Ein solches Ereignis vergisst man nicht. Ihr erstes Konzert gaben die Django‚s Tigers beim Konstanzer Zeltfestival auf Klein Venedig. Am 4. Juli 2015 war das, es gab eine offene Bühne. Dort saßen die vier Musiker und spielten ihren Gipsy Swing – Musik von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli – als sie sahen, wie im Hintergrund eine dunkle Rauchwolke aufstieg. „Sie befand sich genau auf der Sichtachse zum Konzil“, erinnert sich Pawel Katz, Begründer der Django‚s Tigers und Geiger in der Südwestdeutschen Philharmonie. „Unser erster Gedanke war: Das Konzil brennt!“ Das Konzil ist die Spielstätte der Südwestdeutschen Philharmonie, und bei allem Unmut über die Mängel dieses Raums wäre ein brennendes Konzil doch ein ziemlicher Schock gewesen.
Es war aber nicht das Konzil, es war das Schwaketenbad, einige Kilometer weiter weg vor den Toren der Altstadt – und für die Konstanzer war der Schock kaum geringer als wenn das Konzil gebrannt hätte. Für die Django‚s Tigers ist es zwar nicht die schönste Erinnerung, die sich mit ihrer Ensemblegründung verbindet, aber das Datum werden sie schon aus diesem Grund nicht mehr so schnell vergessen.
Musik, die gute Laune macht
Django‚s Tigers gehören also zu den noch jungen Ensembles, die sich aus der Südwestdeutschen Philharmonie heraus gegründet haben. Für einen Philharmoniemusiker ist es alles andere als naheliegend, Musik zu machen, die in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von dem ist, was er als klassischer Musiker gelernt hat. „Im Jazz gibt es Freiräume, die man mit Improvisationen füllen muss, und das muss man sich erst einmal trauen. In der Klassik hingegen wird streng nach Noten gespielt und alles zielt auf größtmögliche Präzision“, erklärt Katz.
Ohnehin gehört die Geige nicht gerade zur Stammbesetzung eines Jazzensembles. Pawel Katz wollte aber immer schon auch mal Jazz auf der Geige spielen. „Als Jugendlicher habe ich zufällig mal auf einem Flohmarkt eine Kassette mit Musik von Joe Venuti erstanden. Die habe ich heute noch.“ Der Amerikaner Venuti, geboren 1903, war einer der ersten Jazzgeiger. „Seitdem habe ich den Traum, auch mal so etwas zu machen.“
Sein eigentliches Vorbild ist allerdings Stéphane Grappelli, ein französischer Jazz-Geiger, der mit dem französischen Sinti-Musiker und Gitarristen Django Reinhardt den Gipsy Jazz in den Dreißigerjahren populär machte. Heute gelten sie als Mitbegründer des europäischen Jazz. Ihre Musik aber verbreitet auch heute noch beste Laune.
Ein Traum wird wahr
Pawel Katz‚ Traum sollte kein Traum bleiben. Als Beat Fehlmann Intendant der Südwestdeutschen Philharmonie wurde und mitbekam, was den Geiger seines Orchesters umtrieb, kam er auf ihn zu und sagte sinngemäß: „Ich habe eine Plattform für dich, in einem halben Jahr ist der Termin, jetzt mach mal.“ Da hatte Pawel Katz noch keine Idee, mit welchen Mitmusikern er seinen Traum verwirklichen könnte. Aber er hatte ein Ziel, auf das er nun hinarbeitete.
Für die Musik von Reinhardt und Grappelli braucht es eine spezielle Besetzung: Solo-Violine und Solo-Gitarre, hinzu kommen Kontrabass und eine weitere Gitarre als harmonische und rhythmische Stütze. Katz konnte einen befreundeten Gitarristen für die Solo-Gitarre gewinnen: „Alexander Palm ist klassisch ausgebildet, macht aber alles.“ Den Kontrabass-Part übernahm Gabriele Basilico, damals Praktikant im Orchester, heute lebt er in Saarbrücken. Erwin Pfeiffer, ein Wiener, der heute in der Schweiz lebt, spielt die Rhythmusgitarre. Seinen Part übernimmt manchmal aber auch ein Pianist, Ivo Kova, den Katz mal bei einem Tango-Projekt kennengelernt hatte und der im Zürcher Raum lebt. Beim Classical Slam Anfang Juli werden sie ebenfalls in der Besetzung mit Klavier spielen. Es gehört also schon eine Menge persönliches Engagement dazu, sich trotz der verstreuten Wohnorte immer wieder zu treffen, zu proben und neue Projekte anzugehen.
Die Suche nach Musikern war das eine, die andere, sich Notenmaterial zu beschaffen. „Von Django Reinhards Musik gibt es teilweise Transkriptionen“, erklärt Katz, „aber von Grappelli gibt es praktisch gar nichts.“ Also setzte Katz sich hin, hörte Aufnahmen durch und transkribierte sie. „Und wenn man das dann hat, muss man der Musik Leben einhauchen. Wir wollten sie schon möglichst authentisch spielen – nicht im Sinne einer Kopie, aber wir wollten Klang, Spielweise und Spirit der Musik genau treffen.“
Inzwischen haben sich die Django‚s Tigers schon einen gewissen Namen erspielt – in Konstanz, aber auch darüber hinaus. Auch auf Jazzfestivals in St. Gallen oder Kreuzlingen haben sie schon gespielt. Dass sie bald nach ihrem ersten Konzert eine Einladung aus Korea erhalten würden, damit hatten die Django‚s allerdings nicht gerechnet.
Überraschung aus Korea
Lag es an der jungen Koreanerin, die an dem Abend vor der Bühne tanzte, filmte und Selfies machte? Irgendwie gelangten die Aufnahmen wohl über die Sozialen Netzwerke an das Tongyeong International Music Festival, das die Djangos dann zu einem Auftritt einlud. Genauer gesagt kam die Einladung von einem alten Bekannten: Von Florian Riem, dem ehemaligen Philharmonie-Intendanten. Er ist inzwischen Chef der Tongyeong International Music Foundation (TIMF) und der Tongyeong Concert Hall. Zwei Mal spielten Django‚s Tigers auf dem Festival in der südkoreanischen Stadt Tongyeong. Wie es so schön heißt: Die Welt ist klein. Die Musikwelt sowieso. Und irgendwo schließt sich immer wieder ein Kreis.
In unserer Reihe „Kammermusik im Gespräch“ stellen wir in loser Folge einige der Formationen vor, die beim Classical Slam am 7. Juli auftreten. Django‚s Tigers beschließen den Marathon um 21.45 Uhr.
Der Classical Slam und was sonst noch im Lustschloss los ist
Lustschloss nennt sich die temporäre Spielstätte, die im Juli neben dem Konstanzer Bodenseeforum am Seerhein aufgebaut wird. Die Südwestdeutsche Philharmonie nutzt das Zelt zwei Wochen lang für verschiedene Projekte, unter anderem für den Classical Slam.
- „Daheim. Eine Odyssee“ ist ein großes musikalisch-theatrales Beteiligungsprojekt, das ein Profiteam (mit Oliver Wnuk als Autor und Schauspieler) mit über 600 Schülern und Menschen aus Konstanz und der Region entwickelt hat. Zentrales Thema des Kunstwerks: „Was ist daheim? Und wie komme ich dorthin?“ Mit Musik von Bach, Beethoven, Mahler und anderen treten die kleinen und großen Darsteller ihren odysseeartigen Heimweg an. Aufführungstermine: 4. und 5. Juli, 19 Uhr
- „Glamrock in Concert“ ist ein Abend mit Queen-Songs in Arrangement für Band und Orchester. Am 11. Juli, 19.30 Uhr. Wiederaufnahme im Bodenseeforum und Milchwerk Radolfzell in der Reihe „Unlimited“ (19./25. Oktober).
- Beim „Classical Slam“ am 7. Juli stellen sich die verschiedensten Ensembles der Südwestdeutschen Philharmonie in einem Konzertmarathon vor. Er startet um 11.15 Uhr mit Barockmusik und endet mit einem Konzert der Django‘s Tigers (21.45 Uhr).
- Klassik am See findet in diesem Jahr ebenfalls im Lustschloss und nicht im Stadtgarten statt. Es erklingen Auszüge aus Bizets „Carmen“. 14. Juli, 11 Uhr.
- SeppDeppSeptett. Philharmonie-Trompeter Valetin Erny und seine sieben Kollegen bieten mit ihrem Märchenprogramm „Acht auf einen Streich“ eine Mischung aus Blasmusik, humoristischem Theater, Tanz, Gesang und Comedy. Am 14. Juli um 18 Uhr. (esd)
Infos: http://www.lustschloss-am-seerhein.de