Lob für den Rheinfelder Stadtrivalen ist gewiss nicht selbstverständlich. Das Verhältnis beider Vereine war in der Vergangenheit nicht ungetrübt. Konfliktpotenzial ist immer vorhanden, wenn der große Stadtverein FSV Rheinfelden dem kleineren Dorfverein SV Herten nebenan einen Spieler wegschnappt. Mittlerweile habe sich das Verhältnis aber normalisiert: „Die Konflikte sind beigelegt.“

Beim Bezirksligisten SV Herten wird von den Verantwortlichen und Spielern eine hervorragende Arbeit abgeliefert. Auf der anderen Seite hat der FSV Rheinfelden in dieser Saison zu einem Höhenflug angesetzt. In den vergangenen fünf Spielzeiten hat die Mannschaft in der Landesliga auf der holprigen Richterwiese oder im ungeliebten Europastadion stets nur mit Mühe den Verbleib in der Landesliga gesichert.
„Unabsteigbar“ war das Zauberwort. In der vergangenen Saison waren die FSV-Fußballer Tabellenletzter, als die Saison wegen Corona abgebrochen wurde. Und jetzt sind sie als souveräner Spitzenreiter der Landesliga in der Vorrunde ohne Niederlage geblieben und klopfen ganz vorsichtig schon an der Tür zur Verbandsliga an.
Neben einer starken Mannschaft kommt dem FSV Rheinfelden auch zugute, dass der Verein mittlerweile in der NaturEnergie Arena in unmittelbarer Nachbarschaft zum Europastadion in Warmbach sein Training und seine Spiele bestreitet. „Wir haben endlich ein Zuhause“, freut sich nicht nur Julian Jäger. Natur- und Winterrasenplatz, ein großes und schmuckes Vereinsheim, moderne Umkleidekabinen, ausgestattet mit PC und Flachbildschirmen – das sind alles Arbeits- und Spielbedingungen, von denen andere Vereine nur träumen können.
Mehr Zuschauer
Endlich in der Stadt Rheinfelden als Verein anzukommen – das war in der Vergangenheit von den Verantwortlichen des Vereins bisweilen als frommer Wunsch geäußert worden. Der FSV scheint dazu (endlich) auf einem gutem Wege zu sein. Dafür sprechen allein die Zuschauerzahlen. War es vor Jahren auf der ehrwürdigen Richterwiese nur ein Häuflein Aufrechter, das sich im weiten Rund der Spielstätte verloren hatte, sind es nun plötzlich 500 oder 600 Zuschauer, die am Einlass geduldig anstehen. Erfolg macht eben ein bisschen sexy – oder ist das jetzt zu spitz formuliert?
Dass die Mannschaft in der Landesliga bisher so erfolgreich ist, liegt aber auch an einer neuen Spielkultur, an denen die beiden neuen Trainer Werner Gottschling und Peter Johann und vor allem auch die starken Neuzugänge einen großen Anteil haben.
Harmonie im Trainer-Duo
„Werner ist ein absoluter Motivator, ehrgeizig und hat viel Erfahrung. Peter macht sich viele Gedanken, gibt taktische Vorgaben und ist ein hervorragender Stratege“, ist Jäger voll des Lobes und ergänzt: „Als Duo harmonieren die beiden super.“ Vom „überragenden Training“ profitiere die Mannschaft enorm. Die Trainingsbeteiligung ist sehr gut, der gesunde Konkurrenzkampf unter den Spielern groß.
Das Team hat – das betätigen auch die Trainer – in allen Mannschaftsteilen seine Stützen. Das sind Torwart Oguz Ozan, die Abwehrspieler Julian Jäger und Arben Gashi, Serkan Korkmaz und Almin Mislimovic im Mittelfeld sowie der zweite Kapitän Jeremy Stangl im Sturm. An diesen Pfeilern richten sich auch die anderen Spieler auf und rufen ihr Leistungspotenzial ab.
Rückzug von Dany Quintero
Die Ablösung des langjährigen Stammtorwarts Dany Quintero durch Oguz Ozan, der vom FC Bad Krozingen kurz nach Saisonbeginn zu den Rheinfeldern gestoßen ist, sei gewiss nicht nach Wunsch aller Beteiligten verlaufen, gibt Jäger zu. „Wir haben gedacht, dass zwischen Oguz und Dany ein gesunder Konkurrenzkampf entsteht. Dany kam aus dem Urlaub und war nicht mehr die unumstrittene Nummer Eins“, so Jäger, der den ehemaligen kubanischen Nationaltorwart, der mittlerweile nicht mehr aktiv ist, auch versteht: „Er war schon enttäuscht. Mit seinen 37 Jahren wollte er sich das nicht mehr antun.“ Im Bösen sei man aber nicht auseinander gegangen.
Ozan selbst ist im Team voll integriert. „Ein lieber Mensch, hilfsbereit und immer im Training“, schwärmt Jäger vom neuen Schlussmann, der großen Anteil daran hat, dass der FSV Rheinfelden in 16 Saisonspielen nur 14 Gegentore kassierte und damit über die beste Abwehr der Liga verfügt. Auch mit seinem Nebenmann Arben Gashi in der Abwehr-Viererkette stimme die Harmonie: „Wir verstehen uns super.“
Starke Neuzugänge vom SV Weil
Richtig eingeschlagen haben die beiden Neuzugänge vom SV Weil. Almin Mislimovic und Serkan Korkmaz sind für den Spielaufbau zuständig. Mislimovic ist mit bisher acht Treffern auch der erfolgreichste Torschütze der Mannschaft. Stürmer Jeremy Stangl, der seit Jahren zum Rheinfelder Stamm zählt, und Massimo De Franco folgen mit sechs bzw. fünf Toren gleich dahinter. Voll in das Team der routinierten Spieler integriert hat sich Antonio D‘Agostino, der von den A-Junioren des FV Lörrach-Brombach kam und ohne Probleme den Sprung zu den Aktiven in der Landesliga gemeistert hat.
Ungewöhnlich ist auch die Doppelfunktion, die Julian Jäger beim FSV Rheinfelden erfüllt. So ist er nicht nur Spieler, sondern auch Sportlicher Leiter des Landesligisten. „Die Spieler respektieren das und ziehen alle mit“, ist er überzeugt, dass er selbst diesen Aufgaben gewachsen ist.
Sicher ist aber auch, dass er als Sportlicher Leiter in der Winterpause nicht arbeitslos ist. „Wir müssen vorbereitet sein, falls es wirklich in die Verbandsliga rauf gehen sollte“, weiß er. Eine gute Vorbereitung für die Rückrunde, die sicher schwieriger werde, sei ebenso wichtig wie die Suche nach Verstärkungen. Jäger: „Da wollen wir aber mit Bedacht vorgehen. Schön wäre es, wieder einheimische Rheinfelder mit ins Boot zu holen.“
Eines will der 30-Jährige auf keinen Fall – den Aufstieg über ein Urteil wegen Saisonabbruchs. Es soll kein glücklicher Titelgewinn werden, sondern ein erarbeiteter: „Da wären wir total stolz.“