Das Ansinnen könnte als eine Form des Obstraubes empfunden werden. Eine entsprechende Habachtstellung hat zumindest der Obstverband der Schweiz eingenommen, der rund 10.000 Obstbauern vertritt. Und auch deutsche Obstbauern verfolgen den Vorgang mit Interesse. Gemeinschaftlich blickt man nach St. Gallen, wo das Bundesverwaltungsgericht über den Versuch des US-amerikanischen Technikkonzerns Apple zu befinden hat, das Markenrecht an der Abbildung eines Apfels auch für den Schweizer Rechts- und Wirtschaftsraum zu sichern.
Jimmy Mariéthoz, der Direktor des Schweizer Obstverbandes, ist außer sich: „Das ist ein Versuch, sich das Recht an einem naturalistischen Apfel anzueignen.“ Es ist ein bemerkenswertes Vorgehen des kalifornischen Unternehmens und seiner Juristen. Sollten sie Erfolg haben, könnten vielfach markenschutzrechtliche Streitigkeiten drohen – insbesondere für Obstbauern, die einen Apfel in oder für ihr Logo verwenden.

Die aufflammende Sorge wird genährt von der Erfahrung, dass Apples Rechtsabteilung schnell dabei ist, die Embleme anderer Organisationen zu überprüfen. Werden nur geringste Ähnlichkeiten mit dem Signet von Apple gesehen, ziehen dessen Juristen wegen der Verletzung von Markenrechten zu Felde. Bisher galt diese rigide Praxis dem ikonischen Logo des angebissenen Apfels. Wobei die Juristen aus Cupertino zumeist ein sehr weitreichendes Verständnis von Ähnlichkeit an den Tag legten.
Der Schweizer Obstverband ist alarmiert
Seit der Apple-Konzern seinen Antrag auf erweiterten Markenschutz beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) in Bern eingereicht hat, ist der Schweizer Obstverband jedenfalls alarmiert. Dies vor allem wegen der Form des Antrags – denn der Konzern hat dem Schweizer Markenschutz-Institut eine wenig detailreiche, geradezu unscharf wirkende Abbildung eines Apfels vorgelegt.
Der Computerkonzern hat bereits im Jahr 2009 in den Vereinigten Staaten für die Abbildung des Apfels eine sogenannte IR-Marke, also eine Internationale Registrierung, erhalten. Diese IR-Marke will der Konzern seit geraumer Zeit ausweiten: So soll die schwarz-weiß Abbildung eines Apfels künftig auch in der Schweiz als Bildmarke geschützt sein.
Der im Kanton Zug ansässige Obstbauernverband argwöhnt, dass der Technikkonzern mit der Vorlage des unscharf wirkenden, schwarz-weiße Apfel-Bilds eine Strategie verfolge: Denn je weniger detailreich der Apfel zu sehen sei, um so geringer wäre die Unterscheidungskraft zu anderen Apfel-Abbildungen und somit eher eine Markenrechtsverletzung zu unterstellen. Die Schweizer Obstbauern, von denen selbstverständlich viele ein Apfel in ihrem Logo führen, fürchten, künftig schnell von Apple-Juristen mit Abmahnungen überzogen zu werden.

Der Obstverband könnte sogar selbst betroffen sein, denn seit vielen Jahren zeigt sein Logo einen roten Apfel, der in Anlehnung an die Schweizer Nationalflagge mit einem weißen Kreuz versehen ist. Juristisch wären der Obstverband und jeder Obstbauer eigentlich auf der sicheren Seite. „Im Markenrecht gilt der Prioritätsgrundsatz“, stellt Jochen Glöckner klar, der an der Universität Konstanz den Lehrstuhl für deutsches und europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht innehat. Dies bedeute, dass im Falle der Kollision von Markenrechten grundsätzlich jene Marke den Vorrang genieße, welche früher angemeldet wurde.
In der Schweiz gilt der Prioritätsgrundsatz aber – anders als in Deutschland – nur für eingetragene Marken. Maßgeblich ist also zunächst, ob, wann und für welche Waren der Obstverband sein Zeichen hat schützen lassen.
Wenn eine eigene Marke geschützt sei, stellt sich in der Praxis aber meist die Frage, ob der Rechteinhaber überhaupt bereit sei, seine Rechte notfalls vor Gericht zu verteidigen, räumt Glöckner ein. Das liege häufig am Ungleichgewicht der Kräfte: Wenn renommierte Großkanzleien im Auftrag eines Weltkonzerns einzelne Obstbauern abmahnten, sei das oft einschüchternd genug, um eine juristische Verteidigung bestehender Rechte zu unterlassen.
Jeder Unternehmer mit geringerer Finanzkraft werde sich genau überlegen, ob er vor Gericht ziehen wird. Sowohl eine Abmahnung und Unterlassungserklärung, als auch der Gang vor Gericht verursachen schnell fünfstellige Anwaltskosten. Dabei sind auch die weiteren Folgen nicht unerheblich: Der Austausch von mit dem strittigen Logo versehenen Werbemitteln, Briefköpfen, Briefpapieren oder gar Produkten sowie der ersatzweise Aufbau eines komplett neuen Markenauftritts verschlingt schnell Tausende von Euro.
Noch stößt der Versuch des Tech-Konzerns, den Markenschutz des Apfel-Fotos auf die Schweiz auszudehnen, bei den Eidgenossen auf amtlichen Widerstand. Denn das Institut für Geistiges Eigentum hat den Antrag des Unternehmens Apple im Herbst vergangenes Jahr teilweise zurückgewiesen. Begründet hatte das Institut seine Entscheidung damit, dass die vorgelegte Bildmarke – also die naturgetreue Abbildung eines Apfels – ein Gemeingut darstelle, für welches nicht exklusiv ein Markenrecht vergeben werden könne.
Markenschutz für ein Apfelbild
Die Apple-Anwälte zogen aber vor das Schweizer Bundesverwaltungsgericht, wo sie die Entscheidung des Marken-Instituts anfechten. Gestärkt fühlt sich der Konzern wohl auch dadurch, dass es in vielen anderen Ländern schon gelungen ist, für das Apfelbild Markenschutz zu erlangen; so etwa in Dänemark, Chile, Türkei, Israel, Japan und selbst in der Europäischen Union. Die Entscheidung des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus.
Der Konstanzer Rechtsprofessor Glöckner verweist darauf, dass Konzerne wie Apple in der Regel eine globale Markenstrategie verfolgen und diese je nach Situation offensiv oder defensiv umsetzen. Ein ähnlicher, aber längst nicht so bedeutender Fall, sei etwa der letztlich vergebliche Versuch der Schokoladenfirma Lindt & Sprüngli AG gewesen, den bekannten Schokoladenhasen in seiner reinen Form, ohne Goldverpackung, als 3D-Marke schützen zu lassen, sagt Glöckner.
In Deutschland auf der Hut sein
Obstverband-Direktor Mariéthoz gibt sich unterdessen gespalten. Er habe Verständnis dafür, wenn Apple seine Marke schützen wolle. Sollte sich der Konzern aber auf dem Schweizer Markt durchsetzen, dann könnte es für jeden Betrieb zum Risiko werden, wenn er eine Werbung mit einem Apfel produziere. Mariéthoz geht sogar noch weiter. Es sei nicht auszuschließen, dass sich der Konzern das alleinige Recht an der Darstellung eines Apfels sichern möchte.
In Deutschland müssen Verwender von Apfel-Emblemen definitiv auf der Hut sein: 2019 war Apple etwa gegen das Logo vorgegangen, mit dem unter der Bezeichnung „Apfelroute“ ein neuer Radweg in der Region Rhein-Voreifel beworben werden sollte. Das rote Logo mit grünem Apfelblatt könnte auch an einen angebissenen Apfel erinnern. Der Touristikverband, der das Emblem in den Verkehr gebracht hat, kann es noch heute verwenden. Apple hatte seinen Widerspruch letztlich zurückgezogen – allerdings erst nachdem der Touristikverband der Einschränkung zugestimmt hatte, das Logo einzig für den Radweg zu verwenden.