Wie sicher ist der neue Corona-Impfstoff? Und sind gefährliche Nebenwirkungen ausgeschlossen? In Umfragen zeichnet sich eine leicht sinkende Bereitschaft der Menschen ab, sich impfen zu lassen – die Verunsicherung ist groß. Hinzu kommen Mythen und Gerüchte, die in sozialen Medien kursieren und zusätzlich verunsichern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Sicherheit und den Risiken der neuen Corona-Impfstoffe haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Wie funktioniert die neue Impfmethode?
Das Verfahren bei den Covid-19-Impfstoffen wurde schon vor vielen Jahren entwickelt, um es dann in Zeiten von Pandemien anwenden zu können. Dabei werden sogenannte mRNA, also Botenstoffe, genutzt. Bei dieser Vorgehensweise werden keine Viren mehr genutzt wie bei klassischen Impfungen, sondern nur noch der Bauplan für ein Oberflächenprotein des Virus in den Körper gespritzt.
Der Körper baut das Protein zunächst nach. Das Immunsystem reagiert dann auf das fremde Protein und bildet passende Antikörper gegen die fremde Oberflächenstruktur. Das Verfahren wurde vor den Covid-19-Impfstudien noch nie am Menschen erprobt. Die Methode wird von den Impfstoffherstellern Biontech, Moderna und Curevac genutzt.
Die Firma Astrazeneca hat dagegen keinen mRNA-Impfstoff entwickelt, sondern einen sogenannten Vektorimpfstoff. Bei diesem Verfahren werden unschädlich gemachte Erkältungsviren verwendet. Diese Vektorviren werden mit einem Teil der Erbinformation des neuartigen Sars-Coronavirus-2 ausgestattet und sollen so eine Immunreaktion auslösen.

Wie funktioniert das Prüfverfahren der Impfstoffe?
Jeder Impfstoff muss eine klinische Studie durchlaufen, die in drei Phasen gegliedert ist. In der ersten Phase wird die Verträglichkeit des Impfstoffs an einer kleinen Gruppe Probanden geprüft, in der zweiten Phase die Dosis festgelegt und in der dritten an einer großen Masse von Menschen getestet, die in einem Gebiet leben, wo die Ansteckung mit der Krankheit besonders groß ist.
Erst, wenn aus der dritten Phase bestimmte Daten vorliegen, kann der Impfstoffhersteller die Zulassung beantragen.
Wer ist für die Zulassung verantwortlich?
Mittlerweile läuft fast jede Zulassung über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Denn kaum ein Medikament wird ausschließlich für den deutschen Markt zugelassen – dafür wäre das Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Arzneimittel zuständig.
Die EMA prüft für den EU-Binnenmarkt, welche Arzneimittel oder Impfstoffe zugelassen werden. Die Zulassung selbst erteilt die EU-Kommission auf die Empfehlung der EMA hin. Sie gilt dann für den gesamten europäischen Markt.
Bei der EMA entscheidet der Ausschuss für Humanarzneimittel über die Zulassungsanträge. Darin sitzt jeweils ein Experte der Mitgliedstaaten. Zusätzlich gibt es fünf sogenannte kooptierte Mitglieder. Einen der Sitze in diesem Gremium hat das Paul-Ehrlich-Institut inne. Die EMA spricht eine Empfehlung aus, die endgültige Entscheidung über die Zulassung trifft dann die EU-Kommission.
Warum wird in Großbritannien schon geimpft?
Das Land hat über seine nationale Zulassungsbehörde den Impfstoff von Biontech geprüft, der dort nun über eine Notzulassung bereits verimpft wird.
Wie kurz ist das beschleunigte Verfahren?
Im beschleunigten Bewertungsverfahren wird die übliche Bewertungszeit bei der EMA von 210 Tagen auf 150 Tage verkürzt. Das ist bei Impfstoffen möglich, die von großem Interesse für die Allgemeinheit sind, etwa, weil sie auf eine Erkrankung abzielen, für die es bisher noch keine Behandlungsmöglichkeit gibt und ein besonderer medizinischer Bedarf besteht, der nicht gedeckt ist. Gegen Covid-19 gibt es derzeit noch kein Medikament.
Ist dadurch die Sicherheit der Impfstoffe gefährdet?
Jein. Es gelten die gleichen Sicherheitskriterien wie bei anderen Impfstoffen. Die sogenannte Teleskopierung, also das Überlappen verschiedener Impfprüfphasen, ist nicht ungewöhnlich. Um in die nächste Phase eintreten zu können, müssen bestimmte Daten aus den vorangehenden Phasen vorliegen, damit die zuständige Ethikkommission und Arzneimittelbehörde die nächste Stufe der klinischen Studie freigeben kann.
Langzeitfolgen eines Impfstoffes können bei verkürzten Studienphasen nicht ausgeschlossen werden. Allerdings kommen Nebenwirkungen nach Angaben des Tübinger Leiters der klinischen Studie des Curevac-Impfstoffs am häufigsten in den ersten beiden Wochen nach der Impfung vor. Ausgeschlossen werden können sie aber nicht.
Wie verhalten sich die Firmen, wenn es zu negativen Auswirkungen des Impfstoffs während der klinischen Studie kommt?
Bei der britischen Firma Astrazeneca ist es in der klinischen Studie zu einem Zwischenfall gekommen. Eine Probandin soll im September verschiedenen unbestätigten Berichten zufolge an Transverser Myelitis erkrankt sein. Dabei handelt es sich um eine Entzündung des Rückenmarks, die durch Viruserkrankungen ausgelöst werden kann. Ob die Erkrankung mit dem Impfstoff zusammenhängt oder zufällig auftrat, ist unklar.
In solchen Fällen muss die Studie unterbrochen werden, bis die zuständige Aufsichtsbehörde die Fortsetzung für unbedenklich erklärt. In diesem Fall wurde die Studie etwa eine Woche später wieder aufgenommen.

Ende Oktober kam es zu einem weiteren Zwischenfall mit einem freiwilligen Probanden in Brasilien. Auch hier sind keine Details bekannt – Medienberichten zufolge soll es sich um einen 28-Jährigen handeln, der demnach aber der Kontrollgruppe angehörte und dementsprechend ein Placebo bekommen haben soll. Auch in diesem Fall wird die Studie aber unterbrochen, der Vorfall geprüft und dann entschieden, ob die Studie fortgesetzt werden darf.
Im schlimmsten Fall kann die Aufsichtsbehörde aber entscheiden, dass die Impfstudie nicht fortgesetzt werden darf.
Was bedeutet das mit der Nutzen-Risiko-Bewertung?
Die Nutzen-Risiko-Bewertung sagt aus, in welchem Verhältnis der Nutzen eines Arzneimittels oder Impfstoffs gegenüber dessen möglichen Risiken steht. Dieses Verhältnis wird nicht nur während der Entwicklung, sondern auch nach der Zulassung fortlaufend neu beurteilt.
Dazu muss der Hersteller auch nach der Zulassung immer neue Unbedenklichkeitsberichte an die Europäische Arzneimittelagentur übermitteln. Sollte diese Nutzen-Risiko-Bewertung ungünstig ausfallen, wird der Impfstoff wieder vom Markt genommen.
Kann der Impfstoff die menschlichen Gene verändern?
Das Paul-Ehrlich-Institut, also das Bundesinstitut für Arzneimittel, hält das für nahezu unmöglich. Es bestehe keine Gefahr, dass der Botenstoff, die mRNA, in das menschliche Genom integriert werde. Denn: Beim Menschen befindet sich das Genom in Form von DNA im Zellkern. Die RNA kann schon aufgrund seiner unterschiedlichen chemischen Struktur nicht in die DNA integriert werden.
Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts gibt es zudem keinen Hinweis darauf, dass die von den Körperzellen nach der Impfung aufgenommene mRNA in DNA umgeschrieben wird.
Welche negativen Folgen kann eine Impfung haben?
Typische Beschwerden nach einer Impfung sind Rötung, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle, auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein sind möglich. Diese Reaktionen sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff und klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab.
In Großbritannien wurde unmittelbar nach dem Impfstart mit dem Biontech-Präparat über zwei Geimpfte berichtet, die eine allergische Reaktion zeigten. Beides sind starke Allergiker, die sich aber schon im Laufe des Tages erholten. Dennoch rät Großbritannien nun starken Allergikern von der Impfung ab.
Wie groß ist die Gefahr einer Autoimmunreaktion?
Das lässt sich nicht allgemein sagen, sondern nur durch klinische Studien mit vielen Teilnehmern und über lange Zeiträume bestimmen. Allerdings sind solche Folgen einer Impfung sehr selten.
Vorgekommen ist das zuletzt beim Impfstoff Pandemrix gegen die Schweinegrippe. Bei wenigen Menschen mit einem sehr speziellen genetischen Merkmal hat das zu Narkolepsie geführt, einer Art Schlafkrankheit. 2009 beziehungsweise 2010 kam es zu zunächst rätselhaften Fällen von Narkolepsie, bis der Zusammenhang zu dem Impfstoff hergestellt werden konnte. Bis 2015 wurden etwa 1300 Fälle bekannt. Geimpft wurden etwa 60 Millionen Menschen weltweit.
Wie groß ist das Risiko von Langzeitschäden?
Langzeitstudien gibt es naturgemäß zu den neu entwickelten Covid-19-Impfstoffen noch nicht. Dennoch sind Rückschlüsse auf mögliche Nebenwirkungen aus Forschungen in der Vergangenheit möglich, bei denen etwa einzelne Inhaltsstoffe oder ähnliche Impfstoffe untersucht wurden. Manche sehr seltenen Nebenwirkungen lassen sich erst nach der Zulassung erfassen.
Werden die zugelassenen Impfstoffe weiter geprüft?
Ja. Auch nach einer Zulassung werden Impfstoffe weiter beobachtet und geprüft. Für die Covid-19-Impfstoffe arbeitet das Paul-Ehrlich-Institut derzeit an einer App, über die Geimpfte etwaige Nebenwirkungen melden können sollen. Die nachträgliche Erfassung ist nicht ungewöhnlich – bei anderen zugelassenen Medikamenten werden ebenfalls laufend die Nebenwirkungen geprüft, der Weg über die App ist allerdings neu.
Wer ist verantwortlich, wenn etwas schief geht?
Da es keine Impfpflicht gibt, sondern lediglich eine Empfehlung, handelt jeder, der sich impfen lässt, freiwillig. Trotzdem gilt bei nachgewiesenen Impfschäden die übliche gesetzliche Regelung wie bei anderen Impfempfehlungen auch. Dies ist in Paragraf 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ausdrücklich geregelt. Das heißt: Betroffene können im Ernstfall Unterstützung nach dem Bundesversorgungsgesetz beantragen.
Mitte November wurde bekannt, dass die EU-Kommission, die für die EU-Mitgliedstaaten zentral Vorverkaufsverträge für die neuen Impfstoffe abschlossen, Passagen beinhalteten, wonach „die Mitgliedstaaten die Hersteller für bestimmte Haftungen entschädigen, die unter bestimmten und strengen Bedingungen auftreten“. Allerdings liege die Haftung weiterhin bei den Unternehmen.
Hintergrund dafür ist die schnellere Entwicklung und das damit verbundene potenzielle Risiko der Impfstoffhersteller, dass es in Einzelfällen zu seltenen Nebenwirkungen kommen könnte.
Wie kann ich Impfschäden geltend machen?
Für Impfschäden gelten die Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts. Grundlage dafür ist das Bundesversorgungsgesetz. Wer durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung, wie in diesem Fall die Empfehlung, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, einen Impfschaden erlitten hat, kann eine Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz beantragen. Sie umfasst unter anderem eine Beschädigtenrente sowie medizinische Versorgung und Pflege.
Beurteilen, ob eine gesundheitliche Schädigung oder Beeinträchtigung durch die Impfung verursacht wurde, muss das das Versorgungsamt des Landes.
Schütze ich andere, wenn ich geimpft bin?
Das lässt sich tatsächlich noch nicht genau sagen. Man weiß heute noch nicht, ob mit der Impfung eine Infektion tatsächlich verhindert werden kann oder ob der Geimpfte nur gegen den Ausbruch der Krankheit geschützt sein wird. Auch ist noch nicht klar, ob Geimpfte das Virus weiter übertragen können oder nicht. Das muss erst in zusätzlichen Studien untersucht werden.
Bedenken muss man auch, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe zwar relativ hoch ist im Vergleich zu anderen Impfstoffen, etwa dem Grippeimpfstoff, aber eine hundertprozentige Wirksamkeit gibt es nicht. Deshalb sollten auch Geimpfte die Abstands- und Hygieneregeln einhalten, raten Experten.