Radsport: – Leise klingt „I see fire“ aus. Die letzten Töne des Hits von Ed Sheeran verhallen, Alisa Lais lässt ihrn Blick kurz durch den ENNI-Sportpark in Moers schweifen. Die 24-Jährige steigt vom Rad, wischt sich kurz mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

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Ihr letzter offizieller Wettkampf bescherte der Kunstradfahrerin des RSV Wallbach noch einmal einen siebten Platz bei der Deutschen Meisterschaft. Drei Wochen zuvor hatte sie in Schwanewede bei Bremen den Deutschlandpokal gewonnen, zudem war sie Mitte September in Denkendorf 173,70 Punkte herausgefahren – besser fuhr die Ernährungswissenschaftlerin noch nie.

Anne und Alisa Lais im Duett Video: Scheibengruber, Matthias

Auf der Tribüne in Moers sitzt Anne Lais. Die 22-Jährige hatte das Ticket für die „Deutschen“ denkbar knapp verpasst. Trotzdem ist sie nach Moers gekommen, um ihrer Schwester die Daumen zur drücken. Denn auch sie weiß: Die gemeinsame Zeit neigt sich dem Ende entgegen.

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Für Anne Lais endet die Karriere wenige Wochen später ebenfalls, allerdings nicht vor großem Publikum. Beim Herbstpokal in Dogern darf sie noch einmal ihr ganzes Können zeigen, holt sich nach einem fast fehlerfreien Auftritt ihren letzten Applaus ab.

Kunstradfahrerin Anne Lais (RSV Wallbach):„Unsere Mama hat uns über alle die Jahre immer gefördert, aber nie zu etwas gedrängt“
Kunstradfahrerin Anne Lais (RSV Wallbach):„Unsere Mama hat uns über alle die Jahre immer gefördert, aber nie zu etwas gedrängt“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

„Zu gern hätten wir uns Ende November ganz offiziell beim Bezirkspokal in Wallbach vom Publikum und dem Verein verabschiedet“, lässt Alisa Lais etwas Wehmut durchklingen: „Das war eigentlich immer mein Lieblings-Wettkampf – zu Hause, ohne Druck und vor Freunden und Verwandten. Aber das war leider nicht möglich.“ Anne Lais ergänzt: „Es wäre sicher ein schöner Abschluss für uns gewesen. Jetzt versuchen wir, das mit einer kleinen internen Feier im Frühjahr nachzuholen – sobald die Corona-Lage das wieder zulässt.“

Tolles Team: Seit frühester Kindheit wurden die Kunstradfahrerinnen Anne (links) und Alisa Lais aus Kürnberg beim RSV Wallbach von ihrer ...
Tolles Team: Seit frühester Kindheit wurden die Kunstradfahrerinnen Anne (links) und Alisa Lais aus Kürnberg beim RSV Wallbach von ihrer Mutter Claudia Lais trainiert. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Beide Sportlerinnen saßen jeweils mit sechs Jahren zum ersten Mal auf einem Kunstrad. Erst animiert und dann auch trainiert von ihrer Mutter. Claudia Lais war in ihrer Jugend selbst aktive Saalradsportlerin, ebenso ihre Geschwister Alexandra und Stefan. Kein Wunder, trainierte Vater Georg Blank doch damals die Radballer des RSV Öflingen.

Alisa Lais im Kreuzverhör Video: Scheibengruber, Matthias

So führten Alisa und Anne mehr eine Familien-Tradition fort – und das mit großem Erfolg. Sie trugen nicht nur den Namen des kleinen RSV Wallbach hinaus in die große Radsportwelt. Sie hinterließen dort Spuren, mischten schon als Jugendliche unter den Besten ihrer Zunft in Deutschland mit.

Kurze Kür von Anne Lais Video: Scheibengruber, Matthias

Interessanterweise gab für beide Kunstradfahrerinnen ein kleines Frust-Erlebnis den Ausschlag, es mit den „Großen“ aufzunehmen. Alisa Lais erinnert sich gut an ihren Aha-Moment bei einer Badischen Meisterschaft: „Ich hörte, wie die Sprecherin bei der Siegerehrung jedem Mädchen gratulierte, dass es sich für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert habe. Aber wie ich an der Reihe war, sagte sie nichts. Also wollte ich von Mama wissen, wieso...“

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Als Claudia Lais ihrer Tochter erklärte, dass es zu einer DM-Qualifikation etwas mehr Training braucht, reifte in Alisa Lais der Entschluss: „Ich möchte zur Deutschen Meisterschaft.“ Mit mehr Training in der Wallbacher Halle und auch öfters im Kürnberger Bürgersaal steigerte sie sich von Jahr zu Jahr.

Anne Lais im Kreuzverhör Video: Scheibengruber, Matthias

Parallel dazu hatte auch Anne Lais ihre Liebe zum Rad entdeckt und holte sich den Aha-Moment ab: „2012 hatte ich die geforderte Punktezahl erreicht, freute mich bei der Siegerehrung, dass mir zum DM-Tickert gratuliert wurde. Kurz danach erfuhr ich, dass ich es doch nicht geschafft hatte“, erinnert sich die Industriekauffrau aus Bad Säckingen: „Da es nur eine begrenzte Anzahl an Startplätzen gab, war ich raus, obwohl ich die Norm erreicht hatte.“

Kunstradfahrerin Alisa Lais (RSV Wallbach): „Geduld, Ehrgeiz, Disziplin, Selbstvertrauen. Das alles nehme ich aus dem Kunstrad mit ...
Kunstradfahrerin Alisa Lais (RSV Wallbach): „Geduld, Ehrgeiz, Disziplin, Selbstvertrauen. Das alles nehme ich aus dem Kunstrad mit ins Leben“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Erste gemeinsame DM-Qualfikation in Lemgo

Ein Jahr später war aller Ärger vergessen. In Lemgo erfüllte sich der lang gehegte Traum der Schwestern: Anne Lais holte sich das Ticket für die Deutschen Schülermeisterschaften 2013 in Berlin, Alisa Lais durfte bei den Junioren-Meisterschaften in Nufringen starten. Seither waren die Lais-Schwestern gern gesehene Gäste beim Stelldichein der besten deutschen Kunstradfahrerinnen, umso schöner wäre es gewesen, hätte auch Anne in Moers zum Abschluss der Karriere teilnehmen dürfen.

Hand in Hand: Alisa (links) und Anne Lais vom RSV Wallbach haben ihre Karriere im Kunstradsport beendet. Die beiden Schwestern trugen in ...
Hand in Hand: Alisa (links) und Anne Lais vom RSV Wallbach haben ihre Karriere im Kunstradsport beendet. Die beiden Schwestern trugen in den vergangenen acht Jahren den Namen des kleinen Vereins aus dem Bad Säckinger Stadtteil mit erfolgreichen Teilnahmen an nationalen Meisterschaften in die Radsportwelt hinaus. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Nicht nur die Meisterschaften bleiben haften oder ihre Teilnahme am German Masters, das der RSV Wallbach im Herbst 2019 in der Murgtalhalle in Murg glänzend ausgerichtet hat: „Wir hatten einige tolle Show-Auftritte, so bei der Radball-EM 2016 in Wallbach oder beim Jubiläum des Skiclubs Fahrnau in Schopfheim“, erinnert sich Anne Lais gern und ihre Schwester ergänzt: „Das waren gute Gelegenheiten, unseren Sport zu präsentieren – vor viel Publikum und ganz ohne Druck.“

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Verbindung zum Radsport wird auch künftig bestehen

Für Anne und Alisa Lais sind diese Erinnerungen der Übergang in die Zukunft: „Wir werden die Räder nicht verstauben lassen, sicher auch hin und wieder trainieren. Unser Plan ist, künftig mit solchen Auftritten etwas Werbung für unseren Sport zu machen.“

Kurze Kür von Alisa Lais Video: Scheibengruber, Matthias

Ein Sport, der es längst nicht aus der Nische geschafft hat, seit Jahren vergeblich um internationale Anerkennung ringt. Ein Sport, der die beiden Schwestern geprägt hat: „Geduld, Disziplin, Ehrgeiz, Selbstvertrauen – das nehmen wir aus dem Kunstrad mit ins Leben“, betont Alisa Lais. Die Kürnbergerin kann sich auch gut vorstellen, eines Tages ebenfalls als Trainerin zu arbeiten – wie ihre Mutter Claudia.

Trainerin Claudia Lais (RSV Wallbach): „Meine Töchter zu trainieren, war oft emotional, aber auch nicht zu schwer. Ich wusste ja, ...
Trainerin Claudia Lais (RSV Wallbach): „Meine Töchter zu trainieren, war oft emotional, aber auch nicht zu schwer. Ich wusste ja, wie sie ticken...“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

„Ich glaube nicht, dass wir unter einer anderen Trainerin auch so erfolgreich geworden wären“, bringt es Anne Lais auf den Punkt: „Mama hat uns immer gefördert, aber nie zu etwas gedrängt.“ Alisa Lais ergänzt: „Sie war immer für uns da. Wollten wir zusätzlich trainieren, kam nie ein Nein von ihr.“

Alisa Lais steht den Maute-Sprung Video: Scheibengruber, Matthias

Für Claudia Lais war das über all die Jahre eine Selbstverständlichkeit: „Meine Töchter zu trainieren war oft emotional. Aber es war auch nicht schwer, denn ich wusste ja, wie sie ticken...“

Weit zurück geblättert im Archiv:

Das war der erste SÜDKURIER-Bericht über Alisa Lais, im April 2003. In diesem Bericht wird Anne Lais das erste Mal in einem Online-Bericht unserer Zeitung erwähnt.