Bei wenigen Zahlenwerken gehen die Interpretationen so weit auseinander, wie es bei der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Fall ist. Die Urteile darüber reichen von „Katastrophe“ bis „kaum der Rede wert“ – je nachdem, aus welchem politischen Lager sie kommen.
So ist es auch in diesem Jahr. Daraus folgen routiniert die daraus abzuleitenden Forderungen der Parteien, Polizeigewerkschaften und Sozialverbände, doch auch die sind schnell wieder vergessen. Was am Ende bei der Bevölkerung hängen bleibt, ist das Gefühl, dass sich irgendwie alles zum Schlechteren verändert hat.
Das liegt auch an den Schwächen der PKS. Sie verspricht mit einem Zahlenwust eine Vollständigkeit, die sie gar nicht hergibt. Denn darin werden lediglich alle in Deutschland erfassten Straftaten gesammelt und zusammengerechnet.
Viele Fragen, komplizierte Antworten
Im Jahr 2023 waren es rund 5,9 Millionen Delikte, was einem Anstieg von rund 5,5 Prozent gegenüber 2022 entspricht. Ist das nun eine Katastrophe? 2016 wurden mit rund 6,4 Millionen viel mehr Straftaten erfasst, also doch alles kaum der Rede wert?
Die Antworten auf diese Fragen sind so kompliziert wie die Polizeiarbeit selbst. Denn wie diese Zahlen zustande kommen, hängt etwa davon ab, wie sich die Gesetze in der Zwischenzeit verändert haben. Werden sie verschärft, werden tendenziell mehr Delikte erfasst. Auch die aktive Arbeit der Ermittler ist entscheidend: Wird mehr kontrolliert, wird mehr erfasst.
Ebenso wichtig ist die gesellschaftliche Sensibilisierung, gerade wenn es um häusliche Gewalt oder andere Straftaten geht, die im Verborgenen stattfinden und erst einmal zur Anzeige gebracht werden müssen. All diese Aspekte lässt die PKS außen vor, worauf übrigens auch das Bundeskriminalamt bei der Veröffentlichung der Zahlen immer explizit hinweist.
Trotzdem gehen diese Details in der Debatte unter und der politische Fokus richtet sich auf die Menschen, die in der PKS auftauchen. Und da ganz gezielt: auf die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen. Besonders aus konservativen Kreisen folgt darauf oft die Forderung, Migration müsse stärker begrenzt werden und die Polizei mit harter Hand agieren.
Diese Reaktion ist teilweise verständlich. Für Sicherheit zu sorgen ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Erfüllt er diese Aufgabe aus Sicht der Bürger nicht und lässt sich auf der Nase herumtanzen, verliert er seine Legitimation.
Nicht nur auf Ausländer fokussieren
Falsch und letztlich sogar schädlich ist aber die extreme Fokussierung auf ausländische Tätergruppen. Nicht, weil diese Menschen anders zu behandeln wären, wenn sie kriminell werden. Im Gegenteil: Gleichbehandlung muss auch bei der Strafverfolgung gelten. Und gibt es bestimmte Konflikte, die nun einmal unter Migranten häufiger auftauchen als bei der alteingesessenen Bevölkerung, muss die Polizei auch darauf reagieren können.
Dabei können religiöse Unterschiede eine Rolle spielen, falsche Vorbilder oder schlichtweg Frust über die eigenen, oft nicht gerade rosigen Lebensumstände. Gewalttätige Ausschreitungen, wie es sie etwa nach dem Angriff der Hamas auf Israel auch in Deutschland gab, oder überbordende Krawalle an Silvester sind Symptome davon. Das heißt aber nicht, dass solche Vorfälle hinzunehmen wären.
Gerade nach solchen Eskalationen ist Differenzierung entscheidend. Wer den Blick immerzu nur auf Migranten richtet und ihnen pauschal eine gescheiterte Integration unterstellt, verschärft höchstens soziale Spannungen. Dass diese im Zusammenleben unterschiedlichster Menschen nicht ausbleiben, versteht sich von selbst. Und dass es bei Gewalt keine Toleranz geben darf, ebenso.
Die PKS liefert aber auch ganz sachdienliche Hinweise, wo die Politik mit Maßnahmen ansetzen könnte. So ist die Zahl der Straftaten besonders in armen Gegenden auffallend stark gestiegen, sowohl in Städten als auch auf dem Land. Und der Anteil der minderjährigen Verdächtigen ist leicht angestiegen. Das ist keine Katastrophe, aber es ist auch nicht egal. Doch man kann damit arbeiten, ganz ohne Polemik.