Als in den 80er-Jahren die D-Mark-Scheine ein neues Design erhalten sollten, beauftragte die Bundesbank drei renommierte Historiker. Karl Otmar von Aretin, Knut Borchardt und Horst Fuhrmann sollten Persönlichkeiten bestimmen, deren Porträt dieser Währung würdig ist. Sie einigten sich auf Literaten (Bettina von Arnim, Annette von Droste-Hülshoff, die Brüder Grimm), Wissenschaftler (Carl Friedrich Gauß, Paul Ehrlich, Maria Sibylla Merian), einen Architekten (Balthasar Neumann), eine Musikerin (Clara Schumann). Nicht dabei: Unternehmer, Oligarchen, Tycoons.
Sollte die Europäische Zentralbank einmal auf den Gedanken kommen, nach geeigneten Köpfen für unsere Euroscheine zu suchen – man wagt gar nicht daran zu denken. Denn als Vordenker und inspirierende Köpfe haben Dichter und Denker ja längst ausgedient. Statt Grimm oder Gauß hieße es dann: Elon Musk, Steve Jobs, Jeff Bezos. Oder auch Carsten Maschmeyer und Frank Thelen, falls es denn unbedingt europäisch sein muss.
Letzterer spricht sich dafür aus, unsere Lehrpläne von Büchern zu befreien, die mit Geschichten über zerfallende Familien und kriselnde Existenzen unnötig schlechte Laune verbreiten. Lieber die Erfolgsbiografien aus Silicon Valley: Musk statt Mann!
Ein Vorbild zeichnet sich dadurch aus, dass es jedermann möglich ist, seinem Beispiel zu folgen. Es kann gar nicht zu viele Personen geben, die sich Kraft ihres Geistes in den Dienst der Menschheit stellen. Nicht zu viele Ärzte wie Paul Ehrlich, nicht zu viele Musiker wie Clara Schumann, nicht zu viele Denker wie Carl Friedrich Gauß.
Der Bedarf an Multimilliardären dagegen ist auf diesem Planeten notwendigerweise begrenzt. Mit Superjachten durch die Weltmeere kreuzen, in privaten Raumschiffen zum Mond fliegen: Das kann nur, wer mit seinem Vermögen ganze Staatshaushalte im Würgegriff hält und Heerscharen von Angestellten allein für sich arbeiten lässt. Dieses Lebensmodell soll gar nicht andere inspirieren. Es ist im Gegenteil darauf angewiesen, dass möglichst wenige ihm nacheifern. Denn ohne Diener kein Herrscher, ohne Armut kein Reichtum.
Trugbild statt Vorbild
Nun schläft es sich ruhiger mit gutem Gewissen. Multimilliardäre erzählen deshalb gerne das Märchen vom Luxus für jedermann: Nähmen wir uns alle nur an ihnen ein Beispiel, so könnten auch wir bald auf dem Sonnendeck unserer eigenen Superjacht liegen. Selbst schuld, wer zu faul dazu ist! Doch dabei handelt es sich nicht um ein Vorbild. Sondern um ein Trugbild.
Denn die uns zur Nachahmung empfohlenen Erfolgsbiografien bringen der Menschheit weder Frieden noch Freiheit oder Wohlstand. Sie sind bestenfalls Lektionen in der Kunst des Vordrängelns, Ellenbogenausfahrens, Zerstörens. Ein Baumeister wie Balthasar Neumann wäre kaum auf die Idee gekommen, in erster Linie mit Abriss sein Geld zu verdienen – die Geistesgrößen unserer Tage nennen das „Disruption“ und sind stolz darauf.
Das Tübinger Pharmaunternehmen Curevac hat mit Musk seine Erfahrungen gesammelt. Erst übernahm dessen Firma Tesla einen Kooperationspartner und stoppte alle Forschungsprojekte. Dann reiste Curevac-Chef Franz-Werner Haas nach Kalifornien, um den Tesla-Cheftechnologen umzustimmen. „Er sagte: Ich verstehe kein Wort“, erzählte Haas später. „Aber ihr wollt offenbar eine alte Technik einreißen. Let‘s go!“
Einfach erstmal alles kaputtmachen, dann wird sich schon zeigen, welches neue Geschäft sich aus den Trümmern ziehen lässt. Wohin diese jahrelang gepflegte Huldigung des Prinzips verbrannter Erde führt, sehen wir jetzt. Sollte die Europäische Union es wagen, Elon Musks Plattform „X“ im Sinne ihrer medienrechtlichen Standards
zu regulieren, droht nach Aussage des künftigen US-Vizepräsidenten J.D. Vance der Nato-Austritt. Europa darf sich dann entscheiden, wem es seine Freiheit verkauft: einem russischen Despoten oder einem amerikanischen Geschäftsmann. Let‘s go.