Läuft‘s bei den Schweizern denn nun besser oder schlechter? Kaum eine andere Frage beschäftigt die Grenzregion so sehr. Und nun gibt es eine neue Antwort: Gar nicht läuft es bei den Schweizern, zumindest nicht nach 22 Uhr auf der Toilette. Das hat zumindest die „Bild“-Zeitung diese Woche verkündet: Ab dem späteren Abend sei es in der Schweiz verboten, die Spülung zu betätigen! Grund: Ruhestörung.
Da wird einem so einiges klar. Mag ein Schweizer mal freudlos wirken, verkniffen – kein Wunder, verheben Sie es sich mal die ganze Nacht! Oder dass unsere Nachbarn so gerne bei uns Restaurants und Bars besuchen, dachten Sie ernsthaft, das liegt an unserer Gastronomie? Von wegen, die wollen dort einfach mal am späteren Abend noch in Ruhe auf den Abort. Und was wir hier als Auto-Poser, als Raser wahrnehmen die nächtens durch die Städte brausen: Denen pressiert‘s halt einfach!

Alles so einfach, wenn man es nur mal richtig bedenkt. Naja. Fast. Denn wenn man wirklich ganz genau hinschaut, hat die „Bild“ Unsinn geschrieben. Den staatlichen Spül-Stopp, die Pinkel-Pausen-Politik, es gibt sie schlichtweg nicht. Hat dann recht rasch auch die Boulevardzeitung eingesehen und sich korrigiert.
Am Ende des ‚Bild‘-Online-Artikels heißt es nun: „In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass es illegal sei, in der Schweiz nachts die Toilettenspülung zu bedienen. Allerdings ist das kein Gesetz, sondern eine Vorgabe in der Hausordnung einiger Mehrfamilienhäuser.“
Besenstiel wegen Spülung
Was aber natürlich eine brisante Frage aufwirft: Sind es nun ausgerechnet wieder die armen Mieter, die leiden müssen? Von monatlichen Raten ruiniert, doch wehe man uriniert? Eine SÜDKURIER-Kollegin berichtet tatsächlich von Schweizer Mehrfamilienhaus-Momenten, in denen die Nachbarin mit dem Besenstiel gegen die Wand schlug, weil um 23 Uhr noch ein kleines Geschäft erledigt wurde.
Doch beim Hauseigentümerverband Schweiz rätselt man: „So ein Verbot ist unserem Verband nicht bekannt“, sagt Direktor Markus Meier. Das schließe solche Regeln in einzelnen Hausordnungen aber nicht aus.
Ein Relikt aus alten Zeiten
Und tatsächlich, da kann der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft weiterhelfen. Geschäftsführer Marcel Hug sagt: Ja, in alten Hausordnungen habe es den Passus tatsächlich gegeben – und in wenigen Liegenschaften könne das immer noch der Fall sein. Denn tatsächlich habe in alten, schlecht lärmisolierten Gebäuden das Spülen erheblichen Lärm verursacht.
Und da kommt laut Hug die Schweizer Kultur ins Spiel: Die Schweiz sei ein Land der Mieter. Nur gut jeder Dritte lebt dort im Eigentum, nirgendwo in Europa ist das seltener. In Deutschland sind es immerhin über 45 Prozent. Und, so Hug, die Schweizer mögen eben Regeln – das selbst die Spülung geregelt war, sei da schlichtweg „gut eidgenössisch“ gewesen. In gut isolierten neueren Gebäuden sei das allerdings längst kein Thema mehr.
Die Schweizer in der Nacht, sie sind also nicht ums Pinkeln gebracht, in den allermeisten Fällen. Wenn sich hierzulande ein Schweizer oder eine Schweizerin an einem Abend aber doch mal an Ihnen in der Toiletten-Schlange vorbeidrängelt, seien Sie nachsichtig: Es könnte jemand sein, der in einem gnadenlos hart regierten Mehrfamilienhaus wohnt!