Taylor Swift erobert die Charts, räumt einen Grammy nach dem anderen ab und bricht mit ihren Alben alle Rekorde.

Seit Swift im März 2023 ihre „The Eras Tour“ gestartet hat, löst eine Schlagzeile innerhalb von Stunden die nächste ab. Es geht um Ticketpreise, Feminismus, ihr Liebesleben, ihr Privatjet, ihren Einfluss auf Tourismus, auf Amerikas BIP und die US-Wahlen.

Die „Swifties“, wie sich ihre Fans nennen, scheinen jede einzelnen News zu verschlingen. Es scheint fast so, als wäre das ganze Internet auf einem Kreuzzug, Nutzer und Nutzerinnen zu Swifties zu bekehren. Sie in den Bann zu ziehen, in eine Welt, in der man den Superbowl schaut, weil Taylor Swifts Freund über den Platz rennt. In der es irgendwie normal ist, dass die Privatjets des Weltstars pro Jahr in Summe circa siebenmal um die Erde fliegen. Und in der es total okay ist, bis zu 600 Euro für ein Konzertticket zu bezahlen. Oder?

Pro: Hohe Preise erhöhen den Reiz des Konzerts

Rasmus Peters
Rasmus Peters | Bild: Schönlein, Ute

600 Euro für ein Konzertticket? Warum nicht! Grundsätzlich: Im Vorverkauf unterschieden sich Taylor Swifts Ticketpreise nicht von denen anderer Megastars. Schon Metallica, Bruce Springsteen und U2 sprengten die 200-Euro-Marke. Für viele zerbricht deshalb der Traum, ihr Idol live zu sehen. Bei Swift erreichen die Kosten nun allerdings neue Ausmaße. Auf Wiederverkaufsplattformen gehen die Preise höher als je zuvor und aufgrund dynamischer Preisgestaltung sind Ticketpreise in den Vereinigten Staaten mitunter vierstellig. Doch selbst Tausende für ein Konzert auszugeben hat seine Rechtfertigung, denn es geht schlicht um mehr als um Geld.

Denn ein Kulturereignis darf nicht am Preis festgemacht werden! Kultur ist ausschließlich menschengemacht. Menschenarbeit ist teuer, weil sie keine Maschine übernehmen kann. Eine Entwicklung der Industrialisierung. Man stelle sich vor, das sind alles Handwerker – die Tournee und die damit verbundenen Aufbauten wäre eine Großbaustelle. Dass die Geld verschlingen, ist nicht erst seit Stuttgart 21 bekannt. Vor allem aber, sind es Menschen, die ihr Gehalt aufgrund harter körperlicher Arbeit verdienen. Gegenfinanziert werden die durch Ticketeinnahmen. Nicht nur bei Taylor Swift. Wie andere Stars steht auch bei Taylor Swift der Name nicht nur für die Musikerin. Es ist zugleich eine Marke und ein Unternehmen – mit Mitarbeitern, die bezahlt werden müssen.

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Das People-Magazine berichtet von 55 Millionen Dollar Bonus für ihre Mitarbeiter. Das sind Tänzer, Lastwagenfahrer, Bühnenmonteure und und und. Menschen, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft genug unterbezahlt sind. Über die Ticketeinnahmen scheint immerhin angemessene Bezahlung möglich zu sein. Hinzu kommen die derzeit unumgänglichen Mehrkosten durch Inflation, Energiepreisen und Fachkräftemangel.

3,5 Milliarden Anfragen soll es auf den Vorverkauf von Taylor Swifts Eras-Tour gegeben haben. Das entspricht fast der halben Erdbevölkerung. Ein System von Angebot und Nachfrage kann da nicht funktionieren. Vor allem aber tritt das Konzert als etwas besonders hervor. Würden alle Tickets etwa 50 Euro kosten wäre ein Swift Konzert eines unter vielen. Wieso sollte sich der vermutlich aktuell größte Star der Welt zum Ramschpreis anbiedern? Auf diesem Weg erkauft sie sich Exklusivität – und ironischerweise können die Swifties gerade deshalb von den hohen Preisen profitieren. Denn wegen der riesigen Investition erhält die Show einen außergewöhnlichen Stellenwert.

Contra: Sozial schwächere Fans haben das Nachsehen

Isabelle Graef
Isabelle Graef | Bild: SK

Dass das Konzert für Swifties einen hohen ideellen Stellenwert hat, dürfte klar sein. Aber zu welchem Preis? Über 100 Euro für die billigste Sitzplatzkarte, Stehplätzen von 240 bis über 600 Euro. So viel kosteten Konzertkarten für Gelsenkirchen im offiziellen Verkauf, berichtet das Rolling Stone Magazin. Jetzt könnte man sich fragen, wer zahlt denn so viel für ein Konzertticket? Niemand, oder? Die Antwort ist, die Swifties. Ganz nach dem Motto: Alles für Taylor.

Bei teils dubiosen Resellern wären die Summen im oberen dreistelligen Bereich sogar noch ein Schnäppchen. Auf der Plattform Viagogo werden Tickets für die Show in Zürich für läppische 2000 Euro angeboten. Und trotzdem gibt es Leute, die diese Tickets kaufen. Klar, es ist ja auch irgendwie schön zu wissen, dass man mit einem Ticketkauf seine Lieblingssängerin unterstützt. Immerhin verdienen Künstlerinnen und Künstler, die dank Spotify und Co. ja kaum noch etwas durch Alben, geschweige denn Plattenverkäufe. Oder?

Wer so denkt, versucht vermutlich, sich die Investition von 600 Euro in ein Konzertticket schönzureden. Denn wer auch nur einmal den Namen Taylor Swift gegoogelt hat, dürfte festgestellt haben, dass unsere freundliche Singer-Songwriterin, die mit ihrem „Das Mädchen von Nebenan“-Image so sympathisch und bodenständig wirkt, erst kürzlich auf Platz 14 der Liste der reichsten Prominenten gelandet ist. Gekürt vom Wirtschaftsmagazin „Forbes“. Laut des Magazins ist die findige Geschäftsfrau auch die erste Person, die ausschließlich durch die Einnahmen aus ihrer Musik und Auftritten Milliardärin geworden sei. Den Swifties sei Dank!

Allein die erste Etappe der „Eras“-Tour, brachte ihr laut Spiegel schätzungsweise 190 Millionen Dollar ein. Dass sie bei diesem Vermögen mindestens ihr Personal angemessen bezahlt, sollte wohl selbstverständlich sein. Trotzdem wird Swift für die Boni, die sie ihren Angestellten bezahlt, wie eine Heilige gefeiert. Auf das Ersparte ihrer Fans ist Taylor also augenscheinlich nicht angewiesen. Und trotzdem sind ihre Ticketpreise alles andere als gütig. Besonders in den USA, wo das sogenannte „dynamic pricing“ je nach Nachfrage bestimmt, wie teuer die Tickets sind, ist ein Ticketpreis im oberen vierstelligen Bereich keine Seltenheit.

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Gut, aber wahrscheinlich kann Taylor selber ja gar nichts für diese Preise. Oder? Laut dem ZDF und Angaben der Plattform Ticketmaster, über die die Konzertkarten in den USA vertrieben werden, haben Stars und ihr Management sehr wohl Einfluss darauf, in welchem Segment sich die Preise bewegen. Ob und wie viele Tickets über das Dynamic Pricing vertrieben werden, wird laut Ticketmaster mit dem Management der Stars ausgehandelt. Auch den Festpreis, und Ober- sowie Untergrenzen werden so festgelegt.

Swift hätte also, sind die Angaben von Ticketmaster korrekt, sehr wohl einen Einfluss auf den Preis der Tickets. Sie günstiger zu machen, kam aber anscheinend für sie und ihr Management nicht infrage. Irgendwo auch logisch. Dass die Preise in aller Munde sind, ist auf eine Art und Weise auch großartige Werbung und die Tickets erreichen einen exklusiven, fast luxuriösen Status.

Unter den happigen Preisen leiden vor allem Fans in sozial schwächeren Schichten. Schüler und Schülerinnen, Studierende, Auszubildende, Personen aus einkommensschwachen Haushalten. Durch die Ticketpreise wird vorsortiert, welche Personengruppen auf der „Eras“-Tour zu finden sein werden, und welche nicht. Taylor Swift ist ein Kulturangebot, das segregiert. Da hilft auch der Einsatz des Kulturpasses, dank dem Jugendliche 2024 einmalig 100 Euro für Kulturveranstaltungen zur Verfügung gestellt wird, nicht mehr viel.

Da könnte man sich, dem Anlass entsprechend, mal ins Gedächtnis rufen, was man sich für 600 Euro sonst so kaufen könnte, anstatt eine dreistündige Stadionshow zu besuchen.

Bezahlbar wäre zum Beispiel die Miete eines WG-Zimmers in Konstanz für gute eineinhalb Monate. Oder die Lebensmittelversorgung eines Singlehaushalts für zwei Monate. Für ein alternatives Kulturprogramm wären für 600 Euro auch um die 20 Besuche im Theater Konstanz drin. Oder man könnte vier Jahre in Folge das Campusfestival besuchen.

Auch 30 Kästen Hirsch Helles zu je 20 Euro wären eine denkbare Alternative zum Taylor-Ticket. Oder doch lieber ein Urlaub auf Gran Canaria für 7 Nächte mit Flug im vier Sterne Resort? Der wäre, je nach Reiseanbieter, auch im „The Eras“ – Budget