Ist der Impfstoff richtig, weil die gesundheitlichen Risiken durch Astrazeneca zu groß sind? Oder bringt das im Gegenteil noch mehr Menschen in Gefahr? Das sagen zwei SÜDKURIER-Redakteure:

Stopp ist richtig: „Beim Impfen zu pausieren ist alternativlos“

Sebastian Küster aus der Politikredaktion sagt:

Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Um nicht mehr und nicht weniger handelt es sich beim Impfstopp von AstraZeneca. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine schwerwiegende, aber richtige Entscheidung getroffen. Die Aussetzung der Impftermine mit dem Vakzin aus Großbritannien schützt nicht nur Menschen vor einer lebensbedrohlichen Thrombose im Gehirn, die nur bestimmte Fachärzte mit blutverdünnenden Medikamenten behandeln können, sondern auch vor weiterem Verlust des Vertrauens in Politik, Robert-Koch-Institut und in das Gesundheitssystem.

Ende in die Restmülltonne

Der Vektorimpfstoff stand schon seit der Einführung durch die europäische Zulassungsbehörde in der Kritik – zu Unrecht. Die meisten Deutschen wollten und wollen weiterhin eine Spritze des Konkurrenten Biontech. Wenn die Politik die Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts ignoriert und nicht intensiv nach den Gründen der Nebenwirkungen gesucht hätte, könnte man Millionen Impfdosen gleich in die Restmülltonne werfen.

Die Glaubwürdigkeit wäre endgültig hinüber

Abgesehen davon wird in den Impfzentren weiter immunisiert. Und zwar mit Vakzinen, die zweifelsfrei sicher sind. Die Vorsichtsmaßnahme verlangsamt den Prozess nur marginal. Denn in Baden-Württemberg gingen bislang nur 29 Prozent der Erstimpfungen auf das Konto von AstraZeneca. Die restlichen 71 Prozent lieferten die mRNA-Firmen.

Die Aussetzung hat sogar einen positiven Effekt: Jetzt wird wohl unter Hochdruck daran gearbeitet, dass Hausärzte den empfindlichen Impfstoff von Biontech noch schneller spritzen können.

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Stopp ist falsch: „Das Virus ist tödlicher“

Angelika Wohlfrom aus der Politikredaktion sagt:

Keine Frage: Drei tödlich verlaufende Blutgerinnsel sind drei zu viel. Und trotzdem ist der Impfstopp mit Astrazeneca übertrieben. Denn verimpft wurde Astrazeneca bislang immerhin 1,7 Millionen mal. Das Risiko, schwer oder gar tödlich zu erkranken an dem Virus, ist also ungleich größer als ein schwerer Impfschaden. Besonders für Ältere und Vorerkrankte. Deutschlands Impfkampagne erleidet durch den Astrazeneca-Stopp nach vielen Pleiten und Pannen einen riesigen Rückschlag – mit potenziell fatalem Ausgang für viele Menschen.

Nur die Impfkampagne bringt uns weiter

Dass der Erfolg der Impfkampagne letztlich darüber entscheidet, wann und wie wir aus der Corona-Krise herauskommen, ist unbestritten. Je schneller die Kampagne fortschreitet, desto besser. Doch mit der Geschwindigkeit hapert es an allen Ecken und Enden. Dabei warten viele Menschen sehnlichst auf den Piks, der den Weg zu einem normaleren Leben möglich macht.

Alle impfen lassen, die willens sind

Spahns Vorsicht in Ehren. Doch gäbe es andere Möglichkeiten, transparent und dennoch vernünftig mit dem Risiko umzugehen: Man könnte über die mit Astrazeneca möglicherweise – denn gesichert ist das nicht – einhergehende Gefahren informieren und diejenigen auf eigenes Risiko impfen lassen, die dazu bereit und willens sind. Ich bin mir sicher: Es wären eine Menge!

Mehr Pragmatismus, bitte!

Wenn uns das deutsche Impfdesaster eines lehrt, dann das: Wir brauchen weniger Bürokratismus und weniger Bedenkenträgerei. Stattdessen eine ordentliche Portion Pragmatismus. Auch im Fall Astrazeneca wäre das möglich.