Guy Simon und dpa

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe Forensische Psychologie der Universität Konstanz hat das Bundeskriminalamt (BKA) ein neues System entwickelt, um sogenannte Gefährder besser einstufen zu können. Das sind Personen, von denen potenziell die Gefahr ausgeht, eine politisch motivierte Straftat zu verüben. Beispielsweise also Islamisten, die sich in Deutschland gemäß der Ideologie von Al Kaida und IS am bewaffneten Kampf beteiligen wollen. Die deutschen Sicherheitsbehörden stufen aktuell rund 570 Islamisten als Gefährder ein. Etwa die Hälfte dieser Männer und Frauen halte sich in Deutschland auf, teilte das BKA mit.

Das Konstanzer System Radar-iTE soll die vorhandenen Bewertungssysteme nicht ersetzen, sondern ergänzen, erklärt Jennifer Kailing vom BKA auf Anfrage. Jetzt sei es möglich, mit einem Mindestmaß an Informationen alle Gefährder bundesweit zu überprüfen. „Radar-iTE ist allerdings keine Software. Mit einem Fragebogen werden risikosteigernde als auch -senkende Merkmale einer Person erhoben“, erläutert Kailing.

Die Bewertung erfolge anhand verschiedener Kriterien: „Die Sachbearbeiter in den Ländern ziehen möglichst viele Informationen zu Ereignissen aus dem Leben der Person heran, die zum besseren Gesamtverständnis einer aktuell bestehenden Problemsituation notwendig sind“, sagt die BKA-Sprecherin. Die abgefragten Informationen beziehen sich auf beobachtbares Verhalten – und nicht etwa auf Merkmale wie die Gesinnung oder Religiosität einer Person. Vielmehr steht beispielsweise im Fokus, wie oft und wo sie im Ausland war, oder ob sie polizeilich in Erscheinung getreten ist.

Vergleichbarkeit wird geschaffen

Festgelegte Regeln erlauben eine entsprechende Beurteilung in drei Kategorien mit einem hohen, einem auffälligen und einem moderaten Risiko. „Der Vorteil ist, dass eine noch bessere Beurteilung vorgenommen werden kann und eine Vergleichbarkeit entsteht. Die Sachbearbeiter können beispielsweise ermitteln, wie viele Personen sich im Hochrisikobereich befinden“, sagt Kailing. Noch in der Entwicklung befindet sich das Risiko-Analyse-System „Riskant“, welches eine noch exaktere einzelfallorientierte Beurteilung ermöglichen soll.

Radar-iTE liefert keine Angaben, mit welchen Mitteln schließlich mit den Gefährdern umgegangen werden soll, etwa mit Fußfesseln, was aktuell diskutiert wird. „Die Ergebnisse der Bewertung fließen in die konkrete Planung der individuellen Interventionsmaßnahmen der sachbearbeitenden Dienststelle ein“, sagt Kailing. Derzeit werden Polizisten in der Anwendung des Systems geschult.

Das Konstanzer Forschungsteam hatte vor der Entwicklung von Radar-iTE drei Jahre Attentate an Schulen analysiert. Dabei haben die Wissenschaftler ein ähnliches Bewertungssystem für Täter erstellt, mit dem Ergebnis: Kein Fall gleicht dem anderen – aber bei der Ausführungsgefahr der Drohung gibt es bestimmte Prinzipien und Muster.