„Vignette mit Klebstreifen angebracht – 700 Franken Strafe“: So spektakulär die Überschrift, so kurz war die dazugehörige Meldung auf einigen Schweizer Newsplattformen vor wenigen Wochen: Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat einen 76-jährigen Österreicher per Strafbefehl zu einem Bußgeld von 350 Franken verurteilt. Der Mann muss zudem Gebühren in gleicher Höhe zahlen.
Der 76-Jährige hatte sich der „Fälschung amtlicher Wertzeichen“ schuldig gemacht, als er im Dezember 2021 in die Schweiz einreisen wollte. Er hatte die damals gültige Autobahnvignette einzig mit Klebestreifen an der Windschutzscheibe seines Autos befestigt.
Denn wer in der Schweiz mautpflichtige Nationalstraßen – Autobahnen und Autostraßen – benutzt, braucht dafür nicht nur eine aktuelle Vignette. Er muss diese auch ordnungsgemäß an seinem Fahrzeug anbringen.
Bei Autos heißt das: Den selbstklebenden Mautnachweis nach dem Ablösen der Trägerfolie direkt auf die Innenseite der Windschutzscheibe drücken, damit sie dort haften bleibt. Andere Materialien wie Klebestreifen dürfen zum Befestigen der Vignette nicht verwendet werden.
Wer eine Vignette missbräuchlich verwendet, begeht eine Straftat
Wer dagegen verstößt, begeht eine Straftat und muss mit entsprechenden Folgen rechnen. Der 76-jährige Österreicher, der im Dezember seine Vignette nur mit Klebestreifen befestigt hatte, scheint dabei mit einem Bußgeld und Gebühren von insgesamt 700 Franken, aktuell rund 687 Euro, noch glimpflich davongekommen zu sein. Denn ein Blick ins Schweizerische Strafgesetzbuch zeigt, dass bei der „Fälschung amtlicher Wertzeichen“ neben Geldstrafen auch Freiheitsstrafen drohen können.
Zuständig für die Ahndung solcher Vergehen sind die kantonalen Staatsanwaltschaften – im Falle des 76-jährigen Österreichers jene des Kantons St. Gallen. Der SÜDKURIER hat bei ihr nachgefragt, was Vignettensündern denn nun konkret droht, wenn sie wie der Österreicher die Vignette nur mit Klebestreifen an der Windschutzscheibe befestigen.
Wird automatisch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, wenn die Vignette falsch angebracht ist?
Wer ohne Vignette auf einer Schweizer Autobahn oder Autostraße unterwegs ist oder die Vignette „vorschriftswidrig verwendet“, muss laut dem Schweizer Nationalstraßenabgabegesetz mit einem Bußgeld von 200 Franken, aktuell rund 196 Euro, rechnen, wenn ihn Polizei oder Zollbehörden dabei erwischen. Aber: Die „Fälschung amtlicher Wertzeichen“ ist keine simple Ordnungswidrigkeit, sondern ein Offizialdelikt, wie der St. Galler Staatsanwalt Stefan Hess auf SÜDKURIER-Anfrage schriftlich erklärt.
„Deshalb hat grundsätzlich immer eine Verzeigung an die zuständige Staatsanwaltschaft zu erfolgen, wenn von den Polizei- oder Zollbehörden eine falsch angebrachte beziehungsweise missbräuchlich verwendete Vignette festgestellt wird“, so der Pressebeauftragte der St. Galler Staatsanwaltschaft weiter.
Komme es zu einer solchen Anzeige und anschließenden Verurteilung, falle zwar kein Bußgeld von 200 Franken an. Aber die Staatsanwaltschaft erlasse einen Strafbefehl, „wenn die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden hat oder dieser anderweitig ausreichend geklärt wird.“
Wie hoch fällt die durch die Staatsanwaltschaft verhängte Strafe aus?
Einen konkreten Rahmen für eine mögliche Geldstrafe nennt Staatsanwalt Hess auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht, nur so viel: „In einfachen Fällen – wie dem von Ihnen beschriebenen – dürften Ersttäter häufig mit einer bedingten Geldstrafe sanktioniert werden.“ Die Höhe des Tagessatzes bei einer Geldstrafe bemesse sich an den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten.
„Bedingt“ heißt aber meist nicht, dass nichts gezahlt werden muss, denn bedingte Geldstrafen, so Hess weiter, „können mit unbedingten Bußen verbunden werden, was relativ häufig getan wird, um die Ernsthaftigkeit der Sanktion zu betonen.“
Kann ich tatsächlich im Gefängnis landen, wenn ich eine Vignette falsch angebracht habe?
Grundsätzlich würden bei solchen Vergehen Geld- und keine Freiheitsstrafen verhängt, betont Staatsanwalt Hess. Eine Freiheitsstrafe könne jedoch drohen, „wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.“
Ins Gefängnis wandern Vignettensünder auch, wenn die Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen, also nicht bezahlt und eingebracht werden kann. Laut Schweizerischem Strafgesetzbuch sind dabei Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren möglich.
Wie läuft ein Verfahren bei Vignettenvergehen ab?
Gegen einen staatsanwaltschaftlichen Strafbefehl wegen „Fälschung amtlicher Wertzeichen“ können Beschuldigte innerhalb von zehn Tagen Einspruch erheben, andernfalls wird der Strafbefehl zu einem rechtskräftigen Urteil.
Kommt es zu einem Einspruch – in der Schweiz „Einsprache“ genannt – beurteile die Staatsanwaltschaft, „ob sie am Strafbefehl festhält, das Verfahren einstellt, einen neuen Strafbefehl erlässt oder Anklage beim erstinstanzlichen Gericht erhebt“, so Staatsanwalt Hess.