Esther und Bernhard Scheuber sitzen am einladenden Esstisch in ihrem idyllisch gelegenen Haus in Bad Zurzach. Von der Terrasse öffnet sich der Blick auf den Rhein und ins Dorfzentrum, dahinter erhebt sich der Achenberg. Fast wie Ferien, ist man versucht zu sagen. Und tatsächlich: Demnächst wird sich hier eine französische Familie für drei Wochen einquartieren und es sich gemütlich machen.
Genauer gesagt Benoit und Nadège Careil aus Rennes. Das Besondere daran: Die Paare kennen sich nicht, hatten bisher nur schriftlichen und telefonischen Kontakt. Die Scheubers reisen ihrerseits in die Hauptstadt der Bretagne ins Haus der Careils.
Die Form von Ferien entsteht in den 1950er-Jahren
Haustausch, oder Home Swapping, nennt sich diese Form von Ferien, die in den 1950er-Jahren entstanden ist und sich inzwischen um den Globus etabliert hat. Quasi die nachhaltigere Form von Airbnb. Das Prinzip ist einfach: Auf speziellen Internetplattformen, auf denen sich Tausende von Angeboten weltweit finden, trägt man sich für eine Gebühr ein. Sie beträgt je nach Anbieter bis zu 200 Franken im Jahr. Danach zahlt man nur noch die Kosten vor Ort. Das Inserat zeigt Fotos der eigenen vier Wände und beschreibt sie in allen Details. Größe, Ausstattung, Besonderheiten, Lage gehören dazu – und Bewertungen.
Die erste Reise führt sie nach Finnland
Esther und Bernhard Scheuber sind erfahrene „Swapper“. Sie machen mittlerweile seit 35 Jahren Ferien auf diese Art und möchten nicht mehr tauschen. Sie hatten damals genug von „Ghetto-Ferien“ in unpersönlichen Gebäuden, wie sie es nennen. Scheuber wurde 1988 auf einen Artikel aufmerksam, der den Haustausch vorstellte, und zeigte ihn seiner Frau. Gesagt, getan. „Als unser jüngstes Kind keine Windeln mehr brauchte, wagten wir das Abenteuer“, erinnert sich der ehemalige Ammann von Bad Zurzach.
Ihre erste Reise mit Sack und Pack führte sie nach Finnland, nach Jyväskylä, einer Kleinstadt rund 300 Kilometer nördlich von Helsinki. „Es war speziell. Die Schlüsselübergabe mit der Tauschfamilie fand am Bahnhof von Helsinki statt“, sagt Esther Scheuber.
„Ausschlaggebend für das Haus in Finnland war unter anderem, dass unsere Kinder gleich alt waren“, sagt Esther Scheuber. Dort angekommen stellten sie fest, dass sich die Spielkultur zwischen Finnland und der Schweiz markant unterschied. Andere Länder, andere Sitten: „Sie hatten praktisch nur Kriegsspielzeug. Unsere Kinder fanden es toll, wir weniger“, sagt Bernhard Scheuber.
Polizei taucht im Haus in New Jersey auf
Seither sind 35 weitere Destinationen in fünfzehn Ländern dazugekommen. Zunächst lag der Fokus auf Europa. Spanien und Holland bereisten die Scheubers mehrmals. Als die Kinder aus der Schule waren, durften sie wählen: Sie entschieden sich für die USA.
Dort dauerte es nicht lange, bis sie Bekanntschaft mit der Polizei machten. Nachbarn vermuteten Einbrecher im Haus. „Als wir den Mietvertrag zeigten, war die Situation dann schnell entschärft“, sagt Bernhard Scheuber. Der Vorfall im Bundesstaat New Jersey gehörte zu den wenigen unangenehmen Erlebnissen. Im Gegenteil: „Die Menschen sind in der Regel äußerst freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Wir wohnen außerdem weg vom großen Rummel und lernen Ecken kennen, die touristisch nicht überlaufen sind“, sagt Esther Scheuber.
Peru, Ecuador oder Japan würde sie noch reizen
Doch wird auch diese Form nach über 30 Jahren zur Gewohnheit? Sie winken ab. Es ist die ungebrochene Neugier, die Lust, immer wieder neue Gegenden zu entdecken – auch mit ihren 70 Jahren. Dafür sei der Haustausch ideal, sagen sie. Selbstredend ist klar, dass sie noch weitere Pläne haben. Peru, Ecuador oder Japan würden sie reizen.
Und dass sogar Bad Zurzach eine bevorzugte Adresse für Tauschfamilien ist, zeigte sich vor einigen Jahren, als eine Frau aus Thailand nach dem Tod ihres Mannes in die Schweiz zog und sich unweit der Scheubers im Bezirkshauptort niederließ.
Der Autor ist Redakteur bei der „Aargauer Zeitung“. Dort ist der Beitrag auch zuerst erschienen.