Herr Raabe, „Kein Schwein ruft mich an“, beklagen Sie sich in Ihrem ersten Hit aus dem Jahr 1992. In diesem Augenblick meldet sich nun ein Journalist, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Bekommen Sie gerne solche Anrufe?
Das ist schon wichtig für uns. Wir haben jetzt ein neues Album auf dem Markt und gehen auf Tournee. Wenn darüber nicht berichtet wird, dann versandet das.
Max Raabe ist ein Künstlername. Ist Max Raabe auch eine Kunstfigur?
Sobald ich meinen Frack anziehe, bin ich in der Rolle. Wenn ich den Frack dann wieder ablege, bleibt immer noch etwas hängen von dem, was ich auf der Bühne getan habe. Aber eigentlich kann ich das gut trennen.
Sie haben im Jahr 1986 noch als Gesangsstudent in Berlin das Palast Orchester mitgegründet, um die Musik aus den Goldenen Zwanzigerjahren zu spielen. Warum diese Schlager, warum diese Zeit?
Ich hatte immer schon ein Faible für dieses Repertoire. Als ich noch Messdiener war, habe ich mir zuhause den Hochzeitszylinder meines Vaters aufgesetzt und mit einem Freund am Klavier bei bunten Abenden „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ gesungen. Als ich dann zum Gesangsstudium nach Berlin gekommen bin, fand ich auf dem Flohmarkt Orchesterarrangements dieser alten Schlager. Diese Sachen spielten wir bei Studentenbällen. Das kam von Beginn an sehr gut an. Diese Lieder haben etwas Zeitloses – einen Witz, der auch heute noch zündet.
Auf der Bühne strahlen Sie auch eine ironische Distanz zu den Liedern und zu den Texten aus. Wie wichtig ist Ironie für Ihren Umgang mit dieser musikalischen Vergangenheit?
Ich nehme die Kompositionen und Texte sehr ernst und versuche auch nicht, auf der Bühne komisch zu sein, sondern die Texte und die Eleganz der Melodien für sich sprechen zu lassen. Die Ironie, die Sie da sehen, habe ich mir gegenüber. Mich selbst nehme ich nicht ernst. Aber das, was wir mit dem Palast Orchester machen, nehmen wir sehr ernst.
Dem Stil der 20er-Jahre sind Sie auch bei den neu komponierten Stücken treu geblieben. Auf dem neuen MTV-Unplugged-Album arbeiten Sie mit ungewöhnlichen Gästen zusammen, die aus ganz anderen Musikrichtungen kommen wie Herbert Grönemeyer, Namika, Samy Deluxe oder die finnische Hardrock-Gruppe Lordi. Haben Sie die Gesangspartner ausgewählt?
Selbstverständlich. Wir hatten die Idee, für dieses MTV-Unplugged-Album Künstler einzuladen, auf die man nie käme, wenn man an Max Raabe und das Palast Orchester denkt. Der Reiz für mich war, dass sich diese Interpreten auf unser Repertoire einlassen und sich in unsere Welt begeben.
Sie fangen auf dem Album aber nicht an zu rappen oder zu grölen, sondern bleiben Ihrer Art zu singen treu – mit feinem Falsett, schönem Legato, stark gerolltem R und weicher Tiefe. Hat die Begegnung mit den musikalischen Gästen Sie trotzdem beeinflusst?
Es macht einfach Spaß, mit Leuten zu arbeiten, die begabt sind und einen eigenen Blick auf Stücke werfen, die man zu kennen glaubt. Am Eindrücklichsten war das bei Herbert Grönemeyer, der das Lied „Du weißt nichts von Liebe“, das ich zusammen mit Annette Humpe geschrieben habe, auf eine Art und Weise interpretiert hat, auf die ich nie gekommen wäre. Er hat das Stück komplett neu hingestellt. Das Lied hat eine solche Kraft entwickelt, dass mir fast die Tränen gekommen wären.
Ist in Ihrer aktuellen Live-Show mit dem Titel „Der perfekte Moment wird heut‘ verpennt“, mit der Sie und das Palast Orchester am 16. November im Festspielhaus Baden-Baden gastieren, etwas von dieser Zusammenarbeit eingeflossen?
Wir übernehmen Stücke aus dem neuen Album, die dann vielleicht ein wenig anders klingen als gewohnt. Gäste haben wir allerdings keine dabei. Und ich werde mich auch nicht am Rap-Part von Samy Deluxe versuche.
Es wird gegenwärtig auch in der klassischen Musik sehr darüber diskutiert, wie politisch ein Künstler sein muss. Können Sie sich als Künstler auch hinter der Kunstfigur Max Raabe verstecken? Ihre Ansagen zwischen den Stücken sind anders als beispielsweise von Herbert Grönemeyer bei seinen Konzerten.
Meine Ansagen haben immer Ironie und Distanz. Ich kann jetzt nicht plötzlich anfangen, den Leuten die Welt zu erklären. Das passt nicht zu mir. Und passt auch nicht zu dem, was ich auf der Bühne mache. Wenn ich mich irgendwo sozial engagieren kann oder in einer Talkshow nach meiner Meinung zu Rechtsextremismus gefragt werde, dann bin ich natürlich dabei. Meine politische Meinung kann jeder von mir hören, nur nicht bei unseren Konzerten.
Fragen: Georg RudigerNeues Album: Max Raabe & Palast Orchester, MTV Unplugged, VÖ: 22.11.2019
Konzerttermine: Max Raabe live in Friedrichshafen (Graf-Zeppelin-Haus, 14.November) und Donaueschingen (Donauhallen, 15.November)