Nach der Tötung der zwölfjährigen Luise durch vermutlich zwei nahezu gleichaltrige Mädchen in Freudenberg gibt es eine Debatte über die Strafmündigkeit. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich bereits zurückhaltend geäußert. Doch was spricht wofür?

Politikredakteur Jann-Luca Künßberg sagt: Gerade für Hinterbliebene ist ein Gerichtsprozess wichtig. Eine frühere Strafmündigkeit wäre also richtig

Die Forderung nach einem geringeren Alter der Strafmündigkeit hat ein Problem: Sie klingt meist nach Gefängnisstrafen für Kinder. Das passt vielleicht zu mancher Leute Straffetisch, kann aber niemand ernstlich wollen – zumal das keinen besseren Schutz vor Straftaten verspricht. Es sollte aber nicht unterschätzt werden, welchen Wert ein Gerichtsverfahren für alle Beteiligten haben könnte. Das wäre bei geltender Rechtslage über die Herabsetzung der Strafmündigkeit zu haben.

Ein solches Verfahren wird auch Prozess genannt und bedeutet ursprünglich so viel wie Vorwärtsgehen. Es hilft den Beteiligten, das Geschehene zu verarbeiten. Auf den ersten Blick ist das im Fall der 12-jährigen Luisa, die von zwei fast gleichaltrigen Mädchen getötet wurde, vor allem für die Eltern des Opfers wichtig.

Auf den zweiten Blick könnte ein gemeinsames Verfahren, also eine Konfrontation, aber durchaus auch den jungen Täterinnen guttun. Sie werden wohl ein Leben lang an ihrer schweren Schuld tragen – dabei kann ein gemeinsamer Prozess mit den Hinterbliebenen auch helfen. Für solch ein heikles Unterfangen bräuchte es zweifelsohne besonders geschultes Personal und psychologische Betreuung.

Bislang werden die Betroffenen und die Täterinnen getrennt voneinander betreut und in entsprechende soziale Strukturen überführt. Es kann nicht darum gehen, Kinder anders und härter zu sanktionieren. Ein gemeinsamer Prozess wäre aber alle Überlegungen wert. Ob so etwas nur im Strafrecht geregelt werden kann, müssten Juristen klären.

Contra: Erziehung statt Bestrafung, echte Hilfe statt Symboldebatten, fordert Politikredakteur Dominik Dose

Unser aller Gerechtigkeitssinn ruft laut: Wer mordet, der soll bestraft werden – egal wie alt. Dieser Reflex ist richtig. Aber er darf nicht zu den falschen Folgerungen verleiten. Und ein herabgesenktes Alter bei der Strafmündigkeit wäre eine solche.

Denn klar ist ja, und das zeigt auch in der Blick in Länder mit niedrigerer Altersgrenze wie etwa die Schweiz: Es geht so oder so nicht darum, Zwölfjährige jahrelang einzukerkern. Das ist erkennbar nutzlos und schädlich, diverse Jugendpsychologen warnen mit Nachdruck vor Einsperr-Fantasien.

Eher geht es bei einem niedrigeren Mündigkeitsalter darum, dass es auch für sehr junge Straftäter ein richterliches Urteil gibt – dessen Inhalte mit Therapie, Begleitung, Resozialisierung aber immer dem ähnlich sind, was jetzt schon mit sehr jungen Tätern passiert. Auch unser Jugendstrafrecht ab 14 Jahren ist eher auf Erziehung ausgelegt als auf möglichst harte Bestrafung.

Sinnvoller ist es also, auf die Wurzeln der Probleme zu schauen. Ein Schulsozialarbeiter oder eine Lehrerin, die ausreichend Zeit hat, verhindert mehr jugendliches Unheil als neue Paragraphen im Strafgesetzbuch und die damit einhergehende Zusatzbelastung für die Justiz.

Hüten wir uns also vor Symboldebatten, setzten wir Zeit und Geld dort ein, wo man etwas bewegen kann. Wer den Angehörigen der Opfer Leid ersparen will, kann das nur sehr bedingt durch eine härtere Bestrafung der Taten leisten – aber umso stärker durch richtige Vorbeugung.