Wenn es doch so einfach wäre wie bei Pinocchio! Je mehr Lügen der kleine Kerl erzählt, umso länger wächst seine Nase. So beschreibt es der italienische Autor Carlo Collodi in seinem berühmten Kinderbuch über die Holzpuppe, die zum Leben erwacht. Im wahren Leben hingegen ist es nicht so leicht, einen Schwindler zu erkennen. Da braucht es schon eine gute Beobachtungsgabe, ein feines Gespür und ein paar Tipps und Tricks von jemandem wie Christian Morgenweck.
Der 25-Jährige ist Deutschlands jüngster Experte für Lügenerkennung. Der Autodidakt aus Tann in der Rhön ein gefragter Speaker und Trainer zu diesem Thema. „Heutzutage gehört Lügen zu unserem Alltag und ist für uns selbstverständlich“, sagt er. Das nimmt erschreckende Ausmaße an: Laut Statistik enthält jeder sechste Satz, der zwischen Menschen fällt, eine Unwahrheit.
Kein Wunder, dass Experten wie Morgenweck gefragt sind, wenn es darum geht, den Lügen zu kurzen Beinen zu verhelfen. Zu seinen Kunden gehören Personaler in Firmen. Sie wollen von ihm lernen, wie sie Bewerber der Flunkerei überführen. „Untersuchungen belegen, dass bis zu 37 Prozent der Bewerber im Vorstellungsgespräch lügen. Das ist nicht unerheblich, wenn man bedenkt, was ein neuer Mitarbeiter auf einer falschen Position im Unternehmen anrichten kann“, erklärt Morgenweck. Auch Führungskräfte wenden sich an ihn und möchten sich für Verhandlungsgespräche wappnen.
Doch was versteht man unter einer Lüge? Der US-Psychologe Paul Ekman hat Kriterien aufgestellt, anhand derer sie sich erkennen lässt. Demnach ist eine Lüge eine bewusste Entscheidung, bei der der Täter absichtlich eine Falschinformation weitergibt. Er kennt den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge und hatte die Wahl, sich zwischen beiden zu entscheiden. Das kommt wissenschaftlich daher, lässt sich aber einfach auf den Punkt bringen: Ein echter Lügner flunkert absichtlich. Das ist gar nicht so leicht. „Lügen ist anstrengend. Das wissen wir alle aus eigener Erfahrung“, sagt Christian Morgenweck. „Ich muss kreativ sein, mir eine Geschichte ausdenken und mir diese merken, falls ich später nochmal auf sie angesprochen werde. Ich muss sie ehrlich und authentisch wiedergeben können, muss nebenbei auf meine Körpersprache achten und auch noch meine Emotionen kontrollieren, wenn ich nicht überführt werden will.“ Genau diese Komplexität ist es, die er sich beim Enttarnen von Lügnern zunutze macht.
Der Lügen-Experte hat sieben Kriterien identifiziert, auf die es ankommt. Sie heißen Baseline, wichtige Emotionen, Mikroausdrücke, Körpersprache, körperliche Merkmale, Stimme und Inhalt. „Zunächst definiere ich die sogenannte Baseline. Damit meine ich das normale Verhalten einer Person in einem belanglosen Gespräch“, erklärt er. Ein Small-Talk vor einem Bewerbungsgespräch helfe, den Bewerber kennenzulernen und zu erfahren, wie er sich in unverfänglichen Situationen verhält. „Diese Information ist später wichtig, wenn es ans Eingemachte geht“, sagt Morgenweck. Denn dann lassen sich Unterschiede einfach erkennen.
Als nächstes geht es um die drei Basis-emotionen Freude, Angst und Schuld. Diese sind bei einem Lügner oft zu beobachten, weiß Morgenweck: „Entweder freut er sich darüber, dass der andere so doof ist und ihm glaubt. Vielleicht hat er aber auch Angst davor, überführt zu werden oder er fühlt sich schuldig, weil er absichtlich nicht die Wahrheit sagt.“ Hier kommen dann auch die Mikroausdrücke ins Spiel, mit denen Menschen innerhalb von 200 Millisekunden zeigen, wie es ihnen wirklich geht.
Diese Mimik kann von Menschen weder manipuliert noch von einem ungeübten Auge erkannt werden. Bei der Körpersprache ist das anders: Das sind Gesten, die offensichtlicher sind. „Weil Lügen so anstrengend ist und so viel von unserer Konzentration beansprucht, fällt währenddessen unsere Körpersprache eher hölzern und steif aus“, erklärt der Experte. Auch der Körper selbst reagiert aufs Lügen, indem er Stressmerkmale zeigt: Herzschlag und Atmung werden schneller, man schwitzt und bekommt kalte Hände.
Da ein Personaler einem Bewerber kein Thermometer in die Hand drücken kann, muss er auf die Stimme hören. „Unser Gehirn braucht Pausen, um Informationen zu verarbeiten. Wenn die Geschwindigkeit der Antwort im Bewerbungsgespräch zum Beispiel von der Baseline abweicht, ist das ein Anzeichen einer Lüge“, erklärt Morgenweck.
Das wichtigste Indiz ist der Inhalt des Gesagten. Wer sich selbst widerspricht oder sich verheddert, macht sich verdächtig. Professionelle Lügner seien damit jedoch kaum zu überführen, sagt Morgenweck. Denn diese hätten ihr Alibi oft auswendig gelernt. „Da hilft es dann, sich den Vorgang nicht in chronologischer Reihenfolge erzählen zu lassen, sondern rückwärts“, verrät der Experte einen Trick. Und wie hält er selbst es mit der Wahrheit? „Ich bin ein furchtbar schlechter Lügner“, sagt er über sich selbst, „deshalb versuche ich, soweit es geht ehrlich zu sein.“
Zu gewinnen!
Zur 500. Sendung von „Sag die Wahrheit“ verlost der SÜDKURIER an Abonnenten 10 Mal zwei Freikarten für die Show am Mittwoch, 14. November, im SWR-Studio in Baden-Baden. Die Gewinner erwartet neben der Teilnahme an der Aufzeichung der Sendung als Zuschauer eine Führung durch das Funkhaus mit Blick hinter die Kulissen des Südwestrundfunks sowie nach der Sendung ein Zusammensein mit Ratefüchsen aus dem Team von Moderator Michael Antwerpes. Das Programm beim SWR beginnt um 11 Uhr und dauert bis gegen 19 Uhr. Das Gewinnspiel für die Verlosung der Karten beginnt heute und dauert bis einschließlich Sonntag, 30. September. Teilnahme unter der Rufnummer 01379 / 370 500 72. Bitte Name und Rufnummer hinterlassen.
"Schwindler verlieren sich oft in Details"
Michael Antwerpes (55) moderiert seit 2003 die SWR-Show "Sag die Wahrheit". Hier behaupten Kandidaten, eine bestimmte Person mit besonderen Fähigkeiten oder einer besonderen Geschichte zu sein. Ein Rateteam muss herausfinden, wer von diese Kandidaten die Wahrheit sagt – und wer schwindelt. Demnächst läuft die 500. Ausgabe der Sendung.
Herr Antwerpes, nach so vielen Sendungen, so vielen Lügnern: Kann man Ihn noch etwas vorschwindeln oder merken Sie das mit Ihrer Erfahrung sofort?
Naja, ich hab ja in der Sendung einen Vorteil, weil ich aus dem Vorgespräch schon weiß, wer schwindelt und wer nicht. Aber klar, mit der Zeit entwickelt man da schon ein Gefühl. Die Körpersprache sagt da viel aus. Lügner verraten oft auch zu viel, verlieren sich in Details, weil sie es zu glaubwürdig machen wollen. Oder sie reden deswegen zu schnell. Es ist also schon schwerer geworden, mir etwas vorzumachen. Wahrscheinlich könnte ich so langsam bei der Polizei anfangen und bewerten, ob Verdächtige lügen. (lacht)
Sind Sie dadurch quasi ein besserer Lügner geworden?
Das würde ich so nicht sagen. Ich bin auch kein Freund vom Lügen, da steckt immer eine Böswilligkeit drin. Wir nennen die Kandidaten in unserer Show auch Schwindler, das ist charmanter. Jemand mit einem Schwindel ein bisschen reinzulegen, das ist schon mal drin. Und jeder kennt auch die Situationen im Alltag, wo man mal zu einer kleinen Notlüge greifen muss. Aber hinterlistiges Lügen, das mag ich nicht.
Nach 15 Jahren und fast 500 Sendungen: Wo bekommen Sie denn immer noch Kandidaten her, die verrückte Geschichten zu erzählen haben?
Die finden meine Redaktion und ich überall: Zeitungen, Internet, manche bewerben sich auch von selbst. Wir zeichnen nur alle zwei, drei Monate auf, bis dahin sammelt sich das dann.
Und die Schwindler? Sich ins Fernsehenstudio zu setzen, um da anderen etwas vorzumachen, das muss man ja erstmal wollen.
Da setzen wir meist auf Menschen, die schon zumindest ein, zweimal im Fernsehen waren und nicht gleich zu nervös werden. Aber wir hatten auch schon Fälle, da sind Schwindler kurzfristig krank geworden und wir haben sozusagen einen Mitarbeiter vom Flur gezogen, damit der einspringt. Auch das kann funktionieren, man braucht einfach diese Chuzpe, da rumzuschwindeln.
Wer aus ihrem prominenten Rateteam ist denn der beste Lügen-Detektor?
Aus dem Bauch heraus würde ich da mal auf Mike Krüger tippen. Der ist zwar nicht so oft dabei wie andere, aber wenn er mitmacht, hat er immer eine gute Quote.
Gibt es eine wahre Geschichte aus der Sendungsgeschichte, die Sie bis heute selbst kaum glauben können?
Da gibt es viele, aber eine ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Da war tatsächlich ein Mann da, der in der Pfalz einen Hahnenkräh-Wettbewerb gewonnen hatte. Also ein Turnier, bei dem die Teilnehmer möglichst genau einen Hahn zu imitieren hatten. Der war sich dann auch nicht zuschade, im Kostüm aufzutreten und am Ende eine Kostprobe seines Könnens zu geben.
Fragen: Dominik Dose