Herr Schröder, vor einigen Tagen traten Sie bei den Querdenkern in Stuttgart auf. Ihr erster Satz war ein echter Knaller, Sie sagten da: “Mein Name ist Schröder, ich komme aus dem Mainstream.“ Wie kommt man darauf?

Über mich wurde in den vergangenen Jahren gerne gesagt, ich sei ein „Mainstream-Clown“ und eine GEZ-Nutte“. So kam ich auf die Idee, mich den Leuten in Stuttgart genau so vorzustellen. Dort dachten viele, ich sei bekehrt und zu den Querdenkern konvertiert, ins Lager der Corona-Skeptiker. Also habe ich eine klare Standortbestimmung abgegeben.

Ihre Einladung zum „Querdenken 711“ beruhte auf einem Missverständnis. Die Veranstalter dachten tatsächlich, Sie hätten sich auf ihre Seite geschlagen. Wie fühlen Sie sich, als dann alles buhte?

Das fühlt sich in diesem Moment sehr gut an. Es ist Teil meiner Performance. Ich hatte es einkalkuliert, dass es dazu kommen könnte. Ich hatte kein heimatliches Gefühl dort, die Leute hatten auch keinen Eintritt bezahlt wie sonst bei meinen Veranstaltungen.

Wurden Sie dann angegangen, als Sie die Szene verließen?

Nein, die Menschen waren eher still, manche schienen frustriert. Man strafte mich wie einen unanständigen Schüler mit Nichtbeachtung.

Sie traten auch für die Grundrechte ein.

Ja, die Querdenker und mich verbindet, dass wir unbedingt für die Grundrechte streiten. Ich hänge schon beruflich von der Meinungsfreiheit ab. Ich sehe diese nicht als eingeschränkt an. Bei uns darf jeder alles sagen, man muss aber danach mit den Konsequenzen leben. Das ist dann der Unterschied zu den Querdenkern.

Und dann zitieren sie plötzlich den Hegel aus Stuttgart.

Eine kleine Lektion in dialektischem Denken kann nicht schaden. Wir sind dabei, die gute Dialektik zu verlernen. Das bedeutet nichts anderes, als immer auch die Gegenposition mitzudenken. Wir übernehmen die Position des Gegners, um ihn besser zu verstehen und dann zu widerlegen, wo es nötig ist. Bei uns geschieht derzeit das Gegenteil: Wir umgeben uns am liebsten nur noch mit Gedanken, denen wir ohnehin zustimmen. Das reicht nicht. Abwehrkräfte stärkt man nicht in der Isolation.

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Sie werden gerne als Philosoph unter den Kabarettisten zitiert. Trifft das zu?

Ganz gut. Dieses Fach habe ich früher studiert, insofern fühle ich mich hier zu Hause. Das ist bis heute der Horizont, in dem ich denke und versuche, die eigene Zeit zu verstehen.

Haben Sie je einen Abschluss gemacht?

Natürlich nicht! Philosophie ist ihrem Wesen nach offen, unvollendet. Man kann sie nicht abschließen oder beenden. Ein abgeschlossenes Philosophie-Studium ist ein Verrat an der Sache. Deshalb wechselte ich auch auf die Bühne, um nicht Gefahr zu laufen, das Studium abzuschließen.

Ist 2020 das neue 1933?

Nein, natürlich nicht. Das war eine Frage, die ich bei den Querdenkern gestellt habe. Sie führt den Gedanken fort, den es in der verschwörungsideologischen Szene gibt, wonach wir durch die Corona-Maßnahmen unter anderem unmittelbar vor einer neuen Diktatur stehen. Das halte ich für Quatsch.

Ihr neues Programm heißt “Neustart“. Wie war es für Sie als Künstler, der monatelang nicht auftreten kann?

Ich habe mir neue Felder erschlossen. Ich begann ein Instagram-Format namens „Quarantäne-Show“. Da habe ich mich jeden Abend mit bekannten Zeitgenossen unterhalten. Dadurch blieb ich navigationsfähig in einer Ausnahmesituation.

Sie gelten als begnadeter Parodist. Einer ihrer Lieblinge ist Karl Lauterbach von der SPD.

Er ist eine hervorragende Figur. Wenn er schon „Pandemie“ sagt und das Wort auf der ersten Silbe betont, freue ich mich. Er überholt sich gedanklich immer wieder, weil er sehr schnell im Kopf ist, es aber nicht zeitgleich in Worte fassen und seine drei gleichzeitigen Gedanken ordnen kann. Deshalb baut er Füllworte ein wie „also“ oder „sozusagen“. Für mich ist er die größte Entdeckung seit Mon Chéri.

Schröder über seine österreichische Kollegin: „An der Kunstfigur Lisa Eckhart kann ich nichts Verwerfliches erkennen. So ...
Schröder über seine österreichische Kollegin: „An der Kunstfigur Lisa Eckhart kann ich nichts Verwerfliches erkennen. So funktioniert Komik.“ | Bild: DANIEL KARMANN

Wie weit darf Satire gehen? Bei Ihnen hält sich das im Rahmen. Ihre österreichische Kollegin Lisa Eckhart benutzt offen antisemitische Versatzstücke. Würden Sie das auch tun?

Ich bin eine andere Kunstfigur, habe andere Themen, andere Zugänge. An der Kunstfigur Lisa Eckhart kann ich nichts Verwerfliches erkennen. So funktioniert Komik.

Wie ist das bei Ihnen? Wie sind sie im Privaten?

Das müssten Sie den privaten Flori fragen.

Und mit wem telefoniere ich im Moment?

Mit der Kunstfigur auf der Bühne.

Ein Schild mit der Aufschrift „Pandemie der Lügen“steht während einer Kundgebung von „Querdenken 711“ im ...
Ein Schild mit der Aufschrift „Pandemie der Lügen“steht während einer Kundgebung von „Querdenken 711“ im Schlossgarten. | Bild: Sebastian Gollnow

Und wenn die „Bunte“ anklopft und eine Homestory mit Ihnen machen will mit schönen Bildern vom Wohnzimmer und dem Katzenklo, wären Sie dann dabei?

Nein, aber ich würde einen Waldgang mit der Bunten machen. Von meiner Villa in Brandenburg aus würde ich den Reporter einladen, mit mir und meinem Husky spazieren zu gehen und ganz sensibel Käfer umdrehen. Ich bin sicher, da würden einige hundert Digital-Abos verkauft. Vermutlich müsste ich vorher noch Vegankoch werden. Das war jetzt eine klassische satirische Antwort.

Warum?

Weil wir im Zeitalter des Authentizitätsterrorismus leben.

Wie bitte?

Menschen glauben immer, dass jeder alles so meint, wie er es sagt. Nur dann sei man echt, meinen sie. Nur in der Kunst funktioniert das nicht. In der Satire sagt man oft das Gegenteil dessen, was man denkt oder meint. Uneigentliches Sprechen. Daraus entsteht Kunst. Nur so ist subversiver Humor möglich.

Humor entsteht also, wenn Gesagtes und Gemeintes nicht identisch sind.

Das kann ein Weg sein, ja. So funktioniert beispielsweise Ironie. Das wird aber immer schwieriger.

War das in der alten Bundesrepublik denn besser?

Es gab Zeiten, in denen wir in Deutschland in Sachen Humor einen besseren Breitbandausbau hatten. In den Nuller-Jahren war das noch der Fall. Es gab damals eine andere Offenheit, mit dem Uneindeutigen und dem Rätselhaften umzugehen und nicht diese Obsession, Kunst mit moralischen Mitteln zu bewerten.