Die Zurückhaltung beim Impfen ist in Österreich besonders stark ausgeprägt: Nach einer aktuellen Umfrage von „Österreich Trend“ wollen sich nur 17 Prozent der Bürger im Nachbarland „sicher“ impfen lassen. 27 Prozent werden sich „sicher nicht“ eine Spritze geben lassen. Die verbleibenden 56 Prozent schwanken noch und wollen sich kurzfristig entscheiden.

Erstaunlich ist die Unsicherheit in der Bevölkerung. Umfragen des Gallup Instituts von November und Dezember legten noch nahe, dass damals mehr als Hälfte der Österreicher bereit ist, sich ein Vakzin spritzen zu lassen. Je näher der erste Impftermin rückte, desto mehr nahm die Bereitschaft ab, selbst ein Impfzentrum aufzusuchen. Nach Weihnachten schließlich sank die Bereitschaft dazu auf 17 Prozent.

Als ob das nicht genug ist, berichtet der ORF noch, dass die Impfbereitschaft beim Personal in Pflegeheimen schwach ausgeprägt ist. Nur jede zweite Schwester wäre zur Spritze bereit, hieß es in der Sendung „Zeit im Bild“.

Eine Klinikangestellte in Wien wird zum Auftakt am 27. Dezember geimpft. Nach aktuellen Umfragen ist nur jeder zweite Angestellte eines ...
Eine Klinikangestellte in Wien wird zum Auftakt am 27. Dezember geimpft. Nach aktuellen Umfragen ist nur jeder zweite Angestellte eines Altenheims bereit, sich selbst impfen zu lassen. | Bild: Georg Hochmuth / APA / AFP

Mit nur 20 Prozent wäre die Herdenimmunität verfehlt

Auch in Österreich ist das Impfen freiwillig. Dabei ging die schwarz-grüne Regierung immer davon aus, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung für die immunisierende Spritze bereit erklärt. Nur dann geht die Rechnung der Herdenimmunität überhaupt auf.

Nötig wären 50 oder, noch besser, 60 Prozent der Bevölkerung, um langfristig gegen das Virus gewappnet zu sein. Mit einer Impfquote von 20 Prozent wäre Österreich davon weit entfernt – und die Corona-Strategie der Regierung langfristig gescheitert.

Die FPÖ hinterließ ein beschädigtes Gesundheitsressort

Dazu trägt auch das Erscheinungsbild der Regierung in Wien bei. Arbeitete sie beim Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 noch eng zusammen, so wird inzwischen die Bruchlinie zwischen der ÖVP mit Kanzler Sebastian Kurz und den Grünen deutlich spürbar. Das Gesundheitsressort wird vom Grünen-Politiker Rudolf Anschober verwaltet, dem Kurz bereitwillig alle Pannen und Unterlassungen in die Schuhe schiebt.

Dazu kommt, dass zuvor die rechtspopulistische FPÖ von Hans-Christian Strache das Gesundheitsministerium führte. In dieser Ära wurden wichtige Schüsselstellen abgeschafft. Deren Fehlen wurde spätestens mit Beginn der Pandemie schmerzlich spürbar. Erst vor drei Wochen wurde mit Katharina Reich der verwaiste Posten der Sektionschefin (Amtsleiterin) frisch besetzt – kurz vor Beginn der ersten Impfung im Land.

Rudolf Anschober, Gesundheitsminister von Österreich, muss die unbequemen Maßnahmen erklären. Die Pandemie hat sein Ministerium eiskalt ...
Rudolf Anschober, Gesundheitsminister von Österreich, muss die unbequemen Maßnahmen erklären. Die Pandemie hat sein Ministerium eiskalt erwischt, die Behörde war zuvor von der FPÖ strukturell ausgebeint worden. | Bild: Roland Schlager/APA/dpa

Der Impfstoff ist da, nur wurde kaum geimpft

Wie in Deutschland wurde auch in Österreich am 27. Dezember der erste Bürger gegen Corona geimpft. Doch in den Tagen darauf haperte es mit der Fortsetzung. Obwohl bis Ende 2020 mehr also 120.000 Impfdosen nach Österreich geliefert werden konnten, wurden in Altenheimen nur 6770 Stück ausgegeben. Der Rest war und ist mit hohem Aufwand zwischengelagert.

Zum Vergleich: In Deutschland wurde im selben Zeitraum 190.000 Menschen eine Injektion verabreicht. Selbst wenn man die beiden Bevölkerungen ins Verhältnis setzt (etwa eins zu neun), ist die Impfrate für Österreich noch immer gering.

Da besteht eine große Skepsis, weil der Stoff neu ist

Die Regierung und die neue Sektionschefin Reich können das nicht schlüssig erklären. Nur einen Grund vermochte sie zu nennen: Das Fachpersonal sei in den Weihnachtsferien und daher nicht verfügbar.

Die österreichische Ärztekammer hat eine andere Erklärung: Der neuartige mRNA-Impfstoff schrecke viele Bürger erst einmal ab. Gegen ihn bestehe eine „grundsätzliche Skepsis“, sagt Sophie Niedenzu dem SÜDKURIER. Der Stoff sei neu entwickelt, und skeptisch werdende Bürger wünschten kein Experiment an ihrem Körper.

Querdenken auch in Österreich: Eine Demonstration in Graz trägt während einer Demonstration eine Maske mit einem Loch.
Querdenken auch in Österreich: Eine Demonstration in Graz trägt während einer Demonstration eine Maske mit einem Loch. | Bild: Erwin Scheriau/APA/dpa

Entwarnung gibt ihr Kollege Rudolf Schmitzberger, Impfexperte der Ärztekammer. Er ist überzeugt, dass die Impfungen gut angenommen werden, wenn sie erst einmal angelaufen sind. Bisher haben sich drei Viertel der niedergelassenen Ärzte für die eigene Impfung bereit erklärt. „Das ist gut“, sagt der gelernte Mediziner. Das verbleibende Viertel werde später schon mitziehen und die Patienten überzeugen.