Schweizer Einkaufstouristen in Deutschland profitieren bislang von einer weitgehenden Steuerbefreiung ihrer Einkäufe. Was dem deutschen Einzelhandel jedes Jahr Milliardenbeträge in die Kassen spült, nervt die Eidgenössischen Einzelhändler zusehends. Denn in ihren Geschäften bleibt die Kundschaft aus. Jetzt reagiert die Schweizer Politik und will Steuervorteile bei der Einfuhr von Waren aus dem Ausland kappen – das würde es für Schweizer unattraktiver machen, in Deutschland einzukaufen. Ein Überblick, was geplant ist:

Um das geht es

Schweizer Einkaufstouristen und Grenzgänger tragen jedes Jahr umgerechnet rund acht Milliarden Euro ins benachbarte Ausland. Egal ob Elektroartikel und deutsche Drogeriemarkt-Produkte, italienische Lebensmittel oder französischer Wein – fast alles landet in den Einkaufswägen der Schweizer Kundschaft.

Angezogen werden die Eidgenossen vom generell niedrigeren Preisniveau der Waren im Euroraum, einem in den vergangenen Jahren stetig gefallenen Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken, aber auch der gewissen Exotik, die ein Einkauf im Ausland verbunden mit einem Restaurantbesuch oder Bummel immer noch bedeutet. Hinzu kommen handfeste Steuervorteile.

Das sind die aktuellen Steuerregeln für Einkaufstouristen

Schweizer können sich beim Grenzübertritt zurück in die Heimat, die deutsche Mehrwertsteuer für Einkäufe am Zoll zurückerstatten lassen. Seit Anfang 2020 existiert allerdings eine sogenannte Bagatellgrenze von 50 Euro, unterhalb derer keine Rückerstattung möglich ist. Alle Waren, deren Wert darüber hinaus geht, sind für Schweizer indes mehrwertsteuerbefreit. Aber das ist nicht alles.

Bei der Einfuhr in die Schweiz müssen die in Deutschland erworbenen Artikel bis zu einem Wert von 300 Schweizer Franken ebenfalls nicht versteuert werden. Anders ausgedrückt sind Einkäufe zwischen 50 Euro und 300 Franken aktuell für Schweizer Einkaufstouristen komplett steuerfrei. Das macht es für die Eidgenossen äußerst günstig, hierzulande auf Shopping-Tour zu gehen.

Rund acht Milliarden Euro tragen Schweizer Einkaufstouristen jedes Jahr ins benachbarte EU-Ausland.
Rund acht Milliarden Euro tragen Schweizer Einkaufstouristen jedes Jahr ins benachbarte EU-Ausland. | Bild: Felix Kästle, dpa

Das soll sich ändern

Insbesondere Schweizer Grenzkantone drängen darauf, die Steuerprivilegien zu kappen. Nach einem Bericht des Schweizer „Tagesanzeiger“ soll die sogenannte Wertfreigrenze von 300 Franken auf 150 Franken gesenkt werden. Einkäufe, die darüber hinaus gehen, sollen nach Willen der Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) mit Schweizer Mehrwertsteuer belegt werden, berichtet das Blatt.

Auf SÜDKURIER-Anfrage wollte ein Sprecher des Eidgenössische Finanzdepartement den Bericht nicht kommentieren. In der Frage entscheiden muss sowieso die Schweizer Regierung, der Bundesrat. Dieser wird sich nach SÜDKURIER-Informationen in seiner Sitzung am kommenden Mittwoch mit dem Thema befassen. Angesichts des Drucks, den Schweizer Parlamentarier seit Jahren auf die Regierung ausüben, die Steuerprivilegien abzuschaffen, scheint eine Einschränkung der aktuellen Regeln wahrscheinlich.

Das wären die Auswirkungen für den deutschen Handel

Schweizer Einkäufer sind für den deutschen Einzelhandel Umsatztreiber. Mit Argusaugen verfolgt man daher auf deutscher Seite, wie die Schweizer Politik entscheidet. Fachleute wie Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, geben indes verhalten Entwarnung. Ein Kappung der Wertfreigrenze würde den Einkauf in Deutschland zwar „etwas unattraktiver“ machen, sagt er. „Signifikante Auswirkungen“ auf die Schweizer-Umsätze hierzulande erwarte man dennoch nicht.

Der Grund: Die Steuerprivilegien sind nur einer von mehreren Anreizfaktoren, die die Eidgenossen dazu bewegen, in Deutschland Geld auszugeben. Zuvorderst profitieren sie nämlich von einem deutlich höheren Lohnniveau, das sich in einer überdurchschnittlichen Kaufkraft bemerkbar macht. Diese wiederum trifft auf ein signifikant niedrigeres Preisniveau in Deutschland als in der Schweiz. Hinzu kommt der Wechselkurs. Im vergangenen halben Jahrzehnt hat der Euro zum Franken rund 16 Prozent eingebüßt. Das macht Konsum in Deutschland für Schweizer attraktiv.

Claudius Marx, langjähriger Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, hält die Auswirkungen einer möglichen Einschränkung der ...
Claudius Marx, langjähriger Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, hält die Auswirkungen einer möglichen Einschränkung der Mehrwertsteuer-Freigrenzen für Einkaufstouristen für überschaubar. | Bild: IHK Hochrhein-Bodensee

Kaufanreiz Mehrwertsteuer-Unterschiede

Ein oft unterschätzter Kaufanreiz besteht nach Ansicht Marx‘ aber in Mehrwertsteuerunterschieden dies- und jenseits der Grenze. Aber warum? Hierzulande beträgt die Mehrwertsteuer 19 Prozent, der reduzierte Satz liegt bei 7 Prozent, etwa für Lebensmittel. Der Schweizer Staat verlangt indes nur 7,7 Prozent (reduziert 2,5 Prozent) Mehrwertsteuer. Die Folge: Auch wenn die Schweiz die sogenannte Wertfreigrenze bei der Einfuhr von Waren komplett abschaffen würde, wäre der Trip nach Deutschland immer noch attraktiv.

Denn Schweizer Einkaufstouristen würden immer noch von der Mehrwertsteuerrückerstattung in Höhe von maximal 19 Prozent bei der Ausreise aus Deutschland profitieren. Selbst wenn sie danach in der Schweiz mit maximal 7,7 Prozent versteuern müssten, bliebe eine kleinere Steuerersparnis beim Einkauf in Deutschland erhalten. IHK-Hauptgeschäftsführer Marx sagt: „Die eigentliche Attraktivität für Schweizer beim Einkauf in Deutschland liegt nicht in Freigrenzen, sondern in den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen in beiden Ländern begründet.“