Frankreich: Misstrauen und Bewunderung für die Nachbarn

Deutschland nimmt in den Augen vieler Franzosen beim Krisenmanagement in Corona-Zeiten eine altbekannte Rolle ein: die des Klassenbesten, der bewundert, aber auch misstrauisch beäugt wird. Nicht nur beim Fußball schreiben französische Medien gerne vom „Match“ zwischen beiden Ländern, sondern auch, wenn es um Wirtschaftsleistungen oder den sozialen Dialog geht – und nun scheint der Nachbar die Lage erneut besser im Griff zu haben. Denn trotz weniger strikter Maßnahmen bei der Ausgangssperre sind rechts des Rheins deutlich weniger Tote zu beklagen.
Dass es auch in Deutschland Streitigkeiten über die richtige Strategie und zeitweise Engpässe beim Material gab, kam in Frankreich kaum zur Sprache. Stattdessen nutzen Kritiker der französischen Regierung das gute Krisenmanagement der Bundesrepublik als Argument. Kanzlerin Angela Merkel als besonnene Staatsfrau flößt den meisten Franzosen ohnehin mehr Vertrauen ein als der eigene hyperaktive Präsident.
Obwohl Emmanuel Macron medienwirksam für Corona-Bonds und eine Vergemeinschaftung von Schulden innerhalb der Euro-Zone plädierte, wurde diese Frage in der Öffentlichkeit bislang wenig debattiert. Noch liegt der Fokus stark auf der Situation im eigenen Land.
Großbritannien: Druck durch Dauerbeispiel Deutschland
Wenn sich täglich ein Regierungsvertreter in der Downing Street mit neuesten Corona-Informationen an die Nation wendet, dann hagelt es im Anschluss in der Regel Kritik. Besonders unter Druck geraten Minister stets dann, wenn auf Deutschland verwiesen wird. Und das passiert so ziemlich ständig. Warum sterben in der Bundesrepublik deutlich weniger Infizierte als auf der Insel? Warum schaffen es die Deutschen, so viel mehr zu testen? Mittlerweile rollen bei der Erwähnung der europäischen Vorbildnation etliche Briten schon die Augen.
Experten befürchten, dass Großbritannien mit Blick auf die Sterberate das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte – oder es gar schon ist. Es herrscht Chaos. Selbst Ärzte, Schwestern und Pfleger werden nur getestet, wenn sie oder Familienmitglieder Symptome zeigen.
Das dezentral organisierte Deutschland dagegen, so werden die Briten nicht müde zu betonen, führte schon länger deutlich mehr Tests durch, peilt nun sogar 4,5 Millionen pro Woche an. Damit nicht genug. Mit Neid blickt das Land auf den Kontinent, wo die ohnehin weniger strikten Ausgangsbeschränkungen nun weiter gelockert wurden, während auf der Insel noch immer die strenge Anweisung gilt, zuhause zu bleiben.
Belgien: Ein bisschen Neid, doch Wut auf andere

Das Land kämpft mit seinem traurigen Ruhm. Fast 6000 Tote hat das Virus inzwischen gefordert – bei gerade mal 11,5 Millionen Einwohnern. Belgien besetzt damit den schlimmen Platz eins in der Welt. Einmal mehr geht in dieser Situation der neidische Blick in Richtung Deutschland. „Wir können lernen“, schrieb ein Zeitungskommentator vor einigen Tagen, „dass wir viel früher und breiter hätten testen müssen, um angemessen zu reagieren.“
Nun wäre ein noch auf lange Sicht gesperrtes Belgien für die deutschen Urlauber nur ein begrenztes Problem. Belgiens Küsten sind zwar in den Ferien ebenso überlaufen wie die Regionen der Ardennen – aber von nur wenigen Deutschen. Die reisen meist nur durch das Land zu anderen Zielen – auch derzeit, da die Grenzen zwar kontrolliert werden, aber offen bleiben.
Doch anders als sonst reagieren die Belgier gerade eher verstimmt auf die Durchreisenden. Die Konfrontation mit den Bewohnern des Landes, das wieder einmal alles besser macht und nun auch noch lockerer durch die Krise zu kommen scheint, macht dann doch neidisch. Doch die eigentliche Verärgerung richtet sich auf Italien und Österreich. Ihre Winterferien nämlich verbrachten viele Belgier in Norditalien oder in Ischgl beim Skifahren. Sie brachten das Virus mit.
Österreich: Das bessere Deutschland?

Ist Österreich das bessere Deutschland? Ist Sebastian Kurz ein besserer Kanzler als Angela Merkel? Angesichts seiner schnellen und harten Entscheidungen in der Flüchtlings- und der Corona-Krise konnten viele ihre Begeisterung kaum zügeln. Das Lob aus Deutschland, besonders aus Bayern, war für Wien zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Umso mehr schmerzt die mediale Kritik an der späten Schließung der Skigebiete. Zu einem Zeitpunkt, als sich das Virus von Ischgl aus in die ganze Welt verbreitet hatte.
Darauf spielte Sebastian Kurz an, als er im deutschen Fernsehen forderte, auf das „blame game“ zu verzichten. Und er drehte den Spieß um: schließlich existiere eine Studie, nach der die Epidemie von München ausgegangen sei. Gemeint war der Webasto-Fall Ende Januar bei München.
Das bilaterale Verhältnis wurde außerdem beschädigt, als eine Lieferung bestellter und bezahlter Masken für Österreich wochenlang vom deutschen Zoll festgehalten wurde. Das ändert aber nichts daran, dass Deutschland in der Krise wieder zum Hauptbezugspunkt für die österreichische Wirtschaft wird. Schon jetzt wartet die Autozulieferindustrie darauf, dass in Deutschland die Produktion anläuft. Ganz zu schweigen vom Tourismus, der auf die Nachbarn setzt.