Der Philosoph Amartya Sen erhält am Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In seinem 2010 erschienenen Buch über „Die Idee der Gerechtigkeit“ verblüfft er mit dem folgenden Beispiel: Drei Kinder streiten sich um eine Flöte. Welches der Kinder soll das Instrument bekommen?

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  • Anne soll die Flöte haben. Der Grund: Sie hatte Musikunterricht und kann als einziges der drei Kinder die Flöte spielen. Schon aus rein praktischen Gründen ist klar, dass es ungerecht wäre, ihr die Flöte zu verweigern.
  • Bob soll die Flöte haben. Er ist arm und er besitzt kein anderes Spielzeug, während die beiden anderen Kinder gut versorgt sind. Bob kann das Flötenspiel lernen.
  • Clara soll die Flöte gehören. Sie hat das Blasinstrument selbst gebaut, wochenlang daran gearbeitet und ist verständlicherweise stolz darauf.

Wie würden Sie entscheiden?

Der indische Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Amartya Sen, 86, erhält am Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Der indische Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Amartya Sen, 86, erhält am Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. | Bild: ANINDITO MUKHERJEE

In jedem Fall gilt: Alle drei Entscheidungen sind gleichermaßen vernünftig – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Das Beispiel verdeutlicht verschiedene Typen von Gerechtigkeit.

  • Antwort Nummer 1: Anne. Die Utilitaristen, orientiert am Nutzendenken, würden Anne unterstützen. Denn Annes Vergnügen und Nutzen ist größer als bei den anderen, weil nur sie Flöte spielen kann.
  • Antwort Nummer 2: Bob. Die Egalitarier würden am ehesten Bob, das ärmste Kind, unterstützen. Ihnen geht es um die Beseitigung sozialer Unterschiede, um Chancengleichheit und Zugang zu Ressourcen.
  • Antwort Nummer 3: Clara. Vertreter des Liberalismus würden Clara unterstützen, weil ihr Recht auf die Flöte auf Leistung, Arbeit und Produktivität gründet. Für sich genommen, ist jeder Ansatz gerecht. Lösen lässt sich das Problem konträrer Gerechtigkeitsvorstellungen durch Debattieren und Austarieren.