Nichts ist so wichtig für das Wohlbefinden wie die Wahl der Umgebung. Während man sich die Wohnung weitgehend selbst gestalten kann, abhängig vom eigenen Stil, Geschmack und den finanziellen Mitteln, ist die Bestimmung des Wohnorts meistens mehr von äußeren, nicht selbst zu bestimmenden Einflüssen abhängig. Oft entscheiden berufliche Stellung, Arbeitsplatz oder familiäre Gegebenheiten darüber, wo man zu wohnen hat.

Ist man in der Wahl seines Umfelds jedoch frei, stellt sich die Grundsatzfrage: Lieber in die Stadt oder besser aufs Land? Eine allgemeingültige Antwort wird sich nicht finden lassen, die Entscheidung ist in erster Linie von persönlichen Vorlieben und Abneigungen abhängig.

Ab in die Stadt

Wer sich für das Leben in der Stadt entscheidet, wird dafür mit einer ganzen Reihe von Vorteilen belohnt, muss aber auch Nachteile in Kauf nehmen. Der Stadtmensch wird zunächst einmal die vielfältigen Annehmlichkeiten einer reichhaltigen Infrastruktur genießen. In einer größeren Stadt fehlt es fast an nichts. Das beginnt mit der höheren Dichte an Arztpraxen oder Krankenhäusern. Die Einkaufsmöglichkeiten sind besser und die Dienstleistungsangebote größer. Allerdings ist man in einer Stadt eher auf Serviceangebote angewiesen, die auf dem Land vielleicht gar nicht erst nötig wären, sondern im Rahmen einer gut funktionierenden Nachbarschaftshilfe erledigt würden.

Wer kulturell interessiert ist, wird in der Stadt besser aufgehoben sein. Die einzige Begrenzung, die dem unerschöpflichen Angebot an Museen, Theatern, Opern- und Konzerthäusern auferlegt ist, dürfte das eigene Budget sein. Ähnliches gilt für die Genussfreudigkeit im gastronomischen oder unterhaltenden Bereich. Aber selbst an kostenlosen Veranstaltungen in Form von Vorträgen, Diskussionsrunden, Exkursionen mangelt es nicht. Kostenfrei sind auch all die Anregungen und Einflüsse, die in der großen Stadt auf ihre Bewohner hereinprasseln. Nicht nur für Ältere vielleicht zunächst etwas anstrengend, aber die Konfrontation mit Herausforderungen und Neuerungen hält geistig fit.

Gedränge an der U-Bahn, so wie hier in Berlin, gehört zum Großstadt-Alltag.
Gedränge an der U-Bahn, so wie hier in Berlin, gehört zum Großstadt-Alltag. | Bild: Fabian Sommer/dpa

Anregend kann auch sein, wenn man Themen, die man sonst vielleicht nur aus den Fernsehnachrichten kennt, plötzlich vor der eigenen Haustüre wahrnimmt. Wer die aufopferungsvollen Einsätze von Pflegepersonal, Polizei und Feuerwehr täglich beobachtet, wird darüber anders denken als diejenigen, die das nur aus geschwätzigen TV-Runden erfahren. Selbst das politische Bewusstsein wird beeinflusst, die Einschätzung von Problemen und Zusammenhängen gelingt meist besser im Zentrum des Geschehens als am Rand, weitab in der entfernten Idylle.

Nicht umsonst wird das laute, schillernde und durchaus faszinierende Leben einer Stadt immer wieder besungen. Ob von Frank Sinatra („New York, New York“), Petula Clark („Downtown“), Hans Albers („Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“) oder in den zahlreichen musikalischen und literarischen Liebesbeteuerungen an Paris, Berlin und vielen anderen. Sie alle künden von dem geheimnisvollen Zauber einer großen Stadt, wie ihn der Dokumentarfilmer Walter Ruttmann schon 1927 in seinem legendären Stummfilm „Die Sinfonie der Großstadt“ eingefangen hat.

Ab aufs Land

Doch nicht nur der Großstadt wird literarisch, filmisch und musikalisch gehuldigt. Das amerikanische Landleben hat mit den Country-und-Western-Songs gleich ein ganzes Genre geprägt, ähnlich wie der Kino-Western, der eigentlich nie in irgendeiner größeren Stadt spielt. Auch bei uns ist der Heimatfilm, ähnlich wie der Heimatroman, eine eigene, vom Publikum heiß geliebte Gattung, die in der Volksmusik ihre Entsprechung findet. Dazu gehört ebenso die Tracht, die über Jahrhunderte hinweg Ausdruck einer regional gelebten Identität geblieben ist. Und es ist genau diese Identität, das Zugehörigkeitsgefühl zu einer eng umgrenzten Gruppe, die die Bewohner auf dem Land so schätzen.

Seelenlose Anonymität gibt es auf dem Land nicht, man kennt und vertraut einander, man hilft sich und kann sich aufeinander verlassen. Hier ist niemand allein. Schwierige Entscheidungen, die der Stadtmensch oft für sich allein zu treffen hat, werden dem Bewohner auf dem Land von Tradition und Konvention abgenommen. Das Eingebundensein in die Gemeinschaft verspricht Selbstbewusstsein und Sicherheit, wozu auch die auf dem Land geringere Kriminalitätsrate beiträgt. Die Welt, so scheint es, ist hier einfach noch in
Ordnung.

Auf dem Land nutzt zumindest die Kuh noch den öffentlichen Nahverkehr.
Auf dem Land nutzt zumindest die Kuh noch den öffentlichen Nahverkehr. | Bild: Sonja Birkelbach - stock.adobe.com

Lebensqualität verspricht auf dem Land eine oft malerische Landschaft mit hohem Freizeitwert und guter Luft. Dort, wo gar Seen oder Berge in der Nähe sind, ist der Wohnwert so hoch, dass selbst die Städter in großer Zahl hierher fliehen. Aber auch ohne solch spektakuläre Attraktionen bietet das flache Land seinen Bewohnern viele Annehmlichkeiten. Die Abwesenheit urbanen Zeitvertreibs muss nicht zwangsläufig provinzielle Langeweile bedeuten. Die unaufgeregte Ruhe kann auch Kraft, Ausgeglichenheit und Kreativität verschaffen.

Nicht umsonst ziehen sich gerade Künstler so gerne aufs Land zurück. Und wo es weniger Angebote veranstalteter Kultur gibt, lädt dies durchaus ein, sich selbst musisch einzubringen. Chöre und Musikvereine bieten dafür zahlreiche Möglichkeiten, ebenso die vielen ehrenamtlichen Engagements, sei es bei der Pflege eines Heimatmuseums oder einer Galerie. Auch das Gefühl der Einflussnahme, der Mitgestaltung des örtlichen Geschehens gehört zu den Vorzügen eines Lebens auf dem Land.

Die goldene Mitte

Wer sich nun gar nicht zwischen Stadt oder Land entscheiden kann, der wird sich in kleineren Städten wohlfühlen und dort die Annehmlichkeiten beider Lebensformen vorfinden, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Man kennt die Nachbarn und kann dennoch Theater und Konzerte besuchen, man kann die Kinder zu Fuß in die Schule schicken und muss dennoch nicht auf akzeptable Bildungseinrichtungen verzichten.

Noch besser ist natürlich dran, wer Stadt und Land gleichermaßen genießen kann. Mit einer Wohnung in der Stadt und einem Häuschen auf dem Land, erreichbar im fliegenden Wechsel. Allerdings ist solches nicht unbedingt sozial verträglich angesichts der immensen Wohnungsnot in den großen Städten. Außerdem finanziell nur von den wenigsten zu realisieren.

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Stadt oder Land? Ruhe oder Hektik? Metropole oder Provinz? Ruhe und Frieden können trügerisch sein, Glamour und Spektakel ebenso. Ein penetranter Laubbläser nervt in der stillen Idylle weit mehr als in der lärmenden Großstadt. Die Fürsorge des Nachbarn kann auch aufdringlich wirken. Auf dem Land schafft die soziale Kontrolle zwar Beruhigung und Sicherheit, aber auch Beklemmung und Bevormundung. Das Wir-Gefühl der Heimat ist ein großer Vorteil für alle, die dazugehören, ein Problem für die anderen. Auch unter drei Millionen Mitmenschen kann man sich einsam fühlen. So steht am Ende doch die banale Erkenntnis, dass der ideale Wohnort dort ist, wo man sich am wohlsten fühlt.