Eigentlich hat alles in der Walschburger-Krise angefangen, erzählt der Philharmonie-Klarinettist Erich Born. Walschburger-Krise? Man muss schon ein bisschen in der Geschichte der Südwestdeutschen Philharmonie kramen, um mit diesem Begriff noch etwas anzufangen. Für die Musiker aber ist diese Krise ein Trauma. Der Geschäftsführer Werner Walschburger – den Posten des Intendanten gab es damals noch nicht – hatte Misswirtschaft betrieben und 1992 im Zuge einer Japan-Tournee ein Defizit von rund einer Million D-Mark erwirtschaftet. Das wirkt auch deswegen bis heute so traumatisch nach, weil sich die Situation unter der Intendanz von Florian Riem (2002-2008) noch einmal ähnlich wiederholte.

Die Musiker tragen dafür zwar keine Verantwortung, aber eine solche Krise zerrt an den Nerven. „Es gab einfach nur noch viel negative Presse. Wir Musiker waren ganz frustriert“, erinnert sich Erich Born. „Wir haben dann überlegt, was wir tun können, um uns in unserer Kernkompetenz zu stärken.“ So sei die Idee entwickelt worden, eine Kammermusikreihe zu gründen. Heute sind die Kammermusikkonzerte, die von Musikern des Orchesters gespielt werden, ein selbstverständlicher Bestandteil der Saisonprogramme.

Kammermusik erfordert mehr Eigenverantwortung

Damals also begannen sich innerhalb der Philharmonie verschiedene Kammermusik-Ensembles zu formieren. Das erste war das Miroir Quintett – ein Ensemble aus Flöte (Gabriel Ahumada), Oboe (Alexander Hanßmann), Klarinette (Erich Born), Fagott (Yuki Kishikawa) und Horn (Hubert Renner). 1996 gegründet, besteht es inzwischen seit 23 Jahren, und zwar in der Originalbesetzung. Und das, obwohl der Hornist Hubert Renner inzwischen nicht mehr in Konstanz lebt, sondern ins Sinfonieorchester St. Gallen gewechselt ist.

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Kammermusik zu spielen ist nicht dasselbe, wie im Orchester zu sitzen. Dort gibt ein Dirigent die Richtung vor. Kammermusik hingegen fordert mehr Eigenverantwortung von den Musikern. Und sie müssen sich einigen können. Fünf Musiker haben fünf verschiedene Vorstellungen von der Interpretation eines Stückes. Das birgt auch Konfliktpotential. Da ist es gut, wenn man sich kennt und sich gegenseitig respektiert.

Es menschelt im Ensemble

„Wenn man mit Leuten zusammenspielt, die man nicht so gut kennt, dann gibt es zwei Möglichkeiten“, erklärt Alexander Hanßmann. „Entweder man bleibt eher an der Oberfläche und meidet Konflikte oder man geht ins Detail – und dann kann es sehr schnell auch krachen, weil man auch mal Kritik üben muss.“ Klar, dass künstlerische Auseinandersetzungen schnell auch zu persönlichen Verletzungen führen können.

„Anfangs mussten wir das auch lernen, wie man im Ensemble miteinander umgeht“, erinnert sich Erich Born. „Ich zum Beispiel war öfter mal beleidigt,“ gibt er offen zu und lacht. Der Ehrgeiz, das Ensemblespiel zu lernen, war bei den Miroir-Musikern allerdings auch groß. „Wir waren ernsthaft daran interessiert, neben dem Orchesterdienst Kammermusik auf hohem Niveau zu machen“, so Gabriel Ahumada. Und so sattelten die Musiker parallel zu ihrer Orchesterarbeit ein Studium für Ensemblespiel in Trossingen auf. Zwei Jahre lang nahmen sie Unterricht bei Hanßmanns Oboenlehrer Diethelm Jonas, dessen Unterricht die Miroirs noch heute in den höchsten Tönen loben.

Spiegelungen

Wieso eigentlich Miroir-Quintett? Woher dieser französische Name? Miroir heißt Spiegel. Eines Tages, als die Musiker sich gerade über einen Namen für ihr Ensemble den Kopf zerbrachen, blickten sie von ihrem damaligen Proberaum hinaus auf den Seerhein – und bewunderten die Spiegelungen auf dem Wasser. Spiegelungen – Spiegel – Miroir. Plötzlich war der Name da – und spiegelt letztlich auch die Herkunft des Ensembles vom Bodensee.

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Und was spielt man nun so als Bläserquintett? Einerseits gilt die Gattung als Gegenstück zum Streichquartett. Andererseits fallen einem beim Streichquartett sofort berühmte Werke berühmter Komponisten wie Mozart, Beethoven oder Bartók ein. Das ist beim Bläserquintett nicht so. Es erreichte im bürgerlichen Musikleben nie dasselbe Ansehen wie die Königsgattung Streichquartett. „Es gibt tolle Sachen, aber das Repertoire ist begrenzt“, sagt Hanßmann. „Es ist ein bisschen eine Nische – Musik für Kenner eben.“

Peter gegen den Wolf

Beim Classical Slam am 7. Juli im Lustschloss am Seerhein in Konstanz tritt das Miroir Quintett mit einem Projekt für die ganze Familie an. Es nennt sich „Peter gegen den Wolf“ und knüpft augenzwinkernd an Prokofiews „Peter und der Wolf“ an. Der Wolf steht jetzt vor Gericht. Schließlich hat er die Ente gefressen. Oder doch nicht? Er selbst leugnet das. Es beginnt ein Indizienprozess, bei dem Prokofiews Musik nun gleichsam in den Zeugenstand gerufen wird. Das Miroir Quintett hat sich für dieses Projekt mit einem Schauspieler und einer Schauspielerin zusammengetan.

„Für uns Orchestermusiker ist die Kammermusik ein super Ausgleich“, findet Gabriel Ahumada. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, nur noch Dienste zu spielen und darauf zu warten, dass die Rente kommt. Wir machen im Miroir Quintett nach wie vor anspruchsvolle Projekte. Und diesen Anspruch geben wir nicht auf.“