Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, die Intendanten der größten Sprechtheaterbühne der Schweiz, „haben weiter viel vor“, wie sie erklären. Basis ist vorderhand freilich ein Corona-Schutzkonzept. Mit der Performance „Orpheus“ der Gruppe Moved by the Motion (Regie: Wu Tsang) und einer Arbeit von Yana Ross startet das Schauspielhaus Zürich im Schiffbau in die neue Spielzeit.

Skandalverdächtig: „Sex und Gewalt“

Bei „Kurze Interviews mit fiesen Männern – 22 Arten der Einsamkeit“ von Ross wird vor „expliziten Darstellungen von Sex und Gewalt“ gewarnt. Dass diese ab 18 Jahren empfohlene Produktion angeblich nur „1 Prozent Sexualität“ enthält, gibt schon die Zielrichtung vor.

Nicolas Stemann ist Intendant in Zürich.
Nicolas Stemann ist Intendant in Zürich. | Bild: Flavio Karrer, Schauspielhaus Zürich

Ausgehend von einer Kurzgeschichtensammlung von David Foster Wallace (1962-2008), möchte Ross hier den Anteil „toxischer Männlichkeit“ in der (womöglich nicht wirklich erfüllten) Sexualität aufspüren.

Zum September-Premieren-Reigen gehört auch „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt im Pfauen. Das auf derselben Bühne vor 65 Jahren uraufgeführte und längst zum Klassiker geadelte Stück wird in der neuen Saison gegenwartsnah neu befragt von Nicolas Stemann.

Der „Ring“ wird korrigiert

Trajal Harrell bringt erstmals eine Choreografie in die Schiffbau-Halle: Indem hier Tänzer und Schauspieler zu einer „obskuren Versammlung schillernder Charaktere“ zusammenkommen, sollen ganz drucklos Formen entwickelt und Körperkräfte freigesetzt werden.

Der Autor Necati Öziri, der Regisseur Christopher Rüping und eine Komponistenschar „korrigieren“ Wagners Mammut-Opus „Der Ring des Nibelungen“.

Alexander Giesche übersetzt den Roman „Momo“ von Michael Ende in ein „visuelles Gedicht“. In der kooperierenden Kunsthalle setzt sich Trajal Harrell mit der afroamerikanischen Tanzkünstlerin und Aktivistin Katherine Dunham (1909-2006) auseinander.

Moved by the Motion, Wu Tsang und das Zürcher Kammerorchester verwandeln „Moby Dick“ in einen Stummfilm mit Live-Orchester-Klängen.

Klassiker in neuem Licht

Nach Shakespeares „Macbeth“ und angeregt auch von der Philosophie einer indigenen Gruppe aus dem Amazonas-Gebiet, zeigt Christiane Jatahy in ihrer Regiearbeit „Before the Sky Falls“ („Bevor der Himmel einstürzt“) machtbesessene Männer – und Frauen, die sich wehren. Jatahy ist eine der „Related Artists“ des Schauspielhauses.

Als weitere mit dem Haus verknüpfte Theaterkünstler präsentieren Milo Rau eine besondere Lesart von Schillers „Wilhelm Tell“ und Johan Simons eine Inszenierung von Shakespeares „King Lear“.

„König der Frösche“

Premiere hat auch Nicolas Stemanns „König der Frösche“, eine Überschreibung des Grimm-Märchens „Der Froschkönig“ für „Menschen ab 8“. Der Regisseur Sebastian Nübling, der Choreograf Ives Thuwis und 14 Performer fragt in dem als Gastspielserie gezeigten „born to shine“, ob wir, online und offline ständig von Eindrücken bestürmt, noch die Übersicht bewahren können.

Als Übernahme von den Münchner Kammerspielen kommt „Der Vater“ nach August Strindberg in der Regie von Nicolas Stemann nach Zürich, und Leonie Böhms „Räuberinnen“ (nach Schillers „Räubern“) gastieren im Pfauen.

Infos zum Programm und Corona-Schutzkonzept: www.schauspielhaus.ch