Die Nacht vom Montag auf Dienstag wird vielen Menschen in Konstanz und Umgebung in Erinnerung bleiben. Denn zwischen 1 Uhr 15 und etwa 1 Uhr 18 spielen sich merkwürdige Dinge ab. Sie werden auf der Seite www.erdbebennews.de als Zeugenmeldungen beschrieben: „Wackeln der Schränke und Gläser im Schrank“, wird aus Konstanz-Wallhausen berichtet; „Grollen als ich im Bett lag, und die Kleiderschranktüren haben vibriert“, hört man aus Dingelsdorf; „Über mir im Dach hat es sich angehört, als würden ganz laut Menschen stampfen“, so eine Meldung aus Konstanz. Eine andere Stimme von dort meldet „ein Rumpeln und ein Knacksen des Türrahmens“.

Was diese Zeugen zu dem Zeitpunkt nicht wissen konnten: Sie haben mit einer Stärke von 3,7 gerade das heftigste Erdbeben Deutschlands innerhalb der letzten fünf Jahre erlebt. Das Epizentrum des Bebens lag auf dem Bodanrück bei Dettingen, aber auch 20 Kilometer weiter war das Zittern der Erde durchaus spürbar.
Alle Erdbeben mit Mindeststärke 2 seit 2010 bei uns im Land auf einen Blick:

„Das Haus hat deutlich vibriert“, berichtet ein Zeuge aus Überlingen. Aus Singen-Bohlingen wurde gemeldet: „Gegenstände schwankten kurz deutlich, mehrfaches Hundebellen in der Nachbarschaft.“
Am Morgen hatten die Wellen des Erdbebens auch Facebook erreicht, wo die Nutzer ihre Erfahrungen austauschten und auch Fragen zum richtigen Verhalten bei einem Beben stellten:
- Sollte man bei einem Beben in der Region das Haus verlassen? Diese Panik-Reaktion sollte man unterlassen. Es besteht für Menschen keinerlei Gefahr im Innern eines Hauses – auch nicht in einem oberen Stockwerk eines Hochhauses. Ein Beben der Stärke 3,7 ist zu schwach, um Personen im Innern zu gefährden. Diese Gefahr stellt sich erst bei einem Wert von 8 ein. Daher: Einen kühlen Kopf bewahren, nicht auf die Straße gehen, und man muss auch keine Notfalltasche packen. Draußen kann man von Gegenständen gefährdet werden, die vom Dach fallen könnten, etwa Ziegel. Das kann unter Umständen tödlich enden.
- Können bei einer Stärke von 3,7 Gegenstände von einem Regal fallen und zu Bruch gehen? Zwar wurde auf Facebook von einem Nutzer davon berichtet. Aber hier ist Skepsis angebracht. Laut dem Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam schwingen Lampen an der Decke erst bei einer Stärke von 5, kleine Gegenstände werden verschoben oder Fenster und Türen schlagen zu. Bei 3,7 fällt mit Sicherheit kein Regal um. Laut GFZ fühlen ruhende Personen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern.
- Ist das Beben etwas Beunruhigendes, vielleicht sogar eine Warnung? Nein. „Das Beben ist insgesamt nichts Besonderes“, sagt der Leiter des Landeserdbebendienstes in Freiburg, Stefan Stange. Der Grund ist die geografische Lage von Konstanz: „Wir befinden uns hier schon im Alpenvorland. Da die Berge nach Norden schieben, kommt es immer wieder zu Erdbeben.“ Spürbare Beben gebe es dort alle paar Jahre. Nach Norden werden die Alpen gedrückt, weil sich die afrikanische Kontinentalplatte vom Süden her nach Norden bewegt. Daher kommt es in Italien immer wieder zu starken Erdbeben, und Vulkane wie der Ätna oder der Vesuv bleiben aktiv.
- Könnten bei dem Beben Gebäudeschäden entstanden sein? Vermutlich nicht. Beim Landeserdbebendienst gingen ungefähr 900 Hinweise zu dem Beben ein. Über Schäden ist aber bislang nichts bekannt. In der Regel treten diese erst ab einem Wert zwischen 4 und 5 auf. Da der Entstehungsort des Bebens aber nur etwa drei Kilometer unter der Erdoberfläche lag, sind einzelne Risse im Putz nicht ausgeschlossen.
- Kann man nicht vor so einem Beben warnen? Nein. Wenn sich – so wie am Dienstag – Vorbeben bemerkbar machen, ist es für eine Warnung schon zu spät. „Wir wissen aufgrund von Statistiken zwar, dass der südliche Oberrhein bei Basel, der Niederrhein bei Aachen und die Zollernalb die am meisten gefährdeten Gebiete in Deutschland sind, doch wann das nächste Beben kommt und wie stark das ist, weiß niemand“, erklärt Stefan Stange. Die Forscher können jedoch aufgrund über Jahrhunderte gesammelter Daten sagen, wie viele Erdbeben mit welcher Stärke in einem Zeitraum zwischen 50 und 100 Jahren zu erwarten sind. Solche Prognosen sind für Gebäudeversicherer wichtig.
- Kann man – auch im Schlaf – so ein Beben quasi erfühlen? Nein. Der Mensch hat keinen 7. Sinn für Erdbeben. Zwar wird das vielen Tierarten nachgesagt, weil sie sich vor einem Beben in Sicherheit gebracht haben. Doch die Forschung dazu dauert an. Möglich ist, dass die Tiere durch leichte Vorbeben oder aufsteigende Gase gewarnt werden. Was auch beim Menschen nachts durchaus vorkommen kann: Das Vorbeben unterbricht den Schlaf, und beim Hauptbeben ist man dann wach.
- Sind denn weitere Nachbeben in Konstanz oder eine ganze Beben-Serie wie bei Hilzingen im Hegau 2016 möglich? „Das können wir nie ausschließen“, sagt Erdebeben-Experte Stange. Auch am Mittwochmorgen gab es laut der Website erdbebennews.de um 2.03 Uhr ein weiteres Beben der Stärke 2,3 in Konstanz. Ein schwächeres Beben mit der Stärke von 1,7 wurde um 7.26 Uhr registriert, diesmal nordöstlich von Dettingen. Darauf folgte nur wenige Minuten später ein Erdbeben der Stärke 3,2. Vor allem in Dettingen sei es zu spüren gewesen. Im Hegau war es im November 2016 zu einer Folge von 60 Beben gekommen, deren Epizentrum immer bei Hilzingen lag. Warum das so war, ist unklar. Der Seismologe Wolfgang Brüstle sagte damals: „Solche Serien können jederzeit an jedem Ort in Baden-Württemberg auftreten.“
- Gibt es als Hausbesitzer eine Versicherung gegen Beben? Klar doch. Sie ist gerade in Baden-Württemberg wichtig. Abgedeckt ist sie in der Regel durch eine Elementarschadenversicherung, die auch Sturm, Hagel und Überschwemmungen umfasst. Die Höhe des Beitrags orientiert sich unter anderem nach den Gefährdungsklassen. Dafür wird aufgrund von Statistiken errechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Beben innerhalb eines bestimmten Zeitraums eintritt. Das Gleiche gilt etwa auch für das Hochwasser-Risiko.
- Ich will bauen. Muss ich auch Erdbebensicherheit beachten? In Baden-Württemberg ganz gewiss – vor allem auf der Schwäbischen Alb und in der Gegend von Lörrach. Aber auch außerhalb dieser am höchsten gefährdeten Zonen ist das Bebenrisiko in manchen Gegenden so hoch, dass der Bauherr rechtliche Vorschriften beachten muss. Basis dafür ist die Baubestimmung „Bauen in deutschen Erdbebengebieten“ (DIN 4149) und eine Verordnung zur Landesbauordnung. Fazit: Menschen, die in hochwertigen alten Häusern oder in modernen Neubauten wohnen, müssen bei einem Beben wie es in Deutschland erwartbar ist, nichts befürchten.
Schwere Erdbeben in der Region
- Basel, 18. Oktober 1356: Die Stadt am Rhein wird von einer Beben-Katastrophe heimgesucht. Es ist das schwerste Erdbeben nördlich der Alpen in historischer Zeit. Experten nehmen an, dass dabei Stärke 7,1 auf der Richter-Skala erreicht wurde. Zum Vergleich: Das Beben im japanischen Kobe 1995 erreichte Stärke 7,2. In Basel wurden zahlreiche Häuser zerstört (auch durch den acht Tage wütenden Brand), Teile des Münsters brachen ein, hunderte Menschen starben.
- Ebingen, 16. November 1911: Auf der Alb bebt die Erde mit der bis dahin dort nie erlebten Stärke 6 auf der Richterskala. In Ebingen halten die Stöße sieben lange Sekunden an. Das Beben richtet schwere Schäden in Ebingen und Umgebung an.
- Albstadt, 3. September 1978: Erneut bebt die Erde, diesmal wird 5,7 auf der Richter-Skala erreicht. Mehrere
Tausend Gebäude – darunter die Hohenzollern-Burg bei Hechingen – werden beschädigt, manche müssen
sogar abgerissen werden. 20 Fabrikkamine und 2000 Hauskamine gehen zu Bruch. Rettungskräfte zählten
25 Verletzte im Bebengebiet.