Ein Blitz, gefolgt von einer Reihe von hellen Leuchtspuren, die sich für wenige Sekunden in Richtung Erde bewegen und dann verschwinden. So beschreiben Augenzeugen, was in der Nacht auf Mittwoch am Himmel über Süddeutschland zu sehen war.

Im Weltraum wird es eng

Was einige für einen Meteoriten und andere für einen Verkehrsunfall in den Wolken hielten, war in Wirklichkeit ein Satellit des US-Milliardärs Elon Musk, der spektakulär in der Atmosphäre verglühte.

Himmelsgucker werden sich an das Phänomen gewöhnen müssen. Denn im Orbit wird es eng. Wo bis vor Kurzem wenige Schulbus-große Forschungs- und Wettersatelliten und eine überschaubare Zahl GPS- und Militärsatelliten am Himmel standen, werden schon in wenigen Jahren Zehntausende kommerziell genutzter Erdtrabanten ihre Kreise ziehen.

Tech-Unternehmer Musk: Rücksichtslos im All unterwegs?
Tech-Unternehmer Musk: Rücksichtslos im All unterwegs? | Bild: JUAN BARRETO, AFP

Deren Anzahl steigt rapide. Allein Musks Firma Starlink hat seit 2019 etwa 5000 Mini-Satelliten in den Orbit befördert. 42.000 sollen es werden. Konkurrenten wie Oneweb oder der Versandhändler Amazon mit seinem Kuiper-Dienst platzieren derzeit ebenfalls Tausende Flugkörper in der Umlaufbahn.

Schnelles Internet aus dem All ist Milliardengeschäft

Ihr Ziel ist der Aufbau eines weltumspannenden Netzes an Kommunikationssatelliten, die jeden Winkel des Globus mit schnellem Internet versorgen sollen. Starlink ist dabei schon ziemlich weit. Wer heute im Schwarzwald oder auf einer nordfriesischen Hallig im Funkloch sitzt, kann den Starlink-Dienst buchen und wird mit Internet versorgt.

Auch auf Kreuzfahrtschiffen wird die Technologie gerade zum Standard. Und das ist erst der Anfang. Das wirkliche Geschäft lockt, wenn in einigen Jahren autonom fahrende Autos und hochautomatisierte Industrieanwendungen auf die Datenturbos aus dem Orbit angewiesen sind.

Satellitenfertigung von Airbus in Immenstaad am Bodensee. Hier entstehen Forschungssatelliten in kleiner Stückzahl. Das ist ein komplett ...
Satellitenfertigung von Airbus in Immenstaad am Bodensee. Hier entstehen Forschungssatelliten in kleiner Stückzahl. Das ist ein komplett anderes Geschäftsmodell, als dasjenige, das derzeit im Kommunikationsbereich für Furore sorgt. | Bild: Felix Kästle, dpa

Daher gehen die neuen Weltraum-Cowboys beim Rennen ins All nicht gerade zimperlich vor. Insbesondere Starlink ist dafür bekannt, den noch freien Platz in niederen Umlaufbahnen rücksichtslos zu besetzen. Im übertragenen Sinn hält sich das Unternehmen dabei nicht an Verkehrsregeln, die es auch anderen Unternehmen erlauben würden, sich nahtlos ins Getümmel einzuordnen.

Nicht wenige Experten sind der Meinung, das Unternehmen spiele dabei mit dem Feuer. Denn so steigt die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen erheblich. Für die europäische Weltraumagentur Esa zum Beispiel gehört es mittlerweile fast zum Tagesgeschäft, Ausweichmanöver zu fliegen, um eine Kollision mit Starlink-Sonden zu vermeiden. Das wäre der Super-Gau im All.

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Einmal geschehen breiten sich von den havarierten Satelliten Trümmerwolken aus, die auch in andere Umlaufbahnen reichen und dort wie eine Lawine immer mehr Systeme treffen könnten. Im schlimmsten Fall wären Astronauten gefährdet und es droht ein Ausfall kompletter Dienste. Folge wäre ein Blackout im All und damit auch auf der Erde – keine Navigation, keine Wettervorhersage, kein Internet.

Keine Lösung für Weltraumschrott

Die neuen Weltraumunternehmer scheinen solche Szenarien nicht zu stören. Bislang haben sie weder brauchbare Konzepte vorgelegt, um eine Vermüllung im Orbit durch ausrangierte Satelliten zu vermeiden, noch beteiligen sie sich aktiv am Aufbau von Spielregeln für alle. Das würde ihrem Geschäftsmodell schaden, das sich darauf beschränkt, in immer kürzerer Zeit immer mehr Satelliten nach oben zu schießen.

Das Verhalten erinnert frappierend an Internetplattformen wie X, Facebook oder TikTok, deren Ziel die absolute Dominanz auf dem Werbe- und Meinungsmarkt ist und die sich nicht um Kollateralschäden wie Radikalisierung, Hetze, Hass und Cyberkriminalität kümmern, die allesamt unsere Staatswesen herausfordern und unsere Gesellschaften bedrohen.

Im Orbit ist es noch nicht so weit. Aber es ist höchste Zeit, Bremsen einzuziehen, um das Wildwest im Weltall beenden.