Die Nationalflaggen sollten am 19. Februar eigentlich an Regierungsgebäuden im ganzen Land zu seinen Ehren gehisst werden. So will es die Tradition im Königreich, wenn ein wichtiger Royal Geburtstag feiert. Doch in diesem Jahr bleiben die Union-Jack-Fahnen eingerollt, ein offizielles Fest steht ebenfalls nicht auf dem Plan. Lediglich die Glocken von Westminster Abbey in London werden für Prinz Andrew läuten – der Herzog von York wird 60 Jahre alt.

Feierstimmung kommt aber weder im Haus Windsor noch beim Fußvolk auf. Zu oft war der zweitgeborene Sohn von Königin Elizabeth II. in den vergangenen Monaten in den Schlagzeilen .
Dabei lief es bereits in der Vergangenheit keineswegs rund, was noch äußerst nett ausgedrückt ist. Als Darling des britischen Volks galt Prinz Andrew nämlich nie.Waren es aber in der Vergangenheit Affären, Fehltritte oder sein teurer Lebensstil, die Kritik und Spott auslösten, steht der Royal seit einigen Monaten wegen seiner Verstrickung in einen Missbrauchs-Skandal im Fokus. Es sei an der Zeit zu reden, forderte ihn die US-Amerikanerin Virginia Giuffre zuletzt via Twitter auf.
Die 36-Jährige, ein Opfer des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein (1953-2019), wirft dem Herzog vor, sie im Alter von 17 Jahren zum Sex gezwungen zu haben. Andrew streitet das ab – und war doch jahrelang mit dem Multimillionär Epstein befreundet.

Im Herbst 2019 wollte der Prinz mit einem Interview den Befreiungsschlag schaffen, bedauerte, den Kontakt zu Epstein nach Bekanntwerden der Vorwürfe aufgegeben zu haben. Doch das Gespräch endete in einem PR-Desaster. Andrew erschien darin völlig der Realität entrückt und arrogant – die Empörung war groß.
Der Herzog von York wurde von seinen Pflichten und Privilegien entbunden und damit de facto aus dem engsten Kreis des Königshauses ausgeschlossen, obwohl er als Lieblingssohn der Queen gilt, trotz allem. Der jüngere Bruder von Thronfolger Prinz Charles hat seit jeher ein schlechtes Image.

Schon in jungen Jahren ließ er als Playboy-Prinz keine Feier aus. Dabei waren es vor allem die Frauen, denen er offenbar nicht widerstehen konnte. Das brachte ihm bei der Boulevardpresse den Spitznamen „Randy Andy“ (geiler Andy) ein. Andrew flirtete mit Models und Starlets und hatte zahllose Affären, bevor er 1986 seine große Liebe Sarah „Fergie“ Ferguson heiratete.

Aus der Ehe gingen zwei Töchter, Prinzessin Beatrice und Prinzessin Eugenie, hervor. Halten sollte die Verbindung jedoch nicht. 1996 ließ sich das Paar scheiden, blieb aber befreundet und wohnt heute sogar unter einem Dach in Windsor. „Er ist der beste Mann, den ich kenne“, verteidigte Fergie ihren Ex gegen die Vorwürfe im Epstein-Skandal.

Die einzige Zeit, in der Prinz Andrew im Königreich so etwas wie Popularität genießen durfte, war während seiner Anfangsjahre beim Militär. Nachdem er seine Pilotenausbildung als Jahrgangsbester abgeschlossen hatte, verdiente sich der Herzog im Falkland-Krieg Anfang der 1980er-Jahre den Respekt der Briten.
Auf Geheiß seiner Mutter war er als Pilot eines Flugzeugträgers im Einsatz, machte dann bei der Royal Navy und ab 1997 im britischen Verteidigungsministerium Karriere, bis er 2001 seine militärische Laufbahn im Rang eines Fregattenkapitäns beendete.

Das Fliegen konnte er aber auch privat nicht lassen, was ihm wiederum den aktualisierten Spitznamen „Airmiles Andy“ einbrachte – denn nicht alle seine Reisen sollen in seiner Funktion als Sonderbotschafter der britischen Wirtschaft stattgefunden haben. Vielmehr, wurde kritisiert, kam der Steuerzahler für den ausschweifenden Lebensstil des royalen Lobbyisten auf sowie für Reisen zu zwielichtigen Geschäftspartnern.

Dieser Tage taucht Prinz Andrew dagegen kaum noch auf – zum Unmut der US-Ermittler im Fall Epstein, die den Herzog gern als Zeuge befragen würden. Obwohl Andrew angekündigt hatte, der amerikanischen Justiz helfen zu wollen, hat er bislang offenbar nicht mit den Behörden zusammengearbeitet. Die „endlose Horror-Show“, wie manch einer die Entwicklungen nennt, dürfte also auch nach seinem 60. Geburtstag weitergehen.