Sehr geehrter Herr Lauterbach,
herzlichen Glückwunsch – und herzliches Beileid – zum neuen Amt! Das will dieser Tage gewiss nicht jeder haben. Denn eigentlich kann man es mitten in der Pandemie als Bundesgesundheitsminister fast nur falsch machen. Noch ist kein Ende von Corona in Sicht und auf dem Weg dorthin lauern garantiert noch jede Menge Überraschungen. Kein Minister steht seit bald zwei Jahren mehr unter Beobachtung als der Gesundheitsminister: Wenn Sie künftig Fehler machen, können Sie sicher sein, dass es von ganz Deutschland auch bemerkt wird.

Man muss also schon ein wenig masochistisch veranlagt oder mit großem Selbst- und Sendungsbewusstsein ausgestattet sein, um dieses Amt zu übernehmen. Wie ich Sie kenne, zählen Sie zur letzteren Gattung. Dass Sie der Meinung sind, Sie wüssten besser, was richtig ist in der Corona-Krise, haben Sie uns ja in zahlreichen Talkshows demonstriert. Nun ist es Zeit, diese Expertise unter Beweis zu stellen!
Eigentlich wird einer wie Sie nicht Minister
Aber dass es nicht einfach wird, wissen Sie selbst. Immerhin können Sie sich im Moment des Rückhalts der Bevölkerung gewiss sein. 78 Prozent der Deutschen gehen laut ZDF-„Politbarometer“ davon aus, dass Sie Ihre Sache „eher gut“ machen werden. Selbst Olaf Scholz (77 Prozent) kommt bei den Bürgern nicht so gut weg. Das hat mindestens zwei Gründe: Ihre fachliche Kompetenz – in Sachen Pandemie traut die Öffentlichkeit dem Epidemiologen einiges zu, der sich jede Menge Studien draufschafft und immer so wirkt, als sei er auf dem Stand der Wissenschaft. Aber auch Ihr Widerstandsgeist.
Sie haben sich nicht durch Fügsamkeit im Parteiapparat nach oben gedient, Sie sind kein Ja-Sager, sondern ein Unbequemer. Eigentlich wird so einer wie Sie nicht Minister. Aus Sicht der Bürger macht Sie das umso sympathischer, weil man annimmt, dass Sie auch in Zukunft für Ihre Position kämpfen werden, nicht, um des Koalitionsfriedens willen, klein beigeben und Ihre Überzeugungen verraten werden.
Risiken und Nebenwirkungen liegen ganz bei Ihnen
Ich bin gespannt, ob Sie diesen Erwartungen im Amt gerecht werden können. Olaf Scholz jedenfalls hat mit Ihrer Personalie enormes taktisches Geschick unter Beweis gestellt. Er hat den prominentesten Gesundheitspolitiker seiner Partei aufs Schild gehoben, sich damit bei den Bürgern beliebt gemacht und gleichzeitig einen potenziellen Quertreiber, einen, der von der Seitenlinie aus die eigene Mannschaft mit Eiern bewirft, offiziell eingebunden und damit eingehegt. Der frisch gebackene Kanzler kann dabei eigentlich nur gewinnen: Wenn Sie Corona in den Griff kriegen, kann er Ihnen und sich auf die Schulter klopfen. Sollte es nicht klappen, kann er immer noch sagen: War mir gleich klar, dass das schiefgeht, aber die Bürger wollten ihn ja.
Alle Risiken und Nebenwirkungen des Amts liegen also bei Ihnen, Herr Lauterbach. Aber lassen Sie sich davon nicht Bange machen! Die Bürger zählen auf Sie!