Um die 300 Menschen verhandeln eine erste Ampelregierung auf Bundesebene. Einigkeit zwischen SPD, Grünen und FDP herrscht bei der Legalisierung von Cannabis. Damit ist jedoch weder klar, wo der Hanf angebaut wird, noch wer ab wann wem und wo Marihuana und Co. verkaufen wird. Dass es bis zu einer Freigabe Jahre dauern könnte, zeigt der Blick in die Schweiz.
Dort ist durch eine Gesetzesänderung seit Mai der Weg frei für Modellversuche zur kontrollierten Freigabe von Cannabis. Geprüft werden sollen Folgen für Körper und Psyche der Konsumenten. Auch Auswirkungen auf den Schwarzmarkt, den Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit sollen untersucht werden.
SPD hat Schweizer Cannabis-Versuch im Blick
An wissenschaftlich begleiteten Projekten will sich hierzulande die SPD orientieren. Während FDP und Grüne laufenden Koalitionsgesprächen nicht vorgreifen wollen, sagt Dirk Heidenblut, SPD-Berichterstatter für das Thema: „In durchaus unterschiedlichen Varianten“ soll herausgefunden werden, wie eine Legalisierung aussehen könnte. Das Vorhaben der Schweiz sei den Sozialdemokraten bekannt.
„Wir halten es für wichtig, dass aus den Erfahrungen anderer Länder gelernt und letztlich das passende Modell für Deutschland gefunden wird“, sagt Heidenblut, Abgeordneter aus Essen. Schnell gehen könnte es seiner Meinung nach bei der Entkriminalisierung.
Cannabis-Delikte würden dann als Ordnungswidrigkeit gelten. Während die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei das strikt ablehnen, plädierte der Bund Deutscher Kriminalbeamter jüngst ebenfalls für das Ende der Strafverfolgung.
Was die Ampel-Parteien (bisher) zur Cannabis-Freigabe sagen
Kanton Basel: Verkauf könnte ab Frühsommer 2022 beginnen
Basel-Stadt hat als einer der ersten Kantone Pläne zur Prüfung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgelegt. Der Verkauf könnte im Frühsommer 2022 beginnen, erklärt Regine Steinauer, Leiterin der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements. Angebaut würde ab Februar. „Ich will Cannabis sicher nicht verharmlosen“, sagt Steinauer, „aber es kann aus gängiger Studienlage nicht als Einstieg in harten Drogenkonsum gewertet werden.“
Als Voraussetzungen für eine regulierte Abgabe zählt sie auf: strenge Beachtung des Jugendschutzes, Präventionsprogramme sowie eine funktionierende Früherkennung und Behandlung einer Suchtgefährdung.
In Basel steht Sucht-Früherkennung im Zentrum
Regine Steinauer und ihre Mitarbeiter konzentrieren sich insbesondere auf die Früherkennung einer Sucht. „Das kann entweder auf Initiative der Konsumenten selbst erfolgen oder durch das Erkennen durch die abgebende Apotheke, etwa wenn die Menge an bezogenen Cannabisprodukte immer weiter steigt“, erklärt sie.
In Basel-Stadt hat man sich dazu entschieden, die Rauschmittel ausschließlich über Apotheken zu verteilen und auf Social Clubs zu verzichten. Diese nicht-kommerziellen Vereine können Cannabis kaufen und an ihre Mitglieder verkaufen. Laut Regine Steinauer war den Projektleitern wichtig, dass über Apotheken qualifizierte Fachleute beteiligt sind. Auch wenn sie einräumt, dass „der Konsum während der Pilotphase möglicherweise weniger attraktiv als in Social Clubs ist“.
Strenge Vorgaben von Anbau bis zum Konsum: Der Schweizer Cannabis-Modellversuch
Stadt Zürich setzt auch auf caféartige Social Clubs
Auf sie setzt – neben Apotheken – die Stadt Zürich. Die Finanzmetropole kündigte gerade an, sich ebenfalls an einem Modellversuch zu beteiligen, unter Leitung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Die 430.000-Einwohner-Stadt geht von 140.000 bis 150.000 Cannabis-Konsumenten aus. „Social Clubs dürfen auch café- oder lounge-artig sein“, kündigt Morten Keller, Direktor der Städtischen Gesundheitsdienste, an. Der gemeinsame Konsum im Lokal ist Teil des Social-Club-Konzepts.
Keller glaubt dennoch nicht, „dass es zu Zuständen wie in den Niederlanden kommen wird. Die Regeln sind wesentlich strenger als in den bekannten Coffee Shops.“ So müssen Betreiber ein Gesundheitskonzept erstellen, Präventionsprogramme durchführen oder die Cannabis-Zusammensetzung klar ausweisen.
Was sich die Stadt Zürich vom Projekt verspricht
In den Niederlanden hat die über Jahrzehnte lockere Drogenpolitik dazu geführt, dass auch härtere Drogen wie Ecstasy oder Kokain immer größere Verbreitung fanden. Das Magazin „Der Spiegel“ berichtete Anfang Oktober in einer Titel-Geschichte über die Entwicklung des Landes zu einem der wichtigsten Stützpunkte für illegalen Drogenhandel, auf dem kriminelle Banden auch nicht vor Auftragsmorden zurückschrecken.
Dennoch verspricht sich Morten Keller aus Zürich, selbst Psychiater und Rechtsmediziner, viel von den Schweizer Pilotprojekten. Vom Ende der Kriminalisierung „sonst rechtschaffener Bürger“ war bereits die Rede. Darüber hinaus könnten Gefahren des unreinen Schwarzmarkt-Gras vermieden werden – etwas der unklare THC-Gehalt oder zugesetzte Schadstoffe. Zuletzt würden bisherige Kiffer eventuell vom gesundheitsschädlicheren Rauchen zu anderen Konsumarten wie dem Verdampfen wechseln.

Zürcher Gesundheitsdirektor: „Jetzt ist es eindeutig an der Zeit“
Keller findet, die Pilotversuche hätten schon früher beginnen können, die Unterstützung in der Bevölkerung für solche Studien sei groß. Zwei Drittel der über 18-Jährigen sprachen sich in diesem Sommer bei einer Umfrage dafür aus. „Jetzt ist es eindeutig an der Zeit“, sagt der Leiter der Zürcher Gesundheitsdienste. Persönlich setzt er auf Regulierung statt Verbote durch den Staat, da sie den gewollten Zweck nicht erfüllten und „den Reiz des Ausprobierens unnötig wecken“.
Das Zürcher Projekt ist auf dreieinhalb Jahre ausgelegt, ab Sommer 2022 sollen Konsumenten gesucht werden. Morten Keller rechnet angesichts „stetiger aber langsam mahlender politischer Mühlen“ in seinem Heimatland trotzdem „eher mit dem Jahr 2030 als 2025“ bis es zu einer Entscheidung kommen wird.
Warum eine schnelle Freigabe gefährlich ist
Mit Blick auf die deutsche Debatte rät er der künftigen Regierung, den Schweizer Modellcharakter zu übernehmen. Einen einheitlichen Umgang – zumindest im deutschsprachigen Raum – sei schon deshalb vernünftig, um Verschiebungen des Schwarzmarkts zu verhindern. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Länder bei schnellen, unregulierten Freigaben einen Wildwuchs schafften und letztlich keine so guten Erfahrungen gemacht haben“, sagt Keller außerdem.