Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten. Heute ist der Rapper Prinz Pi an der Reihe.
Halten Sie Geheimnislosigkeit für ein Gebot der Ehe oder finden Sie, dass gerade das Geheimnis, das zwei Menschen voreinander haben, sie verbindet?
Ich finde, jeder Mensch hat das Recht, zurückliegende Erlebnisse, vor allem Traumata, für sich zu behalten. Wichtig ist nur, dem Partner zu sagen: Es gibt da Geschehnisse, über die kann ich schwer sprechen, vielleicht auch weil das eine Retraumatisierung mit sich bringen würde.
Ansonsten finde ich eher, dass man an gemeinsamen Geheimnissen arbeiten muss: Meine Frau und ich habe eine ganz Welt aus sprachlichen Codes, die wir mit bestimmten Erinnerungen verbinden – und dass nur wir beide diese Codes dechiffrieren können, macht sie für uns kostbar und gibt uns das Gefühl einen geistigen Raum zu haben, wo sonst niemand rein darf.
Wann haben Sie aufgehört zu meinen, dass Sie klüger werden oder meinen Sie‘s noch? Angabe des Alters.
Die Frage ist doch zuerst, wie man Klugheit definiert. Wenn ich in die sozialen schaue, dann gilt die Person als Klügste, die einen substanziellen materiellen Reichtum angehäuft und einen Weg gefunden hat, passiv weiter Geld zu verdienen. Die verbleibende Lebenszeit wird dann mit Müßiggang in einem möglichst luxuriösen Umfeld verbracht. Ich halte dieses Idealbild für problematisch, aber auch für symptomatisch für unsere Gesellschaft.
Mein eigener Weg sieht anders aus: Ich will mein anwendbares Wissen vergrößern – ob dieses dann mit Klugheit gleichzusetzen ist, weiß ich nicht. Ich mag es, dazuzulernen. Darum lese ich soviel ich kann. Mein Pensum an gelesenen Büchern wurde nicht kleiner seit dem Studium.
Haben Sie schon Auswanderung erwogen?
Ja, aber nur aus Berlin in Richtung Süddeutschland. Ich mag Freiburg oder die Gegend am Bodensee, die Menschen dort scheinen positiver in die Zukunft zu blicken als in Berlin, und die Lebensqualität ist in Bayern sicher höher als im Norden.
Wie alt möchten Sie werden?
Ich würde gerne meine Kinder in dem Alter sehen, in dem ich Vater geworden bin und erleben, wie deren Leben dann ist. Natürlich würde ich gerne meine Enkelkinder noch kennenlernen und deren Aufwachsen begleiten können.
Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?
Schon seit ich ein Kind bin. Noch mehr seit ich Kinder habe.
Wann hat die Technologie begonnen, unsere menschliche Existenz nicht mehr zu erleichtern (was ursprünglich der Zweck von Geräten ist), sondern eine außer-menschliche Herrschaft über uns zu errichten und die Natur, die sie sich unterwirft, uns zu entwenden?
Die richtigere Frage lautet: Wann haben die von Algorithmen gesteuerten sozialen Medien begonnen, unsere Wahrnehmung von der Welt zu verengen, anstatt den Blick zu erweitern? Diese Algorithmen befördern Radikalisierung und eine einseitige Sichtweise: Sie stoßen uns in eine bejahende Echokammer, die suggeriert, die ganze Welt würde genauso denken. Gleichzeitig werden die gepushten Inhalte immer extremer. Das Ergebnis davon beobachten wir weltweit bei den Wahlergebnissen.
Können Sie sich eine menschliche Existenz (das heißt: die Erste Welt) überhaupt noch vorstellen ohne Computer?
Selbstverständlich, und damit bin ich nicht allein: Viele Menschen sehnen sich nach einem Ausstieg aus einem reizüberfluteten Medienalltag, der zergliedert ist in unzählige Mikroprozesse. Warum sonst sind Wörter wie „Entschleunigung“ oder „Achtsamkeit“ so im Trend und die Leute wenden sich esoterischen Ersatzreligionen und Lebensmodellen zu? Sie suchen Ruhe.