Paul weiß, wie er Frauenherzen brechen kann. Der Alpaka-Mann hat dicht bewimperte Augen, einen verschmitzten Blick und ein braunes Fell mit Löckchen, das sich so weich anfühlt wie bei einem Riesen-Plüschtier.

Gemeinsam mit seinen vier Kumpels und der Besitzerfamilie Braun geht es los zu einer kleinen Spazierrunde durch Fützen, einen Ortsteil von Blumberg am Randen, einige Meter weg von der B 314 zwischen Stühlingen und Tengen.

Mit Alpakas durch die Frühlingslandschaft: Das geht zum Beispiel in Blumberg-Fützen bei der Familie Braun. „Alpakas uff de ...
Mit Alpakas durch die Frühlingslandschaft: Das geht zum Beispiel in Blumberg-Fützen bei der Familie Braun. „Alpakas uff de Gass“ heißt ihr Projekt. | Bild: Schierle, Beate

Der Frühling ist angekommen an diesem Tag, überall sprenkeln weiß blühende Bäume die grünen Wiesen. In der Ferne stehen die filigranen Brücken der Sauschwänzlebahn.

Petra Braun und ihr Mann Martin führen gemeinsam mit den Kindern Max, 25, Hannes, 23 und Lilly, 13, die fünf Alpakas an kurzen Stricken zunächst einen Weg hoch.

Dann geht es durch eine Wiese, wo die Tiere sich begeistert auf den grünen Klee stürzen. Eilig darf man es bei dieser Wanderung nicht haben. „Wandern mit Alpakas entschleunigt total“, findet Mutter Petra Braun.

Wenn die Familie Braun mit ihren Alpakas durch Fützen spazierengeht, gibt es viele erstaunte Blicke. Diese hübschen Tiere sieht man ...
Wenn die Familie Braun mit ihren Alpakas durch Fützen spazierengeht, gibt es viele erstaunte Blicke. Diese hübschen Tiere sieht man nicht alle Tage. | Bild: Schierle, Beate

Petra Braun, 54, und ihr Mann Martin, 51, hatten sich im Jahr 2010 in die Alpakas verliebt, als sie im Fernsehen eine Romanze sahen, in der Alpakas vorkamen.

„Mensch, das sind tolle Tiere“, fand das Paar. Sie machten sich kundig, aber es dauerte noch bis ins Jahr 2018, bis die ersten Alpakas nach Fützen zogen.

Inzwischen hat die Familie fünf der hübschen Tiere: den zaghaften Paul, den wunderfitzigen Fritz, den Schlawiner Toni, den schüchternen Emil, der immer das Schlusslicht bildet, und Eramus, der Sonnenschein, – so stellt Petra Braun ihre Tiere vor.

Es handelt es sich um eine reine Männerrunde, da bei Weibchen sofort das Geflirte und Gestreite losginge.

Vierbeinige Familienmitglieder: Petra Braun mit einem der fünf Alpakas. Die ganze Familie zieht mit.
Vierbeinige Familienmitglieder: Petra Braun mit einem der fünf Alpakas. Die ganze Familie zieht mit. | Bild: Schierle, Beate

Für kleine oder große Runden mit etwa drei Stunden kann man bei den Brauns eine Alpaka-Wanderung buchen. Natürlich geht immer jemand von der Familie mit, um sicherzustellen, dass die Wandergäste gut mit den Alpakas umgehen.

Ihre gemütliche Art wirkt ansteckend: „Man muss immer lachen, wenn man sie ansieht“, sagt Petra Braun, „nach der Wanderung haben alle Gäste ein Lächeln im Gesicht.“

Alpakas sind eine domestizierte Kamelart, die ursprünglich aus den Anden stammt. Sie sind Fluchttiere und mögen es nicht, angefasst zu werden. Deshalb werden die Gäste vor der Wanderung gründlich eingelernt.

So müssen Hunde zu Hause bleiben, weil sie den sanften Tieren Angst machen. „Führen Sie das Alpaka immer rechts von sich“, rät Petra Braun, „das sind sie gewöhnt.“

Die Tiere bestimmen das Tempo

Der Spaziergang rund um Fützen gehorcht dem Tempo der Alpakas. Sie bestimmen, wann gehalten wird und wann es in ihrem gemütlichen Tempo weitergeht.

In einer Zeit, in der jeder aufs Smartphone starrt und von einem Termin zum nächsten hetzt, schlendern da hübsche Tiere durch die Landschaft, die alle Zeit der Welt zu haben scheinen. „Da kommen die Gäste mal richtig runter“, sagt Petra Braun lachend.

Gewagte Frisur: Alpakas kommen aus den Anden und haben ein dickes Fell. Im Frühsommer werden sie deshalb geschoren.
Gewagte Frisur: Alpakas kommen aus den Anden und haben ein dickes Fell. Im Frühsommer werden sie deshalb geschoren. | Bild: Schierle, Beate

Über ihre plüschigen Familienmitglieder weiß sie alles: dass die Kleinen, auch Fohlen oder Crias genannt, in den Anden immer mittags zur Welt kommen, damit sie bis zur nächsten eiskalten Nacht trocknen können.

Dass sie am liebsten Heu und Gras fressen und sehr viel Platz brauchen. Dass sie im Mai geschoren werden und danach gerade noch halb so breit sind. Und dass sie Menschen Ruhe schenken, die heute viele so dringend nötig haben.

Gechillt: Das ist wohl das, was man Alpakas am ehesten nachsagen kann.
Gechillt: Das ist wohl das, was man Alpakas am ehesten nachsagen kann. | Bild: Schierle, Beate

Wandern mit Tieren, so scheint es, ist ein Trend, der an keiner Region mehr vorbeigeht. Man kann mit Eseln wandern, mit Schafen oder eben mit Alpakas, nur ein paar Stunden unterwegs sein oder mit einem Esel die Cevennen durchqueren.

Beim „Eselhof“ in Lenzkirch-Kappel gibt es ebenso Angebote wie beim „Sheeptrekking“ in Steinen im Wiesental.

Mit Schafen wandern im Wiesental

Uwe Braun nennt seine Schafe im dortigen Steinemer Dialekt liebevoll „Schöfle“, bei ihm gibt es Schnupper-, Halbtages- oder Tagestouren für Kinder, Erwachsene oder auch Menschen mit Handicap.

Die Wanderungen bietet der Tierfan, der auch die Tiertafel im Landkreis Lörrach betreibt, um die Kosten für die Haltung seiner 30 Schafe, sechs Lamas und vier Esel wieder ein wenig einzuspielen.

Woher kommt der Trend, mit vierbeinigen Gefährten die Natur unter die Füße zu nehmen? „Viele wollen einfach gern wieder zurück zur Natur“, sagt er. Viele Familien liebten Tiere, hätten aber selbst kein Geld oder keine Zeit, sich dauerhaft um einen eigenen kleinen Zoo zu kümmern.

Alpakas sollten Lust auf die Begegnung haben

Freizeit-Wanderungen mit Tieren seien noch wenig erforscht, sagt die Basler Psychologin Karin Hediger, die sich an der Universität mit tiergestützten Interventionen befasst.

Man habe in der Corona-Pandemie gesehen, dass der Umgang mit Tieren bei Menschen Stress abbauen könne und sie fehlende soziale Kontakte etwas kompensieren könnten.

Treffen zwischen Tier und Mensch gelängen am besten mit bereits domestizierten Tieren, die „Freude am Umgang mit Menschen haben und gern mit uns in Kontakt treten“, sagt sie. Wichtig sei auch, dass das Tier sich zurückziehen könne, wenn es keine Lust habe, gibt sie Interessenten mit auf den Weg.

Und: „Eine Wanderung ist ein einmaliges Erlebnis“, betont sie. Davon sollte man nicht zu viel erwarten. Aber natürlich sei „eine solche Wanderung ein tolles Erlebnis, das sehr schön sein kann“, so die Basler Expertin.

Übermütig: Nach der Wanderrunde ruhen sich die Alpakas auf ihrer Weide aus. Suhlen steht hoch im Kurs.
Übermütig: Nach der Wanderrunde ruhen sich die Alpakas auf ihrer Weide aus. Suhlen steht hoch im Kurs. | Bild: Schierle, Beate

In Blumberg ist die kleine Wanderrunde mit Paul und seinen Kumpels nun zu Ende. Es geht auf die Weide, und der Schritt der hübschen Tiere beschleunigt sich. Als Petra Braun und ihr Mann das Gatter öffnen und die Halfter lösen, geben die Alpakas richtig Gas und springen übermütig auf der Wiese umher.

An einer Stelle ist eine kleine Suhle. Ein Alpaka nach dem anderen steuert sie an und wälzt sich vergnügt im Staub. Paul, mein schüchterner Herzensbrecher, streckt vor Vergnügen seine Hinterbeine in die Luft. Das Leben kann manchmal einfach schön sein.