Das Rampenlicht mag Gerry Thönen nicht sonderlich. Er wirkt lieber im Hintergrund, arbeitet hier an Strategien, löst dort Probleme, baut Netzwerke auf. Das ist seine Stärke – und diese hat er in den letzten zwölf Jahren für die Regionalkonferenz Jura Ost ausgespielt. Mit Erfolg.

Die Regionalkonferenz vertritt die Interessen der Region rund um den Bözberg im Sachplanverfahren für ein geologisches Tiefenlager. In der dritten und letzten Etappe des Verfahrens sind noch drei Standorte für das Tiefenlager im Rennen: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost.

Bild 1: Zwölf Jahre war das Schweizer Atomendlager sein Beruf – nun ist Schluss damit
Bild: Schönlein, Ute

Doch nun ist Schluss. Ende Juni gab der 64-Jährige die Geschäftsstelle ab. Für viele kam sein Rückzug überraschend – erst recht, wenn man weiß: In wenigen Wochen, in der ersten Septemberhälfte, wird die Nagra bekannt geben, für welchen der drei Standorte sie ihr Rahmengesuch einreichen will. Dann beginnt die heiße Phase.

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Gesundheit bereitet Schwierigkeiten

Seine persönliche Entscheidung fiel Thönen nicht leicht, wie er sagt. Doch habe Anfang des Jahres keinen anderen Weg gesehen. Über ein Jahr lang hatte er da schon fast täglich Fieber, fühlte sich zunehmend am Anschlag. Im März entschied sich Thönen, die Geschäftsstelle abzugeben.

Ende März fanden die Ärzte heraus, was ihm fehlt: Er leidet an einer Autoimmunkrankheit. Doch die Kortisonbehandlung schlägt an, inzwischen ist Thönen wieder (fast) der Alte. Auf seinen Entscheid, die Geschäftsstelle abzugeben, wollte er trotz Genesung nicht zurückkommen. „Wenn man krank ist, beginnt man vieles anders zu sehen“, erzählt er.

Nach zwölf Jahren zieht der studierte Soziologe und Germanist eine positive Bilanz zum Partizipationsprozess. „Der Weg zum Tiefenlager ist langwierig, aber gerade so funktioniert er.“ Wobei er nicht verhehlt, dass das Verfahren, je länger es dauert, umso bürokratischer werde. „Es kommen viele Aufträge aus Bern und das führt dazu, dass es kaum noch Luft hat für Ideen von unten.“

Positiv beeindruckt hat ihn die Leistungsbereitschaft jener, die in den Fachgruppen mitgearbeitet haben, und das gute Einvernehmen unter den Standortregionen – trotz drohenden Endlagers. „Alle haben sich an die Spielregeln gehalten und immer blieb im Zentrum, dass die Abfälle am sichersten Ort gelagert werden sollen.“

Thönen ist sich bewusst: Dieser Konsens ist das Rückgrat des Prozesses. Wäre er weg, würde der Prozess zusammenkrachen. „Und das wäre verheerend.“ Denn für den radioaktiven Abfall müsse heute eine Lösung gefunden werden. Er hat zwar Verständnis dafür, dass man gegen neue AKW sein kann. „Kein Verständnis habe ich aber, dass man gegen eine Lösung für die vorhandenen Abfälle sein kann.“

Denen, die sagen, man solle die Abfälle an der Oberfläche belassen, bis eine andere Technik zur Entsorgung gefunden ist, entgegnet er: „Die Schwachstelle bei der Entsorgung ist der Mensch.“ Man sehe aktuell, wie schnell es zum Krieg kommen könne.

„Wir müssen die Abfälle vom Menschen fernhalten und die beste Lösung ist heute ein Tiefenlager.“

Was er bedauert, ist, dass das Interesse am Partizipationsprozess eher klein ist. „Vor allem junge Menschen konnten wir nur mit Mühe dafür gewinnen, sich zu beteiligen.“ Gerade sie aber betreffe das Tiefenlager stärker als seine Generation.

Sollte sich die Nagra im September für Jura Ost aussprechen, hofft er, „dass wir trotzdem weiterhin sachlich über das Thema sprechen können“. Seine Sorge ist, dass es zu einem „Protestimport“ kommt, dass also Menschen aus anderen Schweizer Regionen oder aus Deutschland am Bözberg gegen das Tiefenlager protestieren werden. Sorge macht ihm auch, dass der Standortentscheid „verpolitisiert wird“.