Die Schweizer Wirtschaft und ihre Geschäfte mit dem nationalsozialistischen Deutschland: Fast 80 Jahre nach dem Ende der Hitler-Diktatur kommen noch immer trübe Fakten ans Tageslicht. Der Haushaltsausschuss des US-Senats veröffentlichte unlängst einen Zwischenbericht über die untergegangene Großbank Credit Suisse und ihre Vorgänger.
Darin werden „umfangreiche neue Beweise für bisher unbekannte oder nur teilweise bekannte Kontoinhaber mit Verbindungen zu den Nazis“ enthüllt. „Die Bank hatte es versäumt, diese Konten bei früheren Untersuchungen offenzulegen“, kritisierte der US-Senats-Ausschuss die Bank.
Die „dunkelsten“ Kapitel der Credit-Suisse-Geschichte müssten gründlich ausgeleuchtet werden, betonte der republikanische Senator Chuck Grassley mit Blick auf Zehntausende Beweisstücke. Grassley hatte dafür gesorgt, dass der Senatsausschuss sich für den Fall Credit Suisse, die heute Teil der Bank UBS ist, als zuständig erklärt.
Kritiker Ziegler: Bank tief verstrickt in schmutzige Deals
Der Genfer Soziologe Jean Ziegler findet es nicht überraschend, dass nun weitere Machenschaften des Instituts bekannt werden. „Es war nur eine Frage der Zeit“, sagt der Bankenkritiker, den Helvetiens Finanzbranche seit Jahrzehnten als lästigen Rechercheur fürchtet. „Die Credit Suisse und ihre Vorgängerbanken waren tief verstrickt in schmutzige Deals mit den Nazis, beide Seiten haben profitiert“, erläutert Ziegler.

Geschäfte mit Gold aus von Wehrmacht besetzten Gebieten
Dass sich die Credit Suisse und andere Schweizer Banken an vielen jüdischen Opfern des NS-Terrors bereicherten, steht schon lange fest: Die Geldhäuser behielten jahrzehntelang Vermögen auf „nachrichtenlosen Konten“ ihrer Kunden ein, die von NS-Schergen ermordet worden waren.
Opferverbände und US-Politiker zwangen 1998 die Credit Suisse und die andere Schweizer Großbank UBS, dazu, eine Summe von 1,25 Milliarden US-Dollar als Entschädigung zu zahlen.
Schweizer Finanzinstitute kauften im Zweiten Weltkrieg auch Gold auf, das deutsche Einheiten in den besetzten Gebieten geraubt hatten. Die neuen Enthüllungen über die Credit Suisse werfen nun noch einmal ein schlechtes Licht auf den Finanzplatz Schweiz.
UBS lässt Machenschaften untersuchen
Inzwischen existiert die Credit Suisse nicht mehr als eigenständige Bank. Sie wurde ab 2023 vom Rivalen UBS übernommen. Die Untersuchungen der Credit-Suisse-Nazi-Connection in Zürich, anderen europäischen Orten und Südamerika dauern an, ein Abschlussbericht soll 2026 erscheinen. Mit den gefährlichen Altlasten muss sich die UBS herumschlagen.

Bankenkritiker Ziegler betont, dass möglicherweise auch andere Schweizer Geldhäuser ihre Beziehungen zu Institutionen, Unternehmen und Einzelpersonen des Dritten Reiches noch nicht aufgedeckt haben: „In diesem Gewerbe der Gier lässt sich nichts ausschließen.“
Eine entsprechende Anfrage stellte der SÜDKURIER bei der UBS: Haben die UBS-Vorgängerbanken, etwa die Schweizerische Bankgesellschaft, auch Konten von Personen oder Institutionen geführt, die mit dem NS-Regime verbunden waren?
Die UBS, eine der größten Vermögensverwalterinnen der Welt, beantwortete die Frage nicht. Stattdessen konzentrierte die UBS ihre Ausführungen auf die übernommene Credit Suisse und beteuerte: Die UBS setze sich dafür ein, „einen Beitrag zu einer umfassenderen Aufklärung von NS-bezogenen Altkonten zu leisten, die zuvor bei den Vorgängerbanken der Credit Suisse geführt wurden“.

Hunderte verdächtige Konten
Beaufsichtigt werden die Credit-Suisse-Ermittlungen durch den Juristen Neil Barofsky. Der US-Amerikaner spürte in den Archiven bereits eine umfangreiche Datei mit „hoher Relevanzrate“ für Nazi-Verbindungen auf. Das Barofsky-Team identifizierte darin 3600 physische Dokumente sowie 40.000 Mikrofilme, die weiter überprüft werden sollen.
Dabei wurden bislang Credit-Suisse-Konten von „mehreren hundert mutmaßlichen Nazi-Mittelsmännern gefunden“. Unter den Konteninhabern befinden sich gemäß dem Zwischenbericht: Ein hochrangiger Hitler-Gefolgsmann, der bei den Kriegsverbrecher-Prozessen in Nürnberg verurteilt wurde. Ein deutscher Fabrikant, der Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern einsetzte und ein Nazi-Profiteur, der eine Bank zur „Arisierung“ jüdischer Vermögenswerte leitete. Allerdings nennt Barofsky keine Namen.
Selbst nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wollte die Credit Suisse die Geschäfte nicht aufgeben – so schreibt es der Ausschuss des US-Senats: „Barofsky hat auch eine signifikante Verbindung zwischen der Credit Suisse und vielen Personen aufgedeckt, die Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Flucht aus Europa über sogenannte Rattenlinien halfen.“ Viele von ihnen setzten sich nach Südamerika ab.