Am Ende bleibt die große Frage: Was hätte Erich Hauser gesagt? Der renommierte, 2004 verstorbende Stahlbildhauer hatte 1997 einen mit 15.000 Euro dotierten Werkstattpreis in der Rottweiler Stiftung Erich Hauser ins Leben gerufen. In diesem Jahr erhielt ihn Sergej Vutuc – und der löste mit seiner Arbeit ein ziemliches Spektakel aus. Wie also hätte der Preisstifter das gefunden?
Der Anfang, eigentlich die ganze Werkphase hätte Erich Hauser (1930-2004), dem die Förderung junger Bildhauer sehr am Herzen lag, sicherlich noch gut gefallen. Da nutzte doch tatsächlich seit langem wieder einmal ein Preisträger die idealen Bedingungen, die die riesige Werkstatthalle bietet. Hatte doch Hauser selbst seine bis zu über 30 Meter hohen, nun im umgebenden weitläufigen Skulpturenpark und in ganz Deutschland verteilten Skulpturen an diesem Ort geschaffen.

Sergej Vutuc, 1979 in Doboj, Bosnien-Herzegowina, geboren und seit 2000 in Heilbronn lebend, schnitt, sägte, bog und schweißte in Hauser-Manier während seines Aufenthaltes Edelstahlplatten und formte daraus Skulpturen. Daneben entstanden zahlreiche Gebilde aus vorgefertigten Holzsegmenten.
In ihrer ungeschliffenen Ästhetik erinnern die leicht gewölbten Arbeiten formal an die frühen Hauser-Skulpturen. Soweit wäre der Stiftungsgründer sicherlich noch kritiklos mitgegangen.
Buchstäblich erfahrbare Kunst
Doch aus den Holz- und Edelstahlskulpturen hat Vutuc eine Gesamtinstallation geschaffen, deren Einzelteile nicht nur als Ausstellungsstücke dienen, sondern auch benutzbar, besser mit Skateboards befahrbar sind. Die Verknüpfung von künstlerischen Prinzipien und funktionaler Anwendung schafft dabei eine einzigartige Verbindung zwischen Kunst, Sport und urbaner Kultur und damit eine besondere Art der Interaktion und des Erlebens.
Der kunstvolle Parcours ermöglicht Partizipation und fordert zur aktiven Teilnahme an der Kunst ein. In Rottweil, einer Stadt mit lebendiger und leidenschaftlicher Skater-Szene, findet diese Ausstellung einen idealen Platz.
Die skatebaren Objekte werden dabei nicht nur Skatern auf besondere Weise präsentiert, sondern ermöglichen auch den Betrachtern, die Kunstwerke auf einer angewandten Ebene zu erfahren. Raue, abstrahierte schwarz-weiß Fotografien ergänzen die Objekte und zeigen den Parcours in Aktion.
Für die Entwicklung dieser Fotografien hat der Künstler die alte Dunkelkammer auf dem Hauser-Areal reaktiviert. In Sound-Performances, analogen Fotografien, Film, Künstlerbücher und Skateboard-Skulpturen transportiert Sergej Vutuc so den Realismus der Straßen direkt in den Ausstellungsraum.
Weitere Ausstellung im Forum Kunst
Ortswechsel: Wenige Kilometer weiter im Zentrum der ältesten Stadt Baden-Württembergs befindet sich das Forum Kunst. Der weit über die Region bekannte Kunstverein wurde Anfang der 1970er-Jahre von Erich Hauser, der damals schon weltweites Renommee genoss, als Spielstätte für zeitgenössische Kunst ins Leben gerufen.
Alle Kunstvereine haben mittlerweile das Problem, dass sie überaltern. Eine Öffnung für eine jüngere Generation gelingt aber dann, wenn der Kunstverein sich immer wieder auch Themen nähert, die für diese Altersgruppe relevant sind. Das ist unter anderem das Skaten und die mit diesem Sport einhergehende Philosophie.
Neben der jungen Generation ist gleichzeitig auch die ältere Generation eingeladen, sich einer Kunstform zu öffnen, die inzwischen nicht nur die urbanen Zentren begleitet. Soweit die Theorie, die in der gemeinsamen Aktion der Kunststiftung Erich Hauser und des Kunstvereins Forum Kunst in die Tat umgesetzt wurde.
Kunstvoll gestaltete Skateboards
Schon während des Arbeitsaufenthaltes Vutucs stapeln sich in der Geschäftsstelle des Rottweiler Kunstvereins Schachteln. Fast alle sind gleich groß – und alle bergen ein leicht geschwungenes Multiplex-Brett aus kanadischem Ahornholz. Eigentlich werden daraus Rollbretter.
In diesem Fall ist eine andere Kompetenz aus der Skaterszene gefragt: 100 Künstler aus aller Welt waren eingeladen, sich an dem Projekt „Skateboarts II“ zu beteiligen. Etwa 80 haben die Einladung angenommen und bekamen einen Rohling, nämlich besagtes Brett zugeschickt.

Es hat in Rottweil immer wieder Einladungen zu Gruppenausstellungen mit einem vorgegebenen Objekt gegeben, ob Fahnen, Koffer, Schilder oder Hemden. Jetzt sind es eben Rollbretter. Sie alle sind kunstvoll gestaltet – mit bunter Malerei, groben Steinen, kleinen Perlen, Grafik, üppigen Figuren, oder anderem drapiert. Erich Hauser, der Motor für zeitgenössische Kunst in Rottweil, hätte sicherlich an beiden von ihm initiierten Wirkungsstätten seinen Gefallen gefunden.
„Sergej Vutuc“ in der Werkstatthalle der Kunststiftung Erich Hauser: bis 18. August Sa/So von 15-17 Uhr. „Skateboarts II“ im Forum Kunst Rottweil, Friedrichsplatz 4, bis 1. September, Di, Mi, Fr 14-17 Uhr, Do 17-20 Uhr, Sa/So 10-13 und 14-17 Uhr.