Wir sitzen hier auf der Reichenau – einem schönen Ort in Südbaden. Wird dieser lauschige Platz in 10 oder 20 Jahren auch noch so unversehrt sein?
Das hängt von uns ab. Es ist ein Glück, hier zu leben. Aber das bringt auch eine Verantwortung mit. Wir müssen die richtigen Weichen stellen, um Natur und Landschaft zu erhalten.
Viele Bürger sehen in der CDU nicht jene Partei, welche die richtigen Weichen stellt, wenn es um den Schutz der Umwelt geht.
Wir haben viel gemacht. Ich erinnere an Umweltminister wie Klaus Töpfer oder dann Angela Merkel. Es entspricht auch unseren Werten: Erhalten und bewahren, Verbundenheit zu Natur und Heimat. Aber zugegeben: Wir haben eine Lücke entstehen lassen. Denn wir erreichen unsere eigenen Ziele nicht.
Welche Ziele sind das?
Wir schaffen es nicht, bis nächstes Jahr 40 Prozent CO2 gegenüber 1990 einzusparen. Ein herber Rückschlag! Deshalb sind wir gefordert. Noch dieses Jahr brauchen wir ein glaubwürdiges Programm, um das schnell nachzuholen und das Ziel für 2030 zu erreichen. Für die Union erarbeite ich gemeinsam mit CSU-Kollege Georg Nüßlein gerade ein Konzept. Wir sind mit Hochdruck dran, bis September muss es fertig sein. Dann wird die Bundesregierung grundlegende Beschlüsse für ein Klimaschutzgesetz fassen.
2011 wurde nach der Katastrophe von Fukushima die Energiewende verkündet. Um dieses Thema ist es auffällig still geworden. Der zuständige Minister Altmaier verliert an Rückhalt. Was ist los?
Die Energiewende kommt voran, doch es gibt auch Probleme. Wir sind schneller als erwartet bei 40 Prozent Ökostrom, haben aber zu wenig Speicher. Und es stockt beim Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden. Da müssen wir ran, aber die Menschen dabei mitnehmen. Wir haben die schwarze Null erreicht– keine neuen Schulden, jetzt brauchen wir noch die grüne Null – Klimaneutralität bis 2050, aber wir wollen keine gelben Westen!
Sie spielen auf Frankreich an?
Präsident Macron wollte die Spritpreise erhöhen, um den Energieverbrauch zu senken. Damit entfachte er die Bewegung der Gelbwesten. Denn viele Leute vor allem auf dem Land hatten den Eindruck, dass man ihnen nur in die Taschen greifen will. Wir wollen nicht einfach eine neue Steuer obendrauf setzen. Bürger und Unternehmen sollen unterm Strich nicht mehr bezahlen. Das Gestrüpp aus Abgaben, Umlagen und Steuern auf Energie muss aber so umgebaut werden, dass es Anreize gibt – ein Preissignal für Klimaschutz!
In den letzten Monaten hat sich einiges verändert. Der Klimaschutz ist zur breiten Bewegung geworden.
Ja, Klima spielt eine ganz große Rolle. Das war 2006 schon einmal so, dann gingen die Scheinwerfer wieder weiter. Jetzt treibt es die Menschen um. Erst gestern hatte ich ein Gespräch mit Schülern von Fridays for future. Früher war die erste Frage in Schulklassen oft, wann Cannabis legalisiert wird. Heute drängen die Schüler, dass wir als Politiker mehr für die Zukunft des Planeten tun. Die Jugendlichen treffen damit einen Nerv. Die Entwicklungen sind noch bedrohlicher als die Prognosen.
Was ist mit der Windkraft los? Früher wurde sie freudig begrüßt, Bürger beteiligten sich an der Finanzierung. Inzwischen gibt es Widerstand überall dort, wo auch nur ein Antrag für eine neue Anlage gestellt wird.
Das gibt es bei Windkraft, aber auch bei Stromtrassen. Die Energiewende braucht langfristig Akzeptanz. Deshalb müssen wir auch Nachbarn und Natur, Landschaft und seltene Arten berücksichtigen. Aber das darf den Ausbau nicht verhindern. Wir müssen Kernenergie und Kohle ersetzen und wer aussteigt muss auch einsteigen. In Baden-Württemberg setzen wir auf die Sonne und auf Windkraft wo sie effizient ist. Und wir brauchen auch Wasserkraft, Geothermie und Biogas.
Zur CDU: Auf dem Parteitag in Hamburg waren Sie unter den Delegierten, die Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt haben. Inzwischen hat sie immer mehr Gegner, auch in der CDU.
Wir sind in der CDU im Umbruch. Angela Merkel hat erklärt, dass sie bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren wird. Ich habe Kramp-Karrenbauer gewählt und ich bin immer noch überzeugt von ihr. Sie hat schon einiges erreicht. Das Verhältnis zwischen CDU und CSU hat sich deutlich verbessert, seit AKK Vorsitzende ist. Sie fährt konsequent einen Kurs der Mitte und da gehört die CDU auch hin.
Aber nochmals: Die CDU-Chefin steht öffentlich nicht mehr so gut da wie zu Beginn ihrer Amtszeit.
Erinnern Sie sich noch an die Diskussionen, die es über Angela Merkel gab, als sie CDU-Chefin war, aber noch nicht Kanzlerin? Sie kann es nicht, hieß es. Wenn Sie noch weiter zurückblättern zu Helmut Kohl, da war es genauso. Wahr ist: Es gibt Debatten in der Union, aber die werden uns nicht zerreißen.
Viele Bürger, die an der Europa-Wahl im Mai teilnahmen, fühlen sich übers Ohr gehauen. Sie wählten in der Annahme, dass ein Spitzenkandidat das Rennen für den Kommissionsvorsitz macht. Nun ziehen die Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen aus dem Hut, die bisher nicht zur Debatte stand.
Über den Prozess ärgere ich mich auch. Die Parteienfamilien haben Spitzenkandidaten aufgestellt, die EVP bekam die meisten Stimmen und Manfred Weber hätte deshalb Kommissionspräsident werden müssen. Leider hat es das Europäische Parlament nicht geschafft, ihn als Sieger vorzuschlagen. Sozialdemokraten und Liberale dort lehnten ihn gleich ab, ohne eine Mehrheit für einen anderen Kandidaten zu haben. Damit haben auch sie die Idee der Spitzenkandidaten beschädigt. Das Parlament muss ja zustimmen. Hätte es dort eine klare Mehrheit für einen Kandidaten gegeben – die Regierungschefs wären daran nicht vorbeigekommen. Trotzdem wünsche ich jetzt Ursula von der Leyen, dass sie gewählt wird.
Fragen: Uli Fricker
Zur Person
Andreas Jung, 44, ist CDU-Politiker und Mitglied des Bundestags. Auf die Umwelt hat er sich bereits in jungen Jahren spezialisiert. Der gebürtige Stockacher zählt zu den einflussreichen Unions-Politikern in Berlin. Er ist Chef der Landesgruppe sowie Fraktionsvize mit dem Schwerpunkt Finanzen und Haushalt. Mit seiner Familie wohnt er auf der Insel Reichenau. Dort wurde auch das Interview geführt – an der Sandseele, einem der Lieblingsorte des CDU-Mannes.