Sie gelten als die Oscars der globalen Luftfahrtbranche und einer ihrer Seriensieger ist die Polizei des Kantons Zürich: die sogenannten Skytrax-Awards. In der Kategorie für die weltweit beste Sicherheitskontrolle auf einem Airport durften Mitarbeitende der Zürcher Flughafenpolizei die Auszeichnung seit dem Jahr 2016 fünfmal entgegennehmen – zuletzt im August.

Zwei Wochen später kommt es zu einer der gefährlichsten Pannen in der Geschichte des bedeutendsten Schweizer Luft-Drehkreuzes. Ein junger Mann verschafft sich am 24. August unbefugt Zutritt zum Flughafengelände. Gegen 22 Uhr spaziert er auf dem Rollfeld herum und schnappt sich ein Auto der nationalen Fluggesellschaft Swiss.
Er will mit Leuchtweste an Bord
Damit braust der 27-Jährige über die Landepiste 28 zum Dock E, über dem sich auch die Zuschauerterrasse mit dem „Viewpoint A380“ befindet. Diese ist bei Besuchern beliebt, weil das Dock hauptsächlich von Langstreckenfliegern genutzt wird – darunter auch das größte seriengefertigte Verkehrsflugzeug der Welt, der Airbus A380.
Als der unbefugte Eindringling im Airport-Auto am Dock ankommt, stehen dort zwei Swiss-Maschinen nebeneinander. Das Bodenpersonal bereitet gerade die beiden Flieger für den Abflug nach São Paulo sowie nach Johannesburg vor. Offenbar findet der 27-Jährige im Swiss-Auto eine Leuchtweste und streift sie über. So versucht er, die Maschine nach Johannesburg zu besteigen.
„Offensichtlich verwirrt“
Ein gültiges Ticket dürfte er nicht dabeihaben, denn die Crew verweigert dem Mann den Zutritt an Bord. Daraufhin ergreift er die Flucht und verschanzt sich im Frachtraum des Langstreckenfliegers nach São Paulo – offenbar, um als blinder Passagier mitzufliegen. Dies birgt für gewöhnlich ein hohes Risiko zu erfrieren, wie mehrere Fälle gezeigt haben.
Erst im Bauch des Flugzeugs entdeckt ihn ein Swissport-Mitarbeiter. Der Angestellte alarmiert die Flughafenpolizei, die den Eindringling schließlich festnimmt. Daraufhin untersucht ein Arzt den laut Polizei „offensichtlich verwirrten Mann“, der vorübergehend auch in Haft genommen wird.
Versuch der Geheimhaltung?
Brisant ist auch die Aufarbeitung des Falls: Denn wochenlang blieb der verstörende Vorfall in der Schweiz erst einmal geheim. Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft legten den für die Öffentlichkeit sicherheitsrelevanten Vorfall von sich aus offen – offenbar wegen einer möglichen Gefahr von Nachahmungstätern. Erst auf Anfrage des „Tages-Anzeigers“ bestätigt Erich Wenzinger, Sprecher der Zürcher Staatsanwaltschaft, den Vorfall.
Doch wie kam der 27-jährige Eindringling auf das Rollfeld? „Der Beschuldigte verschaffte sich auf unbekannte Art und Weise – wohl durch mutwilliges Übersteigen des Umfriedungszauns – illegal Zugang zum Flughafengelände“, sagt der Staatsanwalt.
Milde Strafe für Gefährder
Seine Behörde habe den Mann wegen rechtswidriger Einreise in die Schweiz, unrechtmäßigen Aufenthalts, Hausfriedensbruchs und Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, per Strafbefehl mit einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 120 Tagessätzen sanktioniert, so der Sprecher. Der Strafbefehl sei bereits rechtskräftig.
Einige Fragen bleiben jedoch unbeantwortet – unter anderem, ob der Eindringling psychisch erkrankt war und ob er in sein Herkunftsland Albanien abgeschoben wurde, wie es in der Schweiz nach von Ausländern begangenen Straftaten üblich ist. Die Staatsanwaltschaft bestätigt lediglich, dass der 27-Jährige – nachdem er aus der Haft frei kam – dem Migrationsamt zugeführt wurde. Weitere Angaben könnten unter anderem wegen des Persönlichkeitsschutzes nicht gemacht werden.
Weitere Vorfälle in Zürich und Genf
Auch der Flughafen Zürich bestätigt den ungewöhnlichen Vorfall. Man habe gegen den Mann umgehend Anzeige erstattet. Ob die aufgezeigte Sicherheitslücke ein Anlass sei, die Vorkehrungen auf dem Airport-Gelände angesichts des möglichen Schadenspotenzials zu verschärfen? Man prüfe, ob Anpassungen nötig sind, sagt eine Sprecherin.
Die Sicherheit am Airport Zürich habe jedenfalls höchste Priorität. „Einzelfälle wie dieser können aber an keinem Ort mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden“, erklärt die Sprecherin.
Laut dem Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt gab es in den vergangenen 20 Jahren am Zürcher Flughafen drei ähnliche Vorfälle. Zwei Eindringlinge zählte im selben Zeitraum der zweitgrößte Flughafen des Landes in Genf. Kam es auch am Bodensee Airport in Friedrichshafen zu vergleichbaren Sicherheitslücken?
Paar kletterte über Sperrzaun
Sprecher Bernd Behrend erklärt, dass es in der Zeit vor der Corona-Pandemie einen ähnlichen Vorfall gab: Ein Pärchen kletterte damals von der Besucherterrasse auf ein etwa zwei Meter tiefer liegendes Vordach und gelangte von dort auf das Rollfeld des Bodensee Airports.
„Wir haben die Eindringlinge durch die Kameraüberwachung entdeckt und unser Sicherheitsdienst hat sie gestellt. Die Herrschaften wollten sich angeblich die Flugzeuge anschauen“, sagt Behrend. Anschließend habe die Polizei den Mann und die Frau wegen Verstoßes gegen das Luftsicherheitsgesetz vorübergehend festgenommen.
Als Konsequenz aus der Sicherheitslücke hat der Bodensee Airport den Sperrzaun auf der Besucherterrasse auf drei Meter erhöht. „Aus solchen Fällen lernt man immer etwas“, sagt Bernd Behrend.