Jeder hat es, nicht alle nutzen es: das Gehirn. Es steuert unseren gesamten Körper, vom kleinen Zeh bis zur linken Augenbraue, bei den Mathematik-Hausaufgaben und der Bewältigung des Liebeskummers. So viel Arbeit braucht ein komplexes Organ: Sage und schreibe 52 verschiedene Areale kennt die Hirnforschung heutzutage. Doch wer hat sie alle entdeckt?

Bestimmt ein mehrköpfiges Forschungsteam in einem hochmodernen Institut in New York. Falsch gedacht! Es war Korbinian Brodmann (1868-1918) aus Liggersdorf. In seiner „Vergleichenden Lokalisationslehre der Großhirnrinde“ ist ihm etwas gelungen, das zuvor noch kein anderer Wissenschaftler geschafft hatte. Er kreierte eine Karte des Gehirns und unterteilte dieses in verschiedene Bereiche. Jedes Areal hat hierbei seine eigene Funktion und unterscheidet sich von den anderen durch seine Zellarchitektur.

Das Rathaus in Liggersdorf (links) ist der Sitz des Museums.
Das Rathaus in Liggersdorf (links) ist der Sitz des Museums. | Bild: Milena Erni

Brodmanns Forschungsergebnisse sind in der Neurowissenschaft auch heute noch von großer Bedeutung. Professoren malen sie in Hörsälen auf die Tafel, Studenten büffeln die unzähligen Areale für ihre Klausuren. Schließlich ebneten sie den Weg für die moderne Kernspintomografie und die Neuronavigation in der Neurochirurgie.

Damals sah das allerdings noch ganz anders aus. „Als er seine Forschungsergebnisse das erste Mal präsentierte, konnte niemand damit etwas anfangen. Die Leute haben sie einfach nicht verstanden und sich dafür geschämt“, erklärt Aram Bani, Neurochirurg und ehrenamtlicher Leiter des Museums, das im beschaulichen Hohenfels an den weltberühmten Wissenschaftler erinnert.

Wie forschte Korbinian Brodmann damals?

Zu seiner Zeit konnte Brodmann nicht auf die technischen Hilfsmittel zurückgreifen, die heute den Wissenschaftlern zur Verfügung stehen. Stattdessen arbeitete er mit einem Makrotom, einem Schneidegerät, mit dem man sehr dünne Schnittpräparate herstellen kann. Für seine Arbeit hat das Neue Biologische Institut in Berlin, an dem Brodmann kurze Zeit forschte, die speziellen Geräte extra in Auftrag gegeben. Ein solches Makrotom zeigt auch das Museum in Hohenfels.

„Geforscht hat er an Tiergehirnen. Die Großhirnrinde ist bei uns Menschen ja ganz genauso aufgebaut wie bei Säugetieren. Beide Male sind es sechs Schichten“, so Aram Bani. Um die hauchdünnen Schnitte erstellen zu können, hat der Wissenschaftler die Gehirne vorher in Paraffin eingelegt. Dieses härtete die Gehirne, er konnte dadurch die Schnitte präzise setzen. Ein bisschen kann man sich das vorstellen wie eine Brotschneidemaschine.

Dieses Gerät wurde früher zur Herstellung von Gehirnschnitten verwendet.
Dieses Gerät wurde früher zur Herstellung von Gehirnschnitten verwendet. | Bild: Aram Bani

Zu Zeiten Brodmanns wussten Ärzte und Wissenschaftler nur wenig über die verschiedenen Funktionen der Gehirnareale. Erst viel später begannen Forscher damit, die Hirnregionen genauer zu untersuchen, Informationen zusammenzutragen und detaillierte Modelle des menschlichen Gehirns zu entwickeln.

Im Ersten Weltkrieg beschäftigte sich Brodmann intensiv mit dem menschlichen Gehirn. Er leistete in dieser Zeit Kriegsdienste als Arzt in der Nervenabteilung eines Tübinger Reserve-Lazaretts und behandelte Soldaten, die durch Kopfschüsse Hirnverletzungen davongetragen hatten. Hier sammelte er erste wichtige Erkenntnisse für seine Forschung. Für seine Arbeit im Kriegsdienst bekam er im Februar 1916 vom König von Württemberg das Wilhelmskreuz mit Schwertern verliehen.

Das ganze Leben von Korbinian Brodmann ist in dem Museum dokumentiert.
Das ganze Leben von Korbinian Brodmann ist in dem Museum dokumentiert. | Bild: Aram Bani

Neben seiner Forschung beschäftigt sich das Museum auch mit dem Privatleben Brodmanns. So findet man neben einem Stammbaum des Hirnforschers auch Informationen zu seiner Schulzeit, die er gerade so mit dem Gesamtprädikat „hinlänglich“ beendete. Dennoch hieß es für Brodmann gleich nach dem Schulabschluss: Ab in den Hörsaal. Er studierte an vier verschiedenen Universitäten – in München, Würzburg, Berlin und Freiburg. Häufige Wechsel waren damals üblich, damit die Studenten die Vorlesungen verschiedener Professoren besuchen konnten.

Seinen ursprünglichen Plan, sich nach dem Studium als Arzt im Schwarzwald niederzulassen, verwarf Brodmann schnell wieder. Stattdessen widmete er sich seiner ärztlichen Weiterbildung und besuchte weitere klinische Vorlesungen. Auch sein späteres Familienleben und sein früher Tod im August 1918 durch die Grippe werden in dem Museum auf verschiedenen Schautafeln ausführlich beleuchtet.

Viel ehrenamtliche Arbeit war nötig für den Aufbau

Trotz seiner bahnbrechenden Leistungen geriet Brodmann nach seinem Tod schnell in Vergessenheit. Auch in seiner Heimatgemeinde sprach niemand mehr über den eigentlich weltberühmten Wissenschaftler. Erst 1980 entdeckte Hermann Strohmaier ihn wieder. Der damalige Leiter der Liggersdorfer Grundschule war fasziniert von Brodmanns Arbeit und forschte daraufhin bundesweit nach dem Wissenschaftler, sammelte Exponate und stellte diese im Dachgeschoss der Schule aus. Unter den Exponaten sind auch originale Feldzeichnungen Brodmanns, die seine Tochter Ilse dem Museum spendete.

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Als immer mehr Gegenstände dazukamen, ging Strohmaier irgendwann der Platz aus und eine andere Lösung musste her. Der Bürgerverein „Hohenfels hat Zukunft“ nahm sich 2008 der Thematik an. Mit großer Unterstützung von Handwerkern bauten viele ehrenamtliche Kräfte rund 400 Stunden das Dachgeschoss des Rathauses aus und richteten anschließend dort das Museum ein.

Eine beachtliche Spende aus der Gemeindekasse sprang dabei auch noch heraus. Schließlich hat die kleine Gemeinde mit rund 2300 Einwohnern nur einen weltberühmten Wissenschaftler hervorgebracht. Bis heute wird das Museum ehrenamtlich betrieben und bietet den Besuchern individuelle Angebote. „Gerade liegt auch eine Anfrage aus Japan vor. Ein Arzt von dort möchte bald nach Hohenfels reisen, um das Brodmann-Museum zu besuchen“, erzählt Aram Bani stolz.

Das Museum ist nach vorheriger Anmeldung geöffnet. Informationen dazu finden Sie hier.