Ein SÜDKURIER-Artikel über den mühsamen Versuch, die Grundsteuererklärung auszufüllen, hat ein großes Echo hervorgerufen. Zahlreiche Leser haben sich gemeldet und sich für die hilfreichen Tipps bedankt. Oder von ihrem Kampf mit dem Elster-Portal berichtet, wie beispielsweise Reiner Ruf auf Rielasingen.

Wie viele andere Deutsche fragt sich Reiner Ruf: Warum muss die Abfrage von ein paar Daten, welche den Finanzämtern ohnehin vorliegen dürften, so kompliziert sein? Wozu braucht es solche Monsterformulare, die der normale Bürger nur versteht, wenn er sich Erklär-Videos und Infotexte dazu durchliest? Eine Spurensuche durch die deutsche Verwaltungssprache.

Erste Station: Oberfinanzdirektion Karlsruhe

Millionen Deutsche sollen die Grundsteuerklärung möglichst über das Online-Portal Elster abgeben. Die Formulare dort sind schwer zu finden. Sehr komplex aufgebaut. Setzen Begriffe wie „Zähler“ und „Nenner“ voraus, welche normale Bürger in diesem Zusammenhang nicht verstehen.

Da fragt man sich: Wurden diese Formulare mal normalen Bürgern vorgelegt, bevor man sie die breite Masse ausfüllen lässt? Die Antwort von Grit Mayer, persönliche Referentin des zuständigen Oberfinanzpräsidenten Baden-Württemberg: „Für die Formulare zur Grundsteuererklärung wurden Bürgerinnen und Bürger nicht in das Entwicklungsverfahren einbezogen. In Anbetracht der kurzen Entwicklungszeit war dies leider auch nicht möglich.“

Anders sehe dies bei der Einkommensteuerklärung aus, die auch über Elster abgegeben werden kann. Hier sammle man Anregungen und Kritik und arbeite diese laufend ein. „Aktuell bekommen wir viel Feedback zur Benutzerfreundlichkeit von Elster. Dieses nehmen wir sehr ernst und arbeiten daran“, so Grit Mayer weiter.

Zweite Station: Finanzministerium Baden-Württemberg

Für die Grundsteuerreform werden Daten wie Name, Geburtsdatum, Steuer-Identifikationsnummer, Adresse, Flurstück-Nummer sowie Bodenrichtwert abgefragt. Südkurier-Leser Reiner Ruf aus Rielasingen findet dies skandalös. „Die Behörden haben doch alle diese Angaben. Wozu fragen sie sie dann noch in einem Monsterformular ab?“

Das könnte Sie auch interessieren

Jasmin Bühler, Pressesprecherin im Finanzministerium Baden-Württemberg, gibt Reiner Ruf Recht, dass die Daten teilweise elektronisch schon vorlägen, „aber nicht so umfassend und technisch verwendbar, dass sie vollautomatisch und korrekt bearbeitet werden können“. So seien beispielsweise die Grundbucheinträge nicht immer aktuell, wenn etwa das Grundbuch nach einem Erbfall nicht berichtigt wurde.

Und dann gebe es noch Angaben, die der Steuerverwaltung bislang tatsächlich noch nicht bekannt seien. „Zum Beispiel muss jetzt zum ersten Mal angegeben werden, ob ein Grundstück hauptsächlich zum Wohnen genutzt wird. Nur dann kann es bei der Berechnung der zu zahlenden Grundsteuer auch bessergestellt werden“, so Jasmin Bühler.

Dritte Station: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim

Die Finanzverwaltung ist also auf die Mitarbeit der Bürger angewiesen, um die Grundsteuer neu berechnen zu können. Wie kann es dann sein, dass die Formulare von den Bürgern nicht oder nur schwer verstanden werden?

Sprachwissenschaftlerin Christine Möhrs arbeitet seit 2019 am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache am Projekt „Bürgernahe Sprache“ der deutschen Finanzbehörden mit. Hier wurden unter anderem auch die standardisierten Anschreiben zur Grundsteuerreform sowie die Erklär-Texte auf den Seiten von „Mein Elster“ mit betreut und bearbeitet. Sprich: Es gab durchaus Versuche, das Ganze für den Bürger verständlicher zu gestalten.

„Bei den Formularen selbst kommt man aber einfach an Grenzen, sie bürgernah formulieren zu können. Denn es müssen so viele Sonderfälle damit abgedeckt werden und juristisch muss auch noch alles stimmen“, sagt Christine Möhrs. Deshalb setze man auf möglichst verständliche Ausfüllanleitungen oder auf zusätzliche Erklär-Videos der zuständigen Finanzbehörden.

Vierte Station: Idema GmbH für verständliche Sprache

Haben die Behörden also wirklich alles Mögliche dafür getan, den Deutschen die Grundsteuererklärung so verständlich wie möglich zu machen? Michaela Blaha kann darüber nur lachen. Die Germanistin setzt sich seit 22 Jahren dafür ein, dass Behördensprache verständlicher wird. Ihr Eindruck: „Während viele Unternehmen hier echt viel verbessert haben, bin ich bei vielen Behörden nach wie vor fassungslos.“

Der Grund dafür liegt für Blaha auf der Hand: „Unternehmen müssen Geld verdienen, Behörde nicht.“ Wenn ein Online-Shop schlecht aufgebaut sei oder technisch nicht funktioniere, kaufe der Kunde eben woanders.

Michaela Blaha ist Germanistin und Expertin für verständliche Sprache.
Michaela Blaha ist Germanistin und Expertin für verständliche Sprache. | Bild: Blaha

Wenn aufgrund einer unverständlichen Gebrauchsanweisung ein Unfall passiere, dann könne das für ein Unternehmen sehr teuer werden. Und Mitarbeiter, die Kunden-Nachfragen beantworten müssten, könnten in dieser Zeit ihrer eigentlichen Arbeit nicht nachgehen. Das koste die Unternehmen Geld.

„Bei den Finanzbehörden ist das ja nicht anders, wenn da nun reihenweise Bürger anrufen und mit der Grundsteuererklärung nicht weiterkommen“, sagt Michaela Blaha. „Bezahlen muss solche ineffizienten Vorgänge der Bürger über die Steuergelder und das darf man sich nicht länger gefallen lassen.“

Statt sich in der Familie oder mit den Nachbarn darüber aufzuregen, wie nervig die Grundsteuerklärung ist und wo man überall Probleme hatte, rät Blaha dazu, sich bei den Finanzbehörden zu beschweren. „Am besten schriftlich, damit das auch dokumentiert ist.“

Fünfte Station: Uni Hohenheim, Bereich Verständlichkeitsforschung

Ob Corona-Kommunikation, Wahlplakate oder Informationen von Banken: Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider untersuchtut mit seinen Mitarbeitern an der Universität Hohenheim seit Jahren viele verschiedene Texte auf Verständlichkeit.

In diesem Zusammenhang macht er auch immer wieder auf die Ressourcenverschwendung aufmerksam, die schlechte Kommunikation mit sich bringt. „Wir konnten in Forschungsprojekten zeigen, dass bis zu einem Drittel weniger Menschen mit Rückfragen anrufen, wenn ein Anschreiben verständlich formuliert wurde“, sagt Frank Brettschneider.

Frank Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim.
Frank Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. | Bild: Marijan Murat

Zusammen mit dem Communication Lab Ulm wurde von den Hohenheimer Kommunikationswissenschaftlern die Software „Textlab“ entwickelt. Ähnlich wie bei einer Rechtschreibprüfung kann damit ein Text auf Verständlichkeit hin gescannt und entsprechend verbessert werden. Brettschneider zufolge gibt es auch schon ein paar Verwaltungen, die damit erfolgreich arbeiten.

Hoffnung machen ihm aber vor allem die Bürger, die seiner Wahrnehmung nach zunehmend Druck ausüben würden. „Inzwischen kann ich mit wenigen Klicks einen Termin beim Friseur buchen oder eine neue Küche konfigurieren. Die Leute sehen ja, was insbesondere digital alles möglich ist. Und das erwarten sie dann zurecht auch von öffentlichen Einrichtungen, die sie ja immerhin mitfinanzieren.“