Der Abschied vom klassischen Rap kommt schleichend. Dass rockige Gitarrenklänge es seit einigen Jahren schwer haben, ist bekannt. Nicht zuletzt beim Southside in Neuhausen ob Eck sind seit Jahren weniger Rockstars und mehr andere Künstler, auch aus dem Hip Hop, zu hören. Doch auch der Thron vom gerappten Wort wackelt. Zumindest für Rapper, die Sprechgesang zelebrieren und etwas zu sagen haben.

Eminem ist so jemand. Als er sich im vergangenen Jahr für das nach eigenen Angaben größte Festival für urbane Musik im schweizerischen Frauenfeld ankündigte, waren die Karten innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. In diesem Jahr gab es keinen Eminem und dem Trend der vergangenen Jahre folgend insgesamt weniger Künstler, die Rap in seiner Urform präsentierten. Rap ist ursprünglich die Musik von Schwarzen, die in unterprivilegierten Vierteln wie der Bronx lebten und mit Rap soziale Missstände anklagen wollten. Jetzt kritisert Eminem einen Missstand im Rap und fragt in seinem Song „Lucky You“: „Why don‘t we make a bunch of fuckin‘ Songs about nothin‘ and mumble!“ (Warum machen wir nicht eine Menge verdammter Songs über nichts und murmeln sie dann!)

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Erfolgreicher als die Beatles oder Abba

Die Charts sind dafür ein Stimmungsbild. Kein deutscher Rapper ist so erfolgreich wie Capital Bra, er hat inzwischen mehr Nummer-Eins-Titel gesammelt als die Beatles oder Abba. Doch zu sagen hat der Berliner mit osteuropäischen Wurzeln nicht viel. Seine Worte kreisen um Stereotypen des Gangsterraps, etwa um das Ersaufen von Sorgen („Tilidin“) oder ein Junkie-Dasein („Zombie“). Mit sorgfältig abgemischten Klängen wird aus wenigen Zeilen ein Song und Charterfolg.

Dieses Phänomen ließ sich auch in den vergangenen Tagen beim Openair Frauenfeld beobachten. Der Rapper Future eröffnet die Bühne mit „I woke up in a new Bugatti“ (Ich bin in einem neuen Bugatti aufgewacht). Und in Titeln von Ufo361 geht es besonders darum, dass sein Babe ihm einen Shot holen soll („Shot“ ist aktuell Platz neun der deutschen Charts) oder wie erfolgreich er ist („Balenciaga“). Untrügliches Zeichen für wenig Inhalt: Ein „Ja“ nach jeder gesprochenen Zeile.

Lyrische Meisterwerke braucht es nicht

Auch Cardi B glänzt weniger mit lyrischen Meisterwerken als mit einem Gesamtkunstwerk, die sie von der Stripperin zur Millionärin befördert haben. Die US-Amerikanerin präsentierte als eine von drei Headlinern eine Show, bei der Inhalt neben Klang auch der Optik weichen musste: Auf allen vieren zeigte sie deutlich, womit sie vor Charterfolgen ihr Geld verdiente. Inzwischen lebt sie auch das Leben einer Bilderbuch-Familie – und Ehemann Offset ist kein Unbekannter. Er war mit Migos vergangenes Jahr ein Headliner in Frauenfeld. Das Trio erklärt offen, in erster Linie am Sound zu arbeiten. Wer bei Titeln wie „Walk It Talk It“ nach einem tieferen Sinn sucht, wird schwer fündig.

Marteria und Casper kehrten zum Openair Frauenfeld zurück – erstmals gemeinsam.
Marteria und Casper kehrten zum Openair Frauenfeld zurück – erstmals gemeinsam. | Bild: Arndt, Isabelle

Inhalt und Klang können auch Hand in Hand gehen

Doch es gibt sie noch, die Rapper mit Inhalten. Wenn zwei erfolgreiche Rapper gemeinsame Sache machen, kann das so gut klingen wie bei Casper und Marteria. „1982“ heißt das gemeinsame Album, im gleichnamigen Song beschreiben sie ihre Anfänge vom Schlüsselkind im Etagenbett (Casper) und Strandkinder-Dasein (Marteria). Die beiden beweisen, dass Inhalt und Klang auch Hand in Hand gehen können. Und weil sie diese Musik selbst so feiern, gesellen sie sich anschließend zum Publikum, um bei Trettmann mitzufeiern.

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Bild 2: Der Rap hat nicht mehr viel zu sagen, zeigt sich beim Openair Frauenfeld
Bild: Arndt, Isabelle

Hier lohnt sich noch das Hinhören

Vier Künstler zeigten beim Openair Frauenfeld auch Hip-Hop mit Inhalt:

  • MoTrip überzeugte bei seiner Premiere in Frauenfeld mit ehrlichen deutschen Zeilen, ob es um Liebe („Immer wieder“, „Ja“) oder Gesellschaftskritik geht. Mit „So wie du bist“ war er bereits Chartliebling. In „Feuerwehrmann“ rappt er: „Die ganze Welt brennt lichterloh/Die Zukunft vor uns steht in Flammen/Ich wäre gerne Feuerwehrmann“. Das Publikum hätte ihm gerne einen Feuerwehrschlauch gereicht.
  • G-Eazy war vor zwei Jahren bereits mit bekannten Titeln wie „Me Myself and I“ in Frauenfeld. Dieses Jahr brachte der US-Amerikaner erneut auch deutliche politische Botschaften mit: In „FDT (Fuck Donald Trump)“ fragt er sich mit mit YG und Macklemore, wie es so weit kommen konnte. „He too rich, he ain‘t got the answers/He can‘t make decisions for this country, he gon‘ crash us“ – Er ist zu reich und hat keine Antworten/Er kann keine Entscheidungen für dieses Land treffen, er wird uns gegen die Wand fahren.
  • Raf Camora und Bonez MC mischen Rap mit Dancehall und sind damit so erfolgreich, dass sie nach einem ersten Versuch 2016 weitermachen mit dem Album „Palmen aus Plastik 2“. Titel wie „Risiko“ oder „500 PS“ machen Spaß und sind auch selbstironisch: „So viele Waffen in Videoclips/ziehen manchmal Probleme mit sich/Mann, wir legen halt Wert auf Authentik/Einhunderprozentig, sonst geht das doch nicht“. Kaum einer verstand es am Wochenende, so eine gute Show zu machen. Die beiden zauberten sogar ein riesiges Krokodil auf die Bühne, genannt Brutus.