Professor Patt, wie kommt es, dass Sie als Klimaforscher so optimistisch wirken?
Grundsätzlich kommt man, denke ich, weiter mit Optimismus. Die Idee, dass alles hoffnungslos ist, führt zu Disengagement – zu Resignation. Vor allem aber glaube ich beim Klimawandel tatsächlich, dass wir dieses Problem lösen können.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Entscheidend ist, dass wir das als technologisches Problem verstehen – also eines, das wir mit technischen Mitteln bearbeiten können.
Ohne gesellschaftlichen Umbau?
Natürlich spielt auch gesellschaftlicher Wandel eine Rolle, aber in erster Linie geht es um einen Wandel in den Technologien – namentlich bei der Energiegewinnung und -nutzung. Um die herbeizuführen, brauchen wir eine ganze Reihe politischer Maßnahmen. Das Gute ist: Es sind ja schon sehr viele ergriffen worden – und wenn wir schauen, ob die dazu geeignet sind, diesen technologischen Wandel zu beschleunigen, stellen wir fest: Die funktionieren tatsächlich.
Welche Maßnahmen meinen Sie?
Ein gutes Beispiel, das oft übersehen wird, ist die Dämmung und Heizung von Gebäuden: Da gibt es in fast ganz Europa mittlerweile für Neubauten die Pflicht, sie mit CO2-neutralen Energiesystemen auszustatten. Als Nächstes müssen wir die Altbauten in den Griff bekommen: Ein gutes Modell ist das, was Zürich da macht, wo ich lebe. Hier ist es jetzt verboten, ein bestehendes Fossilheizsystem durch ein neues zu ersetzen. Man muss stattdessen eine Wärmepumpe einbauen.
Oder man lässt‘s halt?
Es wäre sinnvoll, das zu fördern, damit sich jeder diesen Wechsel auch leisten kann. Noch wichtiger ist natürlich, dass die meisten Länder bei der Energieversorgung mittlerweile auf die Förderung der Erneuerbaren setzen. Im vergangenen Jahr sind weltweit fast 80 Prozent der Investitionen in diesem Sektor in Erneuerbare geflossen – vor allem Photovoltaik und Windenergie. Das und der Umstieg aufs E-Auto sind entscheidende Schritte.
Müssen wir den Verkehr dann nicht drastisch reduzieren?
Selbstverständlich wären unsere Städte schöner, wenn wir weniger Autos hätten. Aber ich warne davor, sich zu verzetteln. Wenn wir alle Probleme der Welt lösen wollen, bräuchten wir natürlich einen sehr viel größeren Wandel. Das in 25 Jahren zu schaffen, wäre wirklich schwer. Wirklich dringend etwas tun müssen wir gegen den Verlust von Diversität – und gegen den Klimawandel.
Das Klimaproblem können wir lösen, ohne die Biodiversität zu verschlechtern, indem wir von Verbrennermotoren auf E-Mobilität umsteigen. Andere Probleme werden dadurch nicht schlimmer: Die Umweltverschmutzung infolge von Lithiumgewinnung ist wesentlich kleiner, als die Umweltverschmutzung durch Ölförderung.
Aber auch E-Autos fahren nicht CO2-frei und sind zudem doch so schrecklich ineffizient?
Wie man‘s nimmt: Ein E-Auto mit zwei Personen verbraucht pro Kopf weniger Strom, als das Schweizer Eisenbahnnetz pro Passagier, das habe ich mit einer Arbeitsgruppe untersucht. Die Auslastung der Schienenverkehre ist einfach zu gering. Also: Im Schnitt ist ein E-Auto nicht viel schlimmer als Schienenverkehr.
Sie haben jetzt als Zeitrahmen eine Spanne von 25 Jahren genannt. Haben wir es tatsächlich mit der letzten Generation zu tun, die das noch erreichen kann?
Ja, da würde ich zustimmen. Es liegt jetzt an uns. Auf jeden Fall. Nur muss man sich, um die Chancen realistisch zu ermessen, auch fragen, ob wir bis jetzt etwas Bedeutsames erreicht haben. Viele Leute sagen: Nein, wir haben gar nichts erreicht. Das stimmt aber einfach nicht. Wir haben viel gemacht – und vor allem die Sachen, die wirklich nötig waren.
Aber geht das dafür dann nicht alles viel zu langsam?
Doch. Das Tempo muss zunehmen, da haben Sie völlig recht. Das letzte Windrad, das in der Schweiz gebaut worden ist, hat 30 Jahre gebraucht. So kann das nicht weitergehen. Es scheint aber im Wesen von technologischer Transformation zu liegen, dass sie sehr langsam anfängt – und sich ab einem gewissen Punkt dann sehr rasch beschleunigt.
Bei der Umstellung vom Pferd aufs Auto war das auch so: Etwa 30 Jahre nach der Erfindung lag der Anteil der Autos am Verkehr bei etwa einem Prozent, dann, weitere 20 Jahre später, sind wir nahe 100 Prozent. Es kann also gut sein, dass eine solche Beschleunigung jetzt einsetzt. Vielleicht auch, aber das ist zweifelhafter, bei der Landwirtschaft. Wir hinken auch bei den industriellen Prozessen ein wenig hinterher. Aber zu erwarten ist es bei allen erneuerbaren Energiequellen.
Warum?
Weil die Technik so weit ist, dass sie schnell und in großem Maßstab produziert werden kann. Nehmen Sie zum Beispiel die Photovoltaik. Da muss man mal sagen: Gott sei Dank gibt es Deutschland. Die haben sich ökonomisch so ein bisschen geopfert und die Forschung und Entwicklung Anfang des Jahrhunderts extrem gefördert.
Ja, ja, und dann, als sie marktreif war, China überlassen…
Entscheidend ist, dass sie jetzt jedenfalls so billig geworden ist. Ein ähnliches Bild haben wir bei der Windenergie. Bei diesen Technologien, die wirklich notwendig sind, hat es einen derartigen Wandel gegeben, dass die Umstellung auf Erneuerbare mittlerweile wahrscheinlich auch wirtschaftlich profitabel ist.
Profitabel?
Ja. Meine Forschungsgruppe hat das für die Schweiz errechnet, dass wir pro Jahr dadurch bis zu zwei Milliarden Franken einsparen würden.