Noch nie habe ich so häufig über das Auswandern gesprochen wie in den letzten Wochen. In verschiedenen Runden, immer war es irgendwann Thema: Wo kann man hin, wenn es hart auf hart kommt? Wo ist die Welt noch in Ordnung? Schnell reift dann die Erkenntnis: nirgends. Und im Exil wurde eh noch keiner glücklich.
Es gibt also keinen einfachen Weg raus aus dieser allgemeinen politischen Mistlage, keine Flucht vor Rechtsruck und Anschlägen in Deutschland und vor Trump, Musk, Vance, Putin. Und so kommt sie in vielen Menschen auf, die Verzweiflung, die Angst, bei manchen die Resignation und gleichzeitig dieses Gefühl: Man muss doch irgendwas machen, man muss es doch irgendwie verhindern können.
Man will schon gar keine Nachrichten mehr schauen und lesen und tut es doch, in der Hoffnung, irgendwo noch ein kleines Senfkorn Hoffnung zu entdecken – meist vergeblich. Alles kommt zusammen, man weiß gar nicht so recht, wohin mit sich. Doch drückt irgendwo in der Magengegend ein Gefühl, vielleicht sogar eine Gewissheit: dass alles vor die Hunde geht. Oh, so dürfen wir nicht denken.
Schauen wir auf Deutschland. Schauen wir auf das, was Mut macht. Ja, es gibt brutale AfD-Ergebnisse, der Hass war stark bei dieser Wahl. Und doch: Nicht bei der allergrößten Mehrheit der Deutschen, nicht bei acht von zehn Wählern, die eben nicht die AfD gewählt haben.
Junge Menschen setzten mit vielen Stimmen für die Linke gleich das maximale Zeichen gegen den Rechtsruck – und ja, darum geht es ihnen. Das kommt nicht, weil die TikTok-verblödet sind, wie es jetzt gerne schon wieder dargestellt wird.
Was Mut macht
Schauen wir auch auf den Osten: Der wirkt auf Wählerstimmen-Landkarten ganz blau, wie verlorenes Land. Dennoch hat auch dort überall mehr als die Hälfte der Menschen eben nicht AfD gewählt. Dass die Partei jemals im Bund mitregiert, bleibt extrem unwahrscheinlich, solange die Union stabil bleibt.
Und, bei aller berechtigten Kritik an Friedrich Merz: Auch linke Menschen dürfen einsehen, dass ihn von Alice Weidel beruhigenderweise sehr entscheidende Punkte abheben, dass die CDU keine Partei des rechten Rands ist und dass solche Gleichsetzungen nur den Spaltern helfen.
Die Wahrheit hinter allen Sorgen
Jenseits aller Sorgen bleibt eine Wahrheit: Es gibt einen Kern von Millionen Deutschen, die zuversichtlich sein wollen. Die nett sein wollen und für die ein Mensch ein Mensch ist, egal wo er herkommt. Die unsere Vergangenheit kennen, Demokratie schätzen und Freiheit lieben.
Und wenn Sie den Glauben daran verloren haben und sich fragen, aber wo ist dieser Kern denn? Dann ist die Antwort: Sie sind es selbst. Und die besorgten Gespräche, die Sie führen mit Ihrem Partner, mit Freunden und Familie, die führen Millionen andere in diesem Land auch. Das passiert im Privaten, im Leisen, das ist der Unterscheid zu den Hetzern und Schreihälsen im Internet.
Es gibt eine stille Mehrheit des Anstands. Und wer sich nicht beirren lässt, wer positiv bleibt, wer für Werte einsteht gerade wenn es ungemütlich wird, der sorgt dafür, dass es diese Mehrheit auch immer geben wird.
Wenn morgen die Welt untergeht...
Eines muss man aber ehrlich sagen: Der Blick auf die politische Weltlage ist nicht zur Optimismus-Quelle umzudeuten. Das wird gerade alles extrem ungemütlich und beängstigend. Das Thema Trump taugt eigentlich nur dazu, blitzschnell jedes Gespräch abzuwürgen, jede Freude zu vertreiben.
Andererseits: Jetzt ist alles klar, jetzt steht fest, dass Trump alles so extrem wie möglich umsetzen will. Es ist keine gute Klarheit, aber es ist Klarheit. Vergessen wir auch hier nicht: Trump ist nicht plötzlich Diktator, ihm bläst politischer und durchaus kräftiger rechtlicher Gegenwind entgegen. Die USA sind kein kollektiv wahnsinnig gewordenes Land, es gibt dort Abermillionen Freunde der Demokratie, Freunde des Westens.
Und unterschätzen wir uns nicht selbst: Wenn sich Europa zusammenrauft, hat es wirtschaftlich, auch militärisch, den restlichen Weltmächten doch ein bisschen was entgegenzusetzen. Im besten Fall lebt im amerikanischen Albtraum der wahre Traum wieder auf: der vom geeinten Europa.
Die Bewohner dieses Kontinents haben die schier unmögliche Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft, wir reisen, leben, lieben längst ohne Rücksicht auf Ländergrenzen und Staatsbürgerschaften. Was für eine Kraft hier liegt!
Aber es ist keine Schande, wenn einem in dieser Lage zwischendurch doch die Hoffnung schwindet. Dann hilft vielleicht nur eine Einstellung: Wenn morgen schon die Welt untergeht, sollten wir heute immerhin noch Spaß haben. Aber so schlimm ist es dann doch nie gekommen.