Und plötzlich geht alles ganz schnell. Sogar in Berlin. Nur drei Wochen nachdem der Deutsche Bundestag die Finanzierung für das Museum des 20. Jahrhunderts sicherstellt, erfolgt auch schon der erste Spatenstich. Und dennoch hat Berlins Regierender Bürgermeister Matthias Müller recht, wenn er schmunzelnd meint, niemand könne behaupten, das Projekt werde überstürzt in Angriff genommen. Denn die Vorgeschichte ist lang. Seit zehn Jahren klagt die Neue Nationalgalerie, dass sie rund 4000 Werke namhafter zeitgenössischer Künstler im Depot unterbringen muss. Noch dringlicher wird die Situation, als das Sammlerehepaar Ulla und Heiner Pietzsch 2009 dem Bund seine wertvolle Sammlung zeitgenössischer Kunst vermacht.
Zudem klafft im kulturellen Zentrum Berlins zwischen Neuer Nationalgalerie, Philharmonie und dem Kulturforum eine Baulücke, die angemessen geschlossen gehört. Genau dort soll es also hin, das Museum der Moderne, oder wie es inzwischen heißt, das Museum des 20. Jahrhunderts mit seinen 9000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Aber Jahrhundertaufgaben brauchen ihre Zeit. Zunächst wird um wird den Standort gestritten, bis 2014 der Bundestag 200 Millionen für das Projekt bewilligt. Dem folgt ein langwieriger Architektenwettbewerb, den das Basler Büro Herzog & de Meuron gewinnt. Doch je konkreter das Projekt wird, desto mehr Probleme tun sich auf.
Da muss die Fläche verkleinert werden, weil das Museum der benachbarten Matthäus-Kirche zu nahe kommt, da rührt sich Kritik an der schlichten Ästhetik des Hauses, und mit der Bauausführung wird nicht das eigentlich zuständige Berliner Bundesbauamt beauftragt, sondern der als zuverlässiger geltende Landesbetrieb Bundesbau aus Baden-Württemberg. Außerdem ist noch eine ganze Straße zu verlegen. Wie bei allen größeren öffentlichen Aufgaben verdoppeln sich auch noch die Kosten.
Verständlich, dass das Ehepaar Pietzsch ungeduldig wird und über einen anderen Adressaten für die Schenkung nachdenkt. Das wiederum hilft dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, so viel Druck aufzubauen, dass mit dem Spatenstich jetzt noch kurz vor Jahresende die Pietzsch-Sammlung gerettet ist.

Und so ist die Stimmung beim Spatenstich aufgeräumt. Staatsministerin Monika Grütters entfährt sogar ein „Halleluja“, als um zwölf Uhr mittags bei strahlendem Sonnerschein auch noch die Glocken der gegenüberliegenden Matthäus-Kirche läuten. Bürgermeister Müller lobt den „wunderbaren Tag“ und Hermann Parzinger meint, mit dem Bau könne das Museum dorthin aufschließen, wo sich die Sammlung bereits befinde: zur Weltspitze. Udo Kittelmann, der Leiter der Nationalgalerie, sieht in dem Bauvorhaben gar ein Bekenntnis zur Kulturnation.
Architekt Jacques Herzog lässt sich auch von Kritik und Spott nicht entmutigen. Damals sei Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie mit dem Aussehen einer Tankstelle verglichen worden und Hans Scharouns Philharmonie bekam aufgrund seines Manegen-artigen Konzertsaals den Spitznamen Zirkus Karajani“. Beide Gebäude gehören heute zu den Aushängeschildern Berlins. Deshalb könne er gut damit leben, wenn das von seinem Büro gestaltete Museum mit einer Scheune verglichen werde.
Kein „koste es, was es wolle“
Wenn es um Großes geht, darf es am Geld nicht scheitern, so der Tenor. Doch Monika Grütters warnt: Ein „koste es, was es wolle“, werde es nicht geben“. Aus diesem Grund muss der Bundestag alle sechs Monate über die Kostenentwicklung informiert werden. Bisher sind 364 Millionen bewilligt, 164 Millionen mehr als anfänglich geplant. Für Unvorhergesehenes stehen weitere 90 Millionen bereit. Doch Fachleute gehen davon aus, dass diese 450 Millionen bis zur Eröffnung im Jahr 2026 nicht reichen werden. Sie rechnen mit 600 Millionen. Doch was können einem Jahrhundertprojekt schon halbjährliche Kostenrapporte anhaben? Auch die Hamburger Elbphilharmonie kennt inzwischen keine Kritiker mehr, sondern nur noch begeisterte Fans.