Den Führerschein hatte er erst seit vergangenem Sommer. Jetzt musste ein 19-Jähriger den Schweizer Führerausweis schon wieder abgeben: Dem jungen Eidgenossen drohen bis zu vier Jahre Gefängnis.
Auslöser für die prekäre Lage des Auszubildenden: mit 151 Stundenkilometern (km/h) war der junge Mann durch Winterthur gerast. Beim Bahnhof Hegi hatte die Stadtpolizei eine mobile Geschwindigkeitskontrolle eingerichtet. Erlaubt sind dort 60 km/h.
Nur wenig später stellt die Polizei den Raser. Er wird sofort festgenommen. Den Führerschein musste er sofort abgeben. Die Stadtpolizei Winterthur hat bereits ein Verfahren gegen den jungen Mann eingeleitet, die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland.
Rasen auf Probe
Der 19-Jährige „hat keine Gründe genannt, weshalb er so schnell fuhr“, sagt der Sprecher der Stadtpolizei Winterthur, Michael Wirz, dem SÜDKURIER. Woher der junge Fahrer stamme, will der Sprecher zum Schutz der Persönlichkeit des Rasers nicht sagen.
Dabei müssen junge Autofahrer in der Schweiz besonders auf die Verkehrsregeln achten. Denn Fahranfänger bekommen den Führerschein grundsätzlich zunächst auf Probe – erst nach drei Jahren läuft die Probezeit aus.
Gesetzesverschärfung wegen Unfällen
Wegen einer Vielzahl tödlicher Unfälle hat die Schweiz schon seit 2013 die Strafen für zu schnelles Fahren drastisch verschärft. Selbst geringfügiges Überschreiten des Tempolimits wird teuer.
Artikel 90, Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetzes, bekannt als „Raserartikel“, sieht eine Mindeststrafe von einem Jahr und bis zu vier Jahren Haft für Raser vor. Der Tatbestand gilt als erfüllt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 Stundenkilometer innerorts beziehungsweise 60 außerorts und mindestens um 80 km/h auf der Autobahn überschritten wird. Außerdem verliert der Raser seinen Führerausweis für mindestens zwei Jahre und der Richter kann sein Fahrzeug einziehen.
Raser in Kreuzlingen
Der junge Mann ist allerdings kein Einzelfall. Erst jetzt gab die Kantonspolizei Thurgau bekannt, bereits Mitte Juni einen 54-Jährigen an einem festinstallierten Blitzer in der Seetalstraße in Kreuzlingen gleich fünf Mal innerhalb von einer Stunde erfasst zu haben.

Der türkische Raser aus dem Kanton Thurgau war zwischen 2.54 Uhr und 3.33 Uhr an der Messstelle vorbeigefahren. Das Vergehen wurde erst jetzt bekannt, weil die stationäre Anlage nicht ständig ausgelesen werde, erklärt Matthias Graf, Sprecher der Kantonspolizei Thurgau, dem SÜDKURIER auf Anfrage.
Gleich drei Raser-Delikte
Nach Toleranzabzug betrug die Höchstgeschwindigkeit des nächtlichen Fahrers 120 Stundenkilometer. Bei den übrigen Messungen stellten die Beamten 117, 105 und zwei Mal 77 Stundenkilometer fest. Erlaubt waren 50 Stundenkilometer. „Es handelt sich dabei in drei Fällen um ein Raserdelikt“, macht die Polizei deutlich.
Der Führerschein des Mannes sei vom Straßenverkehrsamt bereits eingezogen worden, die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen ermittelt. Auch in diesem Fall muss der Fahrer mit bis zu vier Jahren Haft rechnen, sagt Graf. Das Verfahren dürfte einige Wochen in Anspruch nehmen. „Wie können uns nicht an einen solchen Fall erinnern, so etwas gab es noch nie“, betont Graf.
Gesetzesänderung ins Auge gefasst
Bis Ende 2017 wurden nach Zahlen des Bundesamts für Statistik 1535 Raser zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Bundesrat und Parlament diskutierten allerdings im vergangenen Jahr, das Gesetz zu reformieren: Denn die Richter haben bislang keine Wahl – die Mindeststrafe von einem Jahr muss ausgesprochen werden, völlig unabhängig von den Umständen des jeweiligen Falls.
Das soll geändert werden, zudem wird gefordert, den Richtern einen Ermessensspielraum zu gewähren. Auch soll die Mindestdauer des Führerscheinentzugs angepasst werden. Doch ob die beiden Raser in Kreuzlingen und Winterthur auf Milde hoffen können, scheint fraglich.
Haft für Raser?
Nur wenige Raser müssen in der Schweiz tatsächlich in Haft. Die meisten bekommen eine sogenannte bedingte Strafe: Sie werden zwar verurteilt, müssen aber nicht in Haft. Im Wiederholungsfall müssen die Fahrer allerdings mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Zahlen des Bundesamts für Statistik bis einschließlich 2017 ergeben, dass nur etwa jeder zehnte Raser tatsächlich hinter Gitter muss: 89 Prozent (1367 Fahrer) erhielten demnach eine bedingte Strafe. 4,6 Prozent (71) bekamen unbedingt – müssen also in Haft – und 6,3 Prozent (97) teilbedingt, also einen Teil der Strafe absitzen. (mim)