Ach, diese Jugend! Kann man die überhaupt ernst nehmen? Mal wählt sie rechts, dann wieder links, vor ein paar Jahren war sie noch mehrheitlich grün. Weiß die überhaupt, was sie will?! Vermutlich einfach etwas anderes, als das, was sie zurzeit geboten bekommt.

Nun sind die U18-Wahlen von begrenzter Aussagekraft, zu gering ist die Basis der Befragten. Ein Stimmungsbild liefern diese Testwahlen unter Minderjährigen eine Woche vor der eigentlichen Bundestagswahl aber dennoch. Tatsächlich sollten sich Politiker die Ergebnisse gut anschauen. Hier zeigen schließlich ihre Wähler der Zukunft, worauf es ihnen ankommt.

Leider ist das Interesse an der jüngeren Generation ansonsten gering. Da genügt ein Blick auf die Rolle, die soziale Sicherungssysteme im Wahlkampf spielen: Kinderarmut ist kein Thema. Fragen nach der Zukunft der Rente werden konsequent beiseite gewischt. Was die Lücken in der Pflegeversicherung für die heute Jungen bedeutet, wenn sie älter werden – auch darüber will man lieber nicht reden.

Die am meisten vernachlässigte Minderheit

Das ist auch kein Wunder, es ist eine schlichte demografische Konsequenz: Die Jungen werden in Deutschland immer weniger, die Alten mehr. Aktuell sind 13 Prozent der Wahlberechtigten unter 30, aber 42 Prozent sind über 60. Bei den übernächsten Wahlen werden die Rentner in der Mehrheit sein. Parteien, die Wahlen gewinnen wollen, orientieren sich an den Interessen und Themen der Älteren. Ihr Einfluss dürfte also weiter wachsen.

Die Dortmunder Soziologen Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmaier halten Kinder und Jugendliche deshalb für die am meisten vernachlässigte Minderheit in Deutschland, für „strukturell diskriminiert“.

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Dabei geht es den heutigen Kindern und Jugendlichen materiell in der Mehrheit besser als den meisten vorangegangenen Generationen der bundesdeutschen Geschichte. Hunger leiden muss heute eigentlich keiner mehr, neue Klamotten sind bei den allermeisten eine Selbstverständlichkeit, manches Kind hat gar schon die halbe Welt bereist.

Gleichzeitig erleben diese Kinder, wie notorisch zu wenig Geld da ist für ihre Bildung, wie sie in der Pandemie als erstes zum Daheimbleiben verdammt wurden.

Die Erwachsenen versagen

Überhaupt jagt in ihrer noch geringen Lebensspanne gefühlt eine Krise die nächste: Klima, Corona, Ukraine, digitale Disruptionen, politische Gewissheiten, die auf den Kopf gestellt werden. Das hinterlässt Unsicherheit – und das Gefühl, dass es die Erwachsenen nicht auf die Reihe bekommen oder bekommen wollen.

Die Wut mancher jungen Klimaaktivisten kann man so ganz einfach erklären: Es geht dabei nicht nur um Klimaschutz, sondern die Bereitschaft, sich um die Lebensgrundlagen der künftigen Generation zu kümmern. Also eigentlich um die fehlende Bereitschaft.

Derweil bröckeln die Straßen und Brücken, für den Ausbau klimaschonender Infrastruktur wie der Bahn ist auch nicht genug Geld da. Geschweige denn genügend Menschen, die den Laden am Laufen halten. Von den wenigen, die heute nachkommen, wird derweil stillschweigend erwartet, dass sie die Boomer durch die Rente tragen. Keine rosigen Aussichten.

Was uns in die Zukunft führt

Warum wird Politik eigentlich gemacht? Vielleicht würde es helfen, sich bisweilen darauf zu besinnen, was uns in die Zukunft führt, beziehungsweise wer – die Jungen nämlich, die nächste Generation. Die Kinder sollen es mal besser haben – das war ganz lange ein selbstverständlicher Gedanke von Eltern.

Nun, wo wir demografisch und materiell den Zenit wohl überschritten haben, ist der offenbar abhandengekommen. Er sollte aber wieder in den Fokus rücken. Der Satz würde dann wohl leicht verändert in: Sie sollen es nicht schlechter haben. Oder eben: so gut wie möglich. Egal, wie man den Satz formuliert: Es ist noch viel Luft nach oben.